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Version [15973]

Dies ist eine alte Version von EnergieRGrundversorgung erstellt von HelenStudentin am 2012-06-24 20:55:45.

 

Rechtsfragen der Grundversorgung nach dem EnWG



A. Einleitung
Energie wird auf der Grundlage eines Vertrages geliefert, den der Letztverbraucher mit seinem Vertragspartner nach zivilrechtlichen Regeln abschließt. Der Energieliefervertrag ist jedoch mindestens in zweierlei Hinsicht von einem anderen zivilrechtlichen Vertrag zu unterscheiden. Zum einen weist die Ware einige Besonderheiten auf - die Notwendigkeit der Nutzung einer bestimmten Infrastruktur, Einbeziehung anderer Rechtssubjekte in den Belieferungsvorgang etc.
Zum anderen bedarf das im EnWG enthaltene Prinzip der Energieversorgung nach Marktregeln einer Korrektur jedenfalls dort, wo die Versorgung nach Marktregeln nicht oder nicht zu vernünftigen Konditionen möglich ist. Denn häufig hat der Energielieferant oder der Netzbetreiber kein Interesse daran bestimmte, meist zahlungsunwillige Kunden zu beliefern.

Aus diesen Gründen sieht das EnWG einige besondere Regeln vor, wie in den vom Markt nicht erfassten Bereichen eine Versorgung sicherzustellen ist und wer in diesem Zusammenhang die daraus entstehenden Lasten zu tragen hat. Darüber hinaus sieht das Gesetz einige Rahmenbedingungen, innerhalb deren ein Energieliefervertrag frei gestaltet werden kann, vor.


B. Grundlagen

1. Begriffe
Die Begriffe Grundversorgung, Grundversorger, Ersatzversorgung und Haushaltskunden werden im Lexikon näher beschrieben.


2. Rechtsquellen
Die Grundlage für die Regelung der Grund- und Ersatzversorgung bildet das europäische Gemeinschaftsrecht, d. h. die EltRL 2009/72 EG und GasRL 2009/73 EG. Die Fragen der Versorgung der (Letzt-)Verbraucher mit Energie sind in den §§ 36 ff. EnWG geregelt. In diesen Vorschriften sind allerdings nur die grundlegenden Pflichten des Versorgers im Bereich der Grundversorgung beschrieben. Der detaillierte Inhalt des Rechtsverhältnisses zwischen dem Versorgungsunternehmen und dem Haushaltskunden ist nicht im EnWG sondern in Ausführungsverordnungen geregelt, die gem. § 39 EnWG erlassen wurden: in der StromGVV und in der GasGVV.


3. Voraussetzungen, unter denen ein Unternehmen als Grundversorger zu qualifizieren ist
Eine der zentralen Fragen der Grundversorgung ist die Frage, wer Grundversorger ist. Sie ist in § 36 Abs. 2 EnWG geregelt.

a. materielle Voraussetzungen (§ 36 II 1 EnWG)
Voraussetzung ist die Belieferung der meisten Haushaltskunden in einem Netzgebiet mit Energie. Maßgeblich ist dabei nicht die Anzahl der versorgten Personen sondern die Anzahl der abgeschlossenen Verträge (d.h. ein Vertrag zwischen einem Haushalt und einem Energieversorgungsunternehmen zählt einfach, unabhängig davon wie viele Familienangehörige dem Haushalt angehören). Wie das Netzgebiet genau zu bestimmen ist, klärt das Gesetz allerdings nicht.
 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/EnergieRGrundversorgung/bild_1.png)
Die obige Grafik zeigt, dass die Bestimmung des Netzgebietes (wo verlaufen die Grenzen eines Netzgebietes i. S. d. § 36 EnWG?) entscheidenden Einfluss auf die Frage haben kann, wer auf einem bestimmten Gebiet Grundversorger ist. Das Problem hierbei ist, dass es keine gesetzliche Regelung zur Einteilung des Netzgebietes gibt. Demzufolge stellt sich die Frage, ob der Netzbetreiber bzw. Versorger hier durch eine entsprechende Gestaltung der Wirkungsbereiche einzelner Gesellschaften das Netzgebiet bestimmen und die Grenzen festlegen kann. Diese Frage wurde weiter unten detailliert beantwortet. Zur Frage des Netzgebietes vgl. auch folgende Ausführungen.

b. formelle Voraussetzungen (§ 36 II 2 EnWG)
Die Grundversorgungspflicht entsteht dann, wenn der Grundversorger gem. § 36 II 2 EnWG festgestellt wird. Da mit dem Zeitpunkt der Feststellung eines neuen Grundversorgers die Grundversorgungspflicht des vorherigen Grundversorgers endet, entfaltet auch dieser Zeitpunkt und nicht etwa der der Bekanntgabe, Rechtswirkung für den neuen Energieversorger. Dabei ist die Feststellung eher deklaratorischer Natur.


