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Dies ist eine alte Version von EnergieRUnbundling erstellt von Kristin1989 am 2012-05-15 15:32:37.

 

Entflechtung der Netzbetreiber


A. Einleitung
Die Liberalisierung der Energiewirtschaft im Bereich der Stromerzeugung / Gasgewinnung auf der einen und des Energievertriebs auf der anderen Seite ist nur möglich, wenn die Netze allen Marktteilnehmern nach gleichen Regeln zur Verfügung stehen. Eines der notwendigen Elemente der Liberalisierung der Energiewirtschaft ist demzufolge Gewährleistung der Unabhängigkeit der Netzbetreiber. Neben dem Netzzugang und der Netzentgeltregulierung wird auf diese Weise die zu diesem Zweck erforderliche Transparenz und zumindest teilweise eine Trennung der Interessen der Netzbetreiber von denen der Erzeuger und Verkäufer von Energie erreicht. Erst mit der durch Entflechtung erreichten Transparenz ist die Kontrolle des Netzbetriebs im Hinblick auf eventuelle Diskriminierung oder unangemessene Kostenstruktur möglich.

Darüber hinaus soll die durch Unbundling erreichte Transparenz auch jegliche Quersubventionierung der Wettbewerbssparten aufdecken und unterbinden, die sonst möglich wäre. Wie eine solche Quersubventionierung entsteht, zeigt die nachstehende Abbildung.

 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/EnergieRUnbundling/folie_047.png)


B. Grundlagen

1. Rechtsquellen
Die Pflicht zur Entflechtung der Netzbetreiber resultiert aus europäischem Recht. Sie ist in der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie (RL 2009/72/EG) und in der Gasbinnenmarktrichtlinie (RL 2009/73/EG) vorgegeben.
Im deutschen Recht sind insbesondere §§ 6 ff. EnWG rechtliche Grundlage des Unbundling.

2. Mögliche Formen der Entflechtung

 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/EnergieRUnbundling/Uebersicht.jpg)

a. Buchhalterisches Unbundling
Im Falle der buchhalterischen Entflechtung müssen die Versorgungsunternehmen zumindest separate Konten für die verschiedenen Sparten führen - in jedem Fall muss der Netzbetrieb und alle mit ihm verbundenen Einnahmen und Ausgaben auf getrennten Konten ausgewiesen sein.

b. Informationelles Unbundling
Der Informationsfluss zwischen dem Bereich des Netzbetriebs eines integrierten Unternehmens kann dazu führen, dass die Wettbewerbsbereiche des Unternehmens einen Informationsvorsprung hinsichtlich der Netzsituation, der angeschlossenen Kunden etc. haben können. Dies würde den Wettbewerb mit (externen) Marktteilnehmern verzerren. An dieser Stelle setzt das informationelle Unbundling an: das vertikal integrierte Unternehmen hat dafür zu sorgen, dass Informationen aus dem Netzbereich nicht in die Erzeugung / den Vertrieb gelangen.

c. Organisatorisches Unbundling
Auch die Entscheidungsfindung im Unternehmen kann - sofern sie für den Netzbetrieb und z. B. für den Energievertrieb aus einer Hand erfolgt - zur Besserstellung der Vertriebssparte eines integrierten Unternehmens gegenüber Außenstehenden führen. Deshalb sieht das organisatorische Unbundling vor, dass der Netzbetrieb in einer getrennten, unabhängigen organisatorischen Einheit verantwortet wird. Es geht dabei nicht nur um Transparenz, sondern vor allem auch um weitestgehende Unabhängigkeit des Netzbereichs innerhalb des Unternehmens (Koenig / Kühling / Rasbach - Energierecht, S. 142).

d. (Gesellschafts-)Rechtliches Unbundling
Eine auf internen organisatorischen Strukturen beruhende Trennung der Unternehmensbereiche ist von außen schwer einzuschätzen. Eine auch formal klare Lösung ist deshalb nur das legal unbundling, bei dem die Netzsparte in eine separate Rechtsperson (Gesellschaft) auszugliedern ist. Auf diese Weise wird dem Netzbetrieb auch eine in gewisser Hinsicht eigenständig agierende Geschäftsleitung vorangestellt.

