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Entflechtung der Netzbetreiber

Fallbeispiel

A. Sachverhalt
Das Gasversorgungsunternehmen Primagas (P) versorgt in der Region seiner Hauptniederlassung Kunden mit Erdgas. In einigen weiteren Regionen verfügt das Unternehmen über mehrere kleinere Standorte, an denen weitere Kunden mit Erdgas versorgt werden. Das vertikal integrierte Unternehmen verfügt über eine Vertriebsabteilung, die bundesweit Gas anbietet. Das Gas wird überwiegend vom russischen Partner bezogen (Gasimport). Darüber hinaus verfügt P über ein Gasversorgungsnetz in der Stadt seiner Hauptniederlassung, aus dem ca. 80.000 Kunden versorgt werden.

Derzeit überlegt die Geschäftsleitung den Erwerb eines weiteren Unternehmens, das ein Gasversorgungsnetz in einer anderen Region Deutschlands betreibt, an welches insgesamt weitere 40.000 Kunden angeschlossen sind. Dabei ist die Frage aufgetreten, inwiefern P eine Entflechtung des Netzbetriebes und entsprechende Trennung von anderen Unternehmenssparten (insbesondere vom Vertriebsbereich) vollziehen muss.

Deshalb stellt die Geschäftsleitung von P die Frage:
1. Inwiefern ist P verpflichtet, die Entflechtungsregelungen im eigenen Unternehmen umzusetzen?
2. Wie ändert sich die Situation durch den o. g. Erwerb eines weiteren Gasversorgungsunternehmens?

B. Lösunghinweise


1. Inwiefern hat P Entflechtungsregelungen umzusetzen?
P muss Regelungen über die Entflechtung befolgen, wenn er zu den Adressaten der entsprechenden Regelungen (§§ 6 ff. EnWG) gehört. Dies ist dann der Fall, wenn P:
    • ein vertikal integriertes Unternehmen i. S. d. § 3 Nr. 38 EnWG ist und
    • zugunsten von P keine gesetzliche Ausnahme von der Unbundling-Verpflichtung gilt.

a. Vertikal integriertes Unternehmen
Die Voraussetzungen des § 3 Nr. 38 EnWG sind in folgender Struktur erfasst. Demnach finden die Unbundlingregeln auf P Anwendung, wenn P:
      • in einer einzelnen