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Version [80505]

Dies ist eine alte Version von EnRStromabnahmeEEGBeispiel erstellt von WojciechLisiewicz am 2017-06-24 18:56:40.

 

Abnahme und Vermarktung von Strom aus einer EEG-Anlage

ein Fallbeispiel

Achtung: die Lösung basiert hier noch auf dem EEG 2014. Die Anspruchsgrundlagen und einige Regeln haben sich mit dem EEG 2017 geändert!
 


Sachverhalt

Der Finanzinvestor Gierig AG (G) errichtet ein mit Biomasse (Energiepflanzen) betriebenes Heizkraftwerk (HKW) in der Stadt Grünhausen (Leistung: 20 MWel). In dieser Gemeinde und auch in der gesamten Region betreibt die Riesig AG (R) das Verteilernetz.
Das HKW des G wurde in Betrieb genommen und an das Netz der R angeschlossen. Da eine Tochtergesellschaft der R aber in der benachbarten Gemeinde auch eine kleine Strom­er­zeu­gungs­anlage betreibt, verweigert R die Stromabnahme, solange G keinen Lieferantenrahmen­vertrag und keine konkrete Abnehmer für seinen Strom nachgewiesen hat. Im Übrigen sei es für R gem. § 20 Abs. 2 EnWG nicht zumutbar, Strom aus dem HKW durchzuleiten, weil dadurch Netzengpässe entstehen, die R in seiner Rolle des Netzbetreibers zu vermeiden habe. Ferner könnte so das bereits bestehende Kraftwerk nicht in vollem Umfang produzieren, was nicht umweltfreundlich sei.

Frage 1:

Sind die durch R gestellten Bedingungen und geltend gemachten Vorbehalte mit dem EEG vereinbar?

Nachdem R die Durchleitung des Stroms aus der Anlage des G zugelassen hat, kommt es in einem Netzabschnitt zu einer Netzüberlastung. R lässt dabei die Anlage des G herunterregeln, teilweise muss das HKW des G mehrfach abgeschaltet werden. Dabei verweist R den G darauf, dass im Netzbereich, wo G angeschlossen ist, die Kunden der R Strom aus dem Kraftwerk ihrer Tochtergesellschaft in Anspruch nehmen, so dass dieses Kraftwerk vorrangig am Netz bleiben müsse.

Frage 2:

Darf R die Stromabnahme mangels Kapazität verweigern?

G akzeptiert das Vorgehen des R nicht und verlangt nicht nur Einräumung des Netzzugangs, sondern auch sofortige Bezahlung des von G gelieferten Stroms. R verweigert dies, weil er meint, G müsse sich einen Kunden selbst suchen, dem er seinen Strom erst einmal verkaufen muss.

Frage 3:

Kann G dennoch Bezahlung des Stroms durch den Netzbetreiber verlangen?



Lösungshinweise


A. Zu Frage 1 - Sind die seitens R gestellten Bedingungen mit dem EEG vereinbar?
R verweigert die Stromabnahme insbesondere mit der Begründung, dass kein Lieferantenrahmenvertrag vorliegt. Ein Anspruch des G auf Abnahme des Stroms kann aus § 11 Abs. 1 EEG resultieren. Demnach ist der Netzbetreiber verpflichtet, vorbehaltlich des § 14 EEG, den gesamten angebotenen Strom aus erneuerbaren Energien (bzw. aus Grubengas) unverzüglich vorrangig abzunehmen, zu übertragen und zu verteilen. Dabei ist allerdings zu unterscheiden, welche Vermarktungsform der Anlagenbetreiber wählt:
  • bei Direktvermarktung durch ANlagenbetreiber und Beanspruchung der Marktprämie ist lediglich ein Anspruch auf physikalische Abnahme denkbar, § 11 Abs. 1 S. 1 EEG;
  • sofern eine Einspeisevergütung in Anspruch genommen wird, ist auch eine kaufmännische Abnahme geschuldet, § 11 Abs. 1 S. 2 EEG.
Der Anspruch wurde in beiden Varianten in der folgenden Baumstruktur abgebildet.

Eine Voraussetzung, wie dies § 20 EnWG vorsieht, dass der Anspruchsteller an einem Bilanzkreis teilnehmen muss, ist in § 11 EEG nicht vorgesehen. Sofern also G den Strom aus einer EEG-Anlage dem R tatsächlich (§ 11 Abs. 1 EEG) oder im Wege einer bilanziellen Weitergabe (§ 11 Abs. 2 EEG), dann muss er von R grundsätzlich abgenommen werden.

Die Ausnahmen von der Verpflichtung zur Stromabnahme sind ausschließlich für folgende Fälle vorgesehen:
  • gem. § 11 Abs. 3 EEG ist es möglich, den Abnahmevorrang durch Vertrag zur besseren Integration im Netz zu modifizieren bzw. gem. § 11 Abs. 4 EEG in sonstigen, durch die Ausgleichsmechanismusverordnung zugelassenen Fällen; im Sachverhalt ist eine solche vertragliche Vereinbarung allerdings nicht erkennbar;
  • gem. § 14 EEG kann die Stromabnahme aus einer EEG-Anlage im Fall eines Kapazitätsengpasses im Netz verweigert werden; dieser Ausnahmetatbestand wird unter Frage 2 näher behandelt.

Es ist festzuhalten, dass R im vorliegenden Fall die Stromabnahme grundsätzlich nicht verweigern kann. Insbesondere muss G keinen Bilanzkreisvertrag vorweisen und auch nicht zwingend einen expliziten Vertrag mit R oder mit einem anderen Letztverbraucher über Stromabnahme abschließen. Eine Kapazitätsbevorratung zugunsten anderer Anlagen ist definitiv unzulässig.