4. Pflichten des Grundversorgers
Wird ein EVU als Grundversorger festgestellt, dann treffen ihn folgende Pflichten:
    • gem. § 36 I i.V.m. § 1 EnWG ist der Grundversorger verpflichtet, jeden Haushaltskunden mit Strom zu beliefern
    • dieser muss sicher, preisgünsig, verbraucherfreundlich, effizient und umweltfreundlich sein
    • desweiteren muss die Versorgung zu den allgemeinen Preisen und Bedingungen des Grundversorgers erfolgen
    • diese Bedingungen hat der Grundversorger jedem Neukunden sowie allen übrigen Kunden rechtzeitig vor Vertragsschluss bzw. mit der Vertragsbestätigung unentgeltlich auszuhändigen (§ 2 I StromGVV)
    • desweiteren ist der Grundversorger verpflichtet, den Kunden über Änderungen zu unterrichten und diese Änderungen auf der Internetseite zu veröffentlichen
    • wichtig dabei ist, dass dies zeitgleich mit der öffentlichen Bekanntmachung erfolgt

allgemeine Bedingungen
    • sind die Bedingungen, zu denen der Grundversorger die Haushaltskunden mit Strom oder Gas beliefert
    • sie sind Bestandteil des Grundversorgervertrages und beinhalten u.a.: Art und Umfang der Versorgung, Aufgaben und Rechte des Grundversorgers, Abrechnung der Energielieferung, Beendigung des Grundversorgungsvertrages

allgemeine Preise
    • sind die Preise, zu denen die Haushaltskunden mit Strom und/ oder Gas grundversorgt werden
    • sie setzen sich aus einem festen Grundpreis und einen verbrauchsabhängigen Arbeitspreis zusammen

ergänzende Bedingungen
    • kann von dem Grundversorger zusätzlich in den Grundversorgungsvertrag aufgenommen werden
    • sie konkretisieren die allgemeinen Bedingungen
    • so kann der Grundversorger beispielsweise die Mahn- und Inkassokosten festlegen


5. Ausnahmen von der Grundversorgungspflicht (§§ 37, 36 I 2 EnWG)
Unter Umständen hat ein Haushaltskunde keinen Anspruch auf die Grundversorgung. Dies ist in folgenden Konstellationen der Fall:

a. Zusatzversorgung
= Kunden, die nicht aus der Grundversorgungspflicht ausgeschlossen werden dürfen (§ 37 Abs. 1 EnWG) und zu anderen Preiskonditionen abgerechnet werden; Beispiel: ein Haushaltskunde ist in Besitz einer eigenen Energieversorgungsanlage und betreibt diese um seinen eigenen Energiebedarf zu decken; die selbsterzeugte Energie reicht allerdings nicht aus; in diesem Fall kann der Kunde zusätlich Energie vom Grundversorger beziehen (Grundversorger = Zusatzversorger)

b. Eigenerzeugung
Der Anspruch auf Grundversorgung ist gem. § 37 EnWG ausgeschlossen, wenn der Kunde kein letztverbrauchender Haushaltskunde ist, sondern auch eine eigene Erzeugungsanlage betreibt. Wer die Eigenerzeugungsanlage im technischen Sinne betreibt, ist dabei irrelevant. Anders ist es jedoch gem. § 37 I 3 EnWG dann, wenn die Eigenerzeugung mit einer kleinen KWK-Anlage oder mit erneuerbarer Energie erfolgt oder wenn Notstromaggregate nicht mehr als 15 Stunden pro Monat betrieben werden.

c. Drittversorgung
Ein Anspruch auf Grundversorgung ist auch dann ausgeschlossen, wenn der Haushaltskunde einen erheblichen Anteil seines Eigenbedarfs nicht vom Grundversorger bezieht, sondern von einem anderen Energieversorgungsunternehmen.