e. Eigentumsrechtliches Unbundling
Auch bei der gesellschaftsrechtlichen Trennung des Netzbetriebes von anderen Tätigkeitsbereichen eines vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmens sind Einflüsse zwischen einzelnen Unternehmenssparten nicht auszuschließen. Die Ausübung der Aufsicht über einzelne Gesellschaften erfolgt hier über die Gesellschafterstellung und die gemeinsamen Interessen innerhalb des Konzerns sind nach wie vor vorhanden. Deshalb wird bereits seit geraumer Zeit der "Idealfall" erwogen, das sog. ownership unbundling, bei dem zwischen dem Netzbetrieb und anderen Tätigkeitsbereichen keinerlei Verbindungen mehr existieren. In diesen Fällen besteht grundsätzlich kein Interessenkonflikt mehr, wenn der Netzbetreiber gegenüber Erzeugungs- oder Vertriebsunternehmen unternehmerische Entscheidungen vorzunehmen hat.

3. Adressat der Regelung: vertikal integriertes Unternehmen
Adressat des § 6 EnWG und zugleich Grund für die Anordung der Entflechtung durch den Gesetzgeber sind die vertikal integrierten Unternehmen. Zum Begriff des vertikal integrierten Unternehmens vgl. Lexikon.

Das vertikal integrierte Unternehmen unterliegt den Unbundlingvorgaben allerdings unter gewissen Voraussetzungen, Dabei sind die verschiedenen Formen des Unbundling unter bestimmten Umständen nicht einschlägig. Details klärt folgende Struktur:

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4. Pflichten aus Regelungen über die Entflechtung
Energieversorgungsunternehmen haben die Unbundlingvorgaben des EnWG zu befolgen. Ein Verstoß gegen die einschlägigen Vorschriften kann gemäß folgender Struktur geprüft werden, wobei die unterschiedlichen Formen des Unbundling nicht in allen Fällen einschlägig sind:

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5. Ausblick: ownership unbundling
Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass derzeit keine Entflechtung der Eigentumsverhältnisse im Hinblick auf die Netzbetreiber vorgeschrieben ist. Dies liegt allerdings nur daran, dass das EnWG derzeit noch nicht die Richtlinien 2009/72/EG und 2009/73/EG berücksichtigt, deren Umsetzungsfrist eigentlich bereits im März 2011 abgelaufen ist. Das sog. ownership unbundling ist deshalb nur eine Frage der Zeit auch im deutschen Recht.
Die o. g. Richtlinien geben jedoch keinen einzigen Weg der Umsetzung der neuen Entflechtungsform vor, sondern überlassen den Mitgliedstaaten die Wahl zwischen drei verschiedenen Wegen, die nachstehend kurz bildlich zusammengefasst wurden. In Deutschland wird vermutlich die als "ITO" genannte Lösung Eingang in das Energierecht finden.
 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/EnergieRUnbundling/folie_050.png)

C. Fallbeispiel
Das Gasversorgungsunternehmen Primagas (P) versorgt in der Region seiner Hauptniederlassung Kunden mit Erdgas. In einigen weiteren Regionen verfügt das Unternehmen über mehrere kleinere Standorte, an denen weitere Kunden mit Erdgas versorgt werden. Das vertikal integrierte Unternehmen verfügt über eine Vertriebsabteilung, die bundesweit Gas anbietet. Das Gas wird überwiegend vom russischen Partner bezogen (Gasimport). Darüber hinaus verfügt P über ein Gasversorgungsnetz in der Stadt der Hauptniederlassung, aus dem ca. 80.000 Kunden versorgt werden.

Derzeit überlegt die Geschäftsleitung den Erwerb eines weiteren Unternehmens, das ein Gasversorgungsnetz in einer anderen Region Deutschlands betreibt, an welches insgesamt weitere 40.000 Kunden angeschlossen sind. Dabei ist die Frage aufgetreten, inwiefern P eine Entflechtung des Netzbetriebes und entsprechende Trennung von anderen Unternehmenssparten (insbesondere vom Vertriebsbereich) vollziehen muss.

Deshalb stellt die Geschäftsleitung von P die Frage:
1. Inwiefern ist P verpflichtet, die Entflechtungsregelungen im eigenen Unternehmen umzusetzen?
2. Wie ändert sich die Situation durch den o. g. Erwerb eines weiteren Gasversorgungsunternehmens?