B. Darf R die Stromabnahme mangels Kapazität verweigern?
Eine Verweigerung der Stromabnahme wegen Kapazitätsmangels wäre möglich, wenn dies gem. § 14 EEG vorgesehen ist. Wie bereits oben geschildert, ist § 14 EEG eine Ausnahmevorschrift von der grundsätzlichen Abnahmeverpflichtung des Netzbetreibers, den Strom aus einer EEG-Anlage vorrangig und unverzüglich abzunehmen (§ 11 Abs. 1 EEG). Die Voraussetzungen hierzu sind ebenfalls in der bereits oben genannten Baumstruktur zu finden.

Die Ausnahme des § 14 Abs. 1 EEG greift demnach dann, wenn kumulativ folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
  • gem. § 14 Abs. 1 Nr. 1 EEG ein Kapazitätsengpass vorliegt,
  • gem. § 14 Abs. 1 Nr. 2 EEG der Vorrang des EEG- und KWK-Stroms beachtet wurde (soweit nicht konventionelle Anlagen zur Stromerzeugung am Netz bleiben müssen, um die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems zu gewährleisten),
  • gem. § 14 Abs. 1 Nr. 3 EEG die verfügbaren Daten bzgl. der Ist-Einspeisung in der Netzregion abgerufen wurden.

Im Sachverhalt fehlt die Angabe darüber, wegen welcher Anlage der Tochtergesellschaft von R die Netzkapazität ausgeschöpft ist. Sofern es keine EEG-Anlage (wovon hier ausgegangen wird) und keine Systemimmanente Anlage gem. § 14 Abs. 1 Nr. 2 EEG (wofür keinerlei Anhaltspunkte vorhanden sind) ist, besteht für R die Pflicht der vorrangigen Abnahme des Stromes aus dem HKW des G gem. § 11 Abs. 1 EEG vor dem Strom aus der anderen Anlage. Sofern der Kapazitätsengpass im Netz dadurch beseitigt werden kann, dass die Anlage der Tochtergesellschaft des R heruntergeregelt wird, muss R diesen Schritt gehen und dem HKW des G Vorrang einräumen. Nur soweit durch die Einspeisung aus dem HKW des G die Kapazitätsgrenze noch nicht erreicht sein sollte, dürfen andere Anlagen Strom ins Netz einspeisen.

An dieser Stelle ist ferner anzumerken, dass für R eine Verpflichtung zum Ausbau des Netzes gem. § 12 Abs. 1 EEG spätestens dann greift, wenn R nicht in der Lage ist, Strom aus EEG-Anlagen abzunehmen. Diese Verpflichtung gilt gem. § 12 Abs. 3 EEG nur im Rahmen des Zumutbaren. Sollte R dieser Verpflichtung nicht nachkommen, so kann G Ersatz des daraus entstandenen Schadens von R verlangen, § 13 Abs. 1 S. 1 EEG.

R kann die Stromabnahme mangels Kapazität gem. § 14 Abs. 1 EEG insofern solange nicht verweigern, wie lange die Kapazität des Netzes nicht allein mit erneuerbaren Energien ausgeschöpft wird.


C. Kann G Bezahlung des gelieferten Stroms durch den Netzbetreiber verlangen?
G kann die Bezahlung des gelieferten Stroms verlangen, wenn er einen Vergütungsanspruch gem. § 37 oder 38 EEG hat. Alternativ kann G - und dies wird in diesem Falle die sinnvollere Variante sein - den produzierten Strom direkt vermarkten und eine Marktprämie gem. § 34 EEG in Anspruch nehmen.

Der Prüfungsaufbau zu den genannten Ansprüchen ist in folgenden Baumstrukturen zu finden:

Beim Anspruch gem. § 38 EEG ist allerdings zu beachten, dass der Anspruch gem. dieser Vorschrift zwar leicht entstehen kann, aber vom Umfang her gem. § 38 Abs. 2 EEG sehr ungünstig begrenzt wird. Insofern ist dies für den Anlagenbetreiber stets nur eine Rückfallposition für den Fall, dass die Direktvermarktung im Einzelfall nicht funktioniert.

Im Übrigen bemisst sich die Höhe des Anspruchs nach den §§ 23 ff. EEG, wobei im EEG 2014 der Begriff des sog. anzulegenden Wertes im Zentrum steht. Details finden Sie im jeweiligen Prüfungsaufbau wie oben angegeben, jeweils im Punkt dem Umfang nach.

D. Exkurs: kaufmännisch-bilanzielle Einspeisung (gegenwärtig nicht mehr für neue Anlagen interessant)
Für den Fall, dass G den gesamten Strom aus der Anlage verkauft und für Eigenbedarf der Anlage Strom von einem anderen Lieferanten bezieht (zumindest bilanziell) - kann R ihm dann für den (bilanziell) bezogenen Strom seine Netznutzungsentgelte in Rechnung stellen?

Dazu: OLG Düsseldorf VI-3 Kart 18/10 (V), dessen folgender Leitsatz besonders relevant ist:
Speist der Anlagenbetreiber den von ihm erzeugten EEG-Strom gem. § 8 II EEG 2009 = § 4 V EEG mittels kaufmännisch-bilanzieller Weitergabe in das Netz der allgemeinen Versorgung ein, hat dies zwangsläufig eine entsprechende Entnahme zur Folge, so dass G insoweit netzentgeltpflichtig i.S.d. § 17 StromNEV ist.






CategoryEnergierecht, CategoryFallsammlungEnR
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