d. Reserveversorgung
Unter Umständen - z. B. im Falle einer eigenen Erzeugungsanlage - ist der Kunde an einer Reserveversorgung interessiert. Diese kurzfristige Deckung des Eigenbedarfs greift für den Fall, dass die Eigenerzeugung ausfällt oder gewartet werden muss. Die Reserveversorgung ist hier allerdings nur zumutbar, wenn sie den gesamten Eigenbedarf erfasst und ein fester, von der jeweils gebrauchten Energiemenge unabhängiger angemessener Leistungspreis mindestens für die Mindestvertragslaufzeit von einem Jahres bezahlt wird. In solchen Fällen stellt dann die Versorgung keine Grundversorgung dar.
Früher war die Reserveversorgung nur Betrieben oder Betriebsteilen vorbehalten. Mit dem neuen EnWG (2005) steht die Reserveversorgung jedoch nun jederm gem. § 37 I 2 EnWG zu. Andernfalls würde das dem § 1 EnWG widersprechen, welcher schließlich eine Versorgung für die Allgemeinheit vorschreibt.

e. wirtschaftliche Unzumutbarkeit gem. § 36 I 2 EnWG
Haushaltskunden können von der Grundversorgung ausgeschlossen werden, wenn die Grundversorgung für den Grundversorger wirtschaftlich unzumutbar ist. Diese Ausnahme der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit ist in § 36 I 2 EnWG geregelt. Demnach ist der Grundversorger von der Versorgungspflicht befreit, wenn die schutzwürdigen wirtschaftlichen Interessen des Grundversorgers nicht angemessen berücksichtigt würden oder es zu wesentlichen Sondervorteilen beim Kunden käme, welche gleichzeitig die Wahrung der Preisgerechtigkeit verletzen. Die Gründe für eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit liegen folglich meist in der Person des Haushaltskunden und ergeben sich aus alten oder noch aktuellen Grundversorgungsverhältnissen wie beispielsweise:
    • Zahlungsunfähigkeit
    • Zahlungsverweigerung
    • Aufgelaufene Zahlungsrückstände
    • Kreditunwürdigkeit
    • „Energiediebstahl“
Um den Gründen für diese Ausnahme, d.h. dem Inkassorisiko entgegenzuwirken, kann der Grundversorger von dem Haushaltskunden Vorauszahlungen und Sicherheitsleistungen verlangen. Die Sicherheitsleistungen können allerdings nur hilfsweise angewendet werden, wenn tatsächlich ein Risiko besteht. Aber Beachte: als zumutbar wird z.B. ein nur temporäres Versorgungsinteresse angesehen wie u.a. auch Mieter von Hotelwohnungen oder selten genutzte Ferienbehausungen.

Durch den Verweis in § 38 I EnWG auf den § 36 I EnWG gilt die Ausnahme der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit zusätzlich auch für die Ersatzversorgung, welche in Teil C auführlich erläutert wird.



6. Ökonomische Implikationen der Grundversorgung
 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/EnergieRGrundversorgung/bild_2.png)
Die Grundversorgung erfolgt in aller Regel zu höheren Preisen, als Belieferung aufgrund von Sonderkundenverträgen. Innerhalb des Preises der Grundversorgung werden insbesondere auch Abschreibungen für nicht eintreibbare Forderungen und viele andere Kostenfaktoren berücksichtigt. Wenn dabei die Grundversorgungskunden finanziell liquide sind und ihre Rechnungen prinzipiell ordnungsgemäß bezahlen, dann lohnt es sich auch eindeutig, Grundversorger zu sein bzw. auch zu bleiben, weil die dabei erzielten Preise vorteilhaft sind.
Wenn zu den Grundversorgungskunden im Gebiet der Grundversorgung aber nun z. B. viele sozial schwächere Kunden gehören, die nicht zahlen oder in sonstiger Weise Probleme bereiten, dann ist die Stellung des Grundversorgers nicht sehr attraktiv.