1. Inwiefern hat P Entflechtungsregelungen umzusetzen?
P muss Regelungen über Entflechtung zu befolgen, wenn diese für P anwendbar sind oder - mit anderen Worten - P zu den Adressaten der entsprechenden Regelungen (§§ 6 ff. EnWG) gehört. Dies ist dann der Fall, wenn P ein vertikal integriertes Unternehmen i. S. d. § 3 Nr. 38 EnWG ist und zugunsten von P keine der gesetzlichen Ausnahmen von den Unbundlingvorgaben greift.

a. Vertikal integriertes Unternehmen
Die Voraussetzungen des § 3 Nr. 38 EnWG wurden in folgender Struktur erfasst. Demnach finden die Unbundlingregeln auf P Anwendung, wenn P als einzelne Gesellschaft oder im Konzernverbund sowohl Netzbetrieb (oder andere in § 3 Nr. 38 EnWG genannten Tätigkeiten) wie auch Energievertrieb hat.
Im Falle des Unternehmens P handelt es sich um ein Gasversorgungsunternehmen. Es besitzt sowohl ein Gasnetz wie auch Gasvertrieb. Damit handelt es sich um ein vertikal integriertes Unternehmen.

b. Ausnahmen von der Pflicht zur Entflechtung
In § 7 Abs. 2 EnWG, in § 8 Abs. 6 EnWG sowie in weiteren Vorschriften sind Ausnahmen enthalten, bei deren Vorliegen Unbundlingregeln nicht anzuwenden sind.

Allgemein ausgeschlossen ist die Pflicht zur Entflechtung dann, wenn das Energieversorgungsunternehmen nur sog. Objektnetze i. S. d. § 110 EnWG betreibt. Dies sind Netze, die für einen beschränkten Abnehmerkreis bestimmt sind - insbesondere Netze zur Versorgung einzelner Industriekunden o. ä. P versorgt die Allgemeinheit in der Umgebung seiner Hauptniederlassung mit Gas, weshalb die Ausnahme des § 110 EnWG nicht greift.

Im Übrigen gelten die Ausnahmen von der Pflicht zur Entflechtung nur im Hinblick auf einzelne Pflichten (vgl. auch folgende Struktur). Während §§ 9 und 10 EnWG uneingeschränkt gelten, sind die Pflichten aus § 7 EnWG (legal unbundling) sowie aus § 8 EnWG (management unbundling) nur dann einschlägig, wenn:
      • kein Fall des § 6 Abs. 1 S. 3 EnWG vorliegt (Speicher- und LNG-Anlagen) - hier nicht gegeben;
      • die de-minimis-Regelung nicht greift (§ 7 Abs. 2 EnWG bzw. § 8 Abs. 6 EnWG) - hier im Detail zu prüfen.

Die sog. de-minimis-Regelung schließt die Anwendung der §§ 7 und 8 EnWG aus. Demnach gilt für kleinere Versorger (unter 100.000 angeschlossene Kunden) keine Verpflichtung, rechtliches oder organisatorisches Unbundling (Details siehe oben) einzuführen. Bis zur geplanten Übernahme hat P eindeutig weniger als 100.000 Kunden, weshalb diese Pflichten für P nicht in Betracht kommen.
Ungeachtet dessen ist P verpflichtet, das buchhalterische und informationelle Unbundling im Unternehmen umzusetzen! Die einzelnen daraus folgenden Pflichten sind hier zusammengefasst.

2. Welche Änderung der Rechtslage tritt durch Erwerb eines weiteren Netzes ein?
Die Übernahme durch P eines Unternehmens, welches weitere 40.000 Kunden versorgt könnte die Anwendbarkeit der Vorschriften über rechtliches und organisatorisches Unbundling zur Folge haben, sofern in diesem Fall die de-minimis-Regelung nicht mehr greifen sollte.
Die Klausel des § 7 Abs. 2 EnWG (ebenso wie die des § 8 Abs. 6 EnWG) bezieht sich allerdings nicht auf die Gesamtsumme der Kunden eines Unternehmens, sondern auf die an ein bestimmtes, abtrennbares Netz angeschlossenen Kunden. Zwar sind die Kundenanschlüsse innerhalb einer Unternehmensgruppe zu addieren. Sind die im Konzern bzw. innerhalb eines Unternehmens vorhandenen Netze nicht physisch verbunden, werden sie einzeln gerechnet.

Demnach ändert sich durch die Übernahme eines in einer anderen Region ansässigen Gasversorgers durch P nichts aus Sicht des Unbundling - P und seine neue Tochtergesellschaft unterliegen nur den Pflichten aus §§ 9 und 10 EnWG, nicht hingegen den §§ 7 und 8.




CategoryEnergierecht
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