C. Die Ersatzversorgung

1. Voraussetzungen und Rechtsfolgen
Zudem kann es auch passieren, dass ein Haushaltskunde Energie bezieht ohne einen Liefervertrag dafür zu besitzen. Dann kann die Strombelieferung nicht zugeordnet werden. Zu einer solchen Konstellation kann es grundsätzlich nur kommen, wenn mit dem Sondervertrag zwischen einem Haushalt und dem Energieversorgen etwas schief läuft. Es kann beispielsweise bei einem Wechsel zwischen den Energieversorgern zu Verzögerungen kommen oder auch der Lieferantenvertrag unwirksam sein, sodass der Lieferant folglich keinen Netzzugang erhält. Daneben kann aber auch der Energielieferant insolvent gehen und den Verbraucher in eine Art vertragslose Lage versetzen.
Für die Ersatzversogung im Sinne des § 38 EnWG benötiget man also einen vertragslosen Zustand des Letztverbrauches und daneben den Energiebezug im Bereich der Niederspannung oder des Niederdrucks aus dem Netz der allgemeinen Versorgung. Dann greift die Ersatzversorgung als Rettungsnetz und gewährt dem Haushaltskunden eine vorläufige Rechts- und Versorgungssicherheit. Gemäß § 38 I 1 EnWG wird der Energiebezug eines Haushaltes dann so behandelt, als würde er durch den Grundversorger selbst erfolgen. Damit ist der Grundversorunger zur temporären Energiebelieferung verpflichtet und muss dafür den Abnehmerkreis sogar noch weiter ziehen, als er es im Rahmen der Grundversorgungssituation pflegt. Denn die Ersatzversorgung begünstigt einfach alle Letztverbraucher und schließt auch Abnehmer mit einem größeren Energiebezug über die 10.000 kWh Vertrauchsgrenze hinaus mit ein. Diese Erweiterung ist hier besonders wichtig, da gerade der Bezug von Kunden mit sehr hohem Verbrauch erst recht nicht in einem vertragslosen Zustand erfolgen sollte.

2. Vertragsschluss
Der Beginn der Ersatzversorgung wird durch den Zeitpunkt der erstmaligen Energieentnahme bestimmt. Das Schuldverhältnis kann demnach unter Umständen auch schon entstehen, bevor der Grundversorger davon Kenntnis erlangt. Hier kommt also wieder die ausdrückliche wie auch die konkludente Form des Vertragsschlusses in Betracht.
Auch hier finden sich ergänzende Regelungen in der StromGVV und GasGVV wieder. So muss unter anderem der Grundversorger gemäß § 3 II StromGVV bzw. § 3 II GasGVV seiner Mitteilungspflicht nachkommen und den Kunden über den Zeitpunkt des Beginns und über das Ende der Ersatzversorgung in Textform informieren. Innerhalb dieser Mitteilung muss auch daraufhin gewiesen werden, dass nach Ablauf der vorübergehenden Ersatzversorung ein neuer Energieliefervertrag notwendig ist und dieser mit dem potenziellen Versorungsunternehmen auch konkludent geschlossen werden kann.

3. Allgemeine Preise und Bedingungen
Genau wie bei der Grundversorgung wird auch der Ersatzversorgungsvertrag inhaltlich durch die allgemeinen Preise und Bedingungen bestimmt. Nach § 1 I 3 StromGVV bzw. § 1 I 3 GasGVV finden hier wieder die Bestimmungen der beiden Ausführungsverordnungen Anwendung.
Im Falle der Ersatzversorgung dürfen unter Umständen sogar Preise festgesetzt werden, welche von den Grundversorgungspreisen nach oben hin abweichen. Als Begründung werden die unterjährig höher ausfallenden Strom- und Gasbesorungskosten herangezogen.

4. Ende der Ersatzversorgung
Der Zustand der Ersatzversorgung soll selbstverständlich keine Dauerlösung darstellen. Daher wird auch in § 38 II EnWG die Maximaldauer auf 3 Monate beschränkt. Somit läuft die Energiebelieferung im Sinne der Ersatzversorgung auch ohne ein Kündigungsschreiben genau 3 Monate nach Beginn der Versorung einfach aus.
Alternativ kann die Ersatzversorgung auch bereits zu einem früheren Zeitpunkt beendet werden. Dies geschieht, wenn der Letztverbraucher einen neuen Energieliefervertrag abschließt. In diesem Zuge wird nämlich der Kunde von seinem neuen Lieferanten beim Netzbetreiber zur Nutzung angemeldet. Damit ist der vertragslose Zustand aufgehoben und der Energiebezug kann wieder einem bestimmten Liefervertrag zugeordnet werden.

D. Fallbeispiel
Stadtwerke Osthausen GmbH (O) und Stadtwerke Westhausen GmbH (W) betreiben Stromversorgungsnetze in benachbarten, unmittelbar aneinander angrenzenden Stadtgemeinden sowie im Umland der beiden Städte. Beide Unternehmen haben den Netzbetrieb in jeweils eine Netzgesellschaft ausgegliedert. Die jeweilige Stammfirma der Stadtwerke ist für den Stromvertrieb zuständig. Zwischen den Unternehmen herrscht ein erbitterter Wettbewerb - jedes Unternehmen versucht, bessere Ergebnisse zu erwirtschaften, als das jeweils andere. Seit der Liberalisierung der Strommärkte werben die benachbarten Stadtwerke sich auch gegenseitig Kunden ab.

Die O hatte traditionell etwas mehr Kunden, weil die Stadt O und die umliegenden Ortschaften etwas mehr Einwohner haben (insgesamt 130.000 angeschlossene Haushalte). Da aber im recht großen, im Westen des Gemeindegebiets liegenden Stadtteil Osthausen-Grauslich (ca. 20.000 Haushalte) ausgesprochen viele sozial schwache Einwohner leben, ist das Finanzergebnis der O nicht besser, als das der W. Viele Kunden aus dem problematischen Stadtteil, die im Rahmen der Grundversorgung mit Strom beliefert werden, bezahlen ihre Rechnungen nicht. Die Eintreibung von daraus resultierenden Forderungen gestaltet sich schwer und langwierig, viele Forderungen müssen immer wieder abgeschrieben werden.

Die W versorgt lediglich 105.000 Haushalte und Gewerbetreibende, dafür wirbt sie viel aggressiver und gewinnt im direkt benachbarten Gebiet - auch im Stadtteil Osthausen-Grauslich - immer mehr Kunden. Dabei ist der Vertrieb der W derart geschickt, dass ausschließlich zahlende Kunden abgeworben werden. Im Ergebnis beliefert W insgesamt 25.000 Haushalte und kleine Gewerbetreibende aus dem Netzbereich der O.

Da auf diese Weise die O immer mehr lukrative Kunden verliert, die Grundversorgung der sozial schwachen Letztverbraucher aber dennoch gewährleisten muss, sieht sie sich gezwungen, gegen diese "ungesunde Schieflage" (so die Geschäftsleitung der O) etwas zu unternehmen. Dabei kommt man bei O auf folgende Idee:
- die Netzgesellschaft der O wird in zwei GmbH-s aufgeteilt - in die Osthausen-Netzgesellschaft GmbH (ON) und in die Osthausen-Grauslich-Netz GmbH (OGN);
- die letztgenannte Gesellschaft (OGN) übernimmt einen relativ gut abtrennbaren Netzbereich im Stadtteil Osthausen-Grauslich und in einigen kleinen, technisch mit dem Netz des Stadtteils gut verbundenen Gewerbegebieten (insgesamt 16.000 Haushalte bzw. Gewerbeeinheiten).

Die Maßnahmen werden umgesetzt und nun bereitet sich die O darauf vor, dass im Stadtteil Osthausen-Grauslich die W die Grundversorgung übernehmen soll.

Fragen:

1. Wann muss ein Energieversorgungsunternehmen die Pflicht zur Grundversorgung übernehmen?
Wenn es die meisten Haushaltskunden in einem Netzgebiet der allgemeinen Versorgung beliefert (gem. § 36 II 1 EnWG).
Dabei spielen die aktuellen gegebenen Marktverhältnisse eine große Rolle. Maßgeblich dabei ist die Zahl der Verträge über die Abnahmestellen der Haushaltskunden. Gemeint ist nicht die Anzahl der von dem Energieversorgungsunternehmen versorgten Personen bzw. Vertragspartner, sondern die Zahl der Vertragsverhältnisse. Auch die Art und der Umfang der Versorgung von Haushaltskunden ist hier bedeutungslos (es spielt also keine Rolle ob es sich um Ersatzversorgung, Grundversorgung oder Reserveversorgung, etc. handelt).
In unserem Fall hat O 130.000 angeschlossene Haushalte, was der Mehrheit entspricht. W hingegen hat nur 105.000 angeschlossene Haushalte. Somit ist hier O Grundversorger.
Dies wird vom Netzbetreiber festgestellt, der dann die nach Landesrecht zuständige Behörde informiert.

2. Welche Pflichten resultieren aus der Festlegung als Grundversorger?
Der Grundversorger muss einen sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltverträglichen Strom an alle Haushaltskunden anbieten. Er ist verpflichtet, für das jeweilige Netzgebiet seine allgemeinen Preise und Bedingungen öffentlich bekannt zu geben, im Internet zu veröffentlichen und diese Bedingungen bei der Stromversorgung einzuhalten. Demzufolge ist der Grundversorger verpflichtet, zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden im Niederspannungs- bzw. Niederdruckbereich zu versorgen.
Wie bereits erwähnt ist O Grundversorger. Er ist somit verpflichtet, unabhängig von der Attraktivität der zu versorgenden Gebiete für jeden Haushaltskunden einen sicheren, preisgünstigen, effizienten und umweltverträglichen Strom zu liefern. Die allgemeinen Preise und Bedingungen werden gem. § 39 II 1 EnWG von dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie überwacht. Dabei ist der Grundversorger einem Kontrahierungszwang (Abschlusszwang) ausgeliefert. Er muss demzufolge sicherstellen, dass jeder Haushaltskunde von einem Energieversorgungsunternehmen beliefert wird. Die Ausgestaltung der Preise und Leistungen richtet sich nach § 1 I EnWG, da es in den §§ 36 ff. EnWG keine materiellen Vorgaben gibt. Weitere Verordnungen zu den allgemeinen Preisen und Bedingungen finden sich in der StromGVV/ GasGVV.

3. Muss W im oben geschilderten Fall die Grundversorgung im benannten Stadtteil übernehmen?
Wie bereits erwähnt erweist sich die Einteilung des Netzgebietes als schwierig, da es keine konkreten gesetzlichen Vorgaben zur Netzgebietseinteilung gibt. Fraglich ist, ob die Einteilung gemeindegebietsüberschreitend (§§ 36 II, 18 I EnWG) oder aber gemeindegebietsbezogen (§ 3 Nr. 29c EnWG) erfolgen soll. Die gemeindegebietsbezogene Einteilung entstpricht einem Konzessionsvertag. Darunter versteht man spezielle Wegenutzungsrechte, die zur Verlegung und zum Betrieb von ganzen Netzen der allgemeinen Versorgung dienen.
Über die Netzgebietseinteilung gibt es verschiedene Auffassungen bzw. Meinungen.
Säcker vertritt die Ansicht, dass die Netzgebietsverteilung gemeindegebietsübergreifend erfolgen kann und bezieht sich dazu auf die §§ 36 II, 18 I EnWG. Hellermann wiederum ist der Meinung, dass die Netzgebietsverteilung gemeindegebietsbezogen erfolgen sollte und verweist auf die §§ 3 Nr. 17, 46 II 1 EnWG. Dies spiegelt die alte Regelung von 1998 wieder, die den Konzessionsvertrag zwischen Energieversorgungsunternehmen und Gemeinden als Rechtsgrundlage bei der Bestimmung der Bezugsgröße des Netzgebietes vorgeschrieben hat.

Nach Meinung der Verfasser dieses Artikels sollte die Netzgebietseinteilung gemeindegebietsbezogen erfolgen. Das heißt, die Konzessionsverträge sollten wesentlich bei der Bewältigung bei diesem Problem sein (§ 46 EnWG). Es sollte eine klare Grenze ersichtlich sein, was der Konzessionsvertrag unterstützen würde. Sonst könnten die Energieversorgungsunternehmen immer wieder zu ihrem Vorteil das Gebiet verändern.
Im vorliegenden Fall würde das bedeuten, wenn sich O aufteilt, könnte sich anschließend auch W wieder umstrukturieren. Dies würde eine Kettenreaktion der Firmenumstrukturierung hervorrrufen, die auch Kunden benachteiligen könnten. In diesem Fall würden die Kunden des Stadtteils Osthausen-Grauslich benachteiligt, weil sie sich ständig mit neuen allgemeinen Bedingungen des neuen Grundversorgers auseinandersetzen müssten. Dies würde nicht dem Sinn des § 1 EnWG entsprechen, da schließlich eine Versorgung der Allgemeinheit gewährleistet sein soll und nicht die finanziellen Interessen des Unternehmens im Fokus stehen sollen. Demnach sollte im geschilderten Fall die Stadtwerke Osthausen GmbH (O) sich nicht aufgrund wirtschaftlicher Vorteile und Kundenliquidität aufspalten.


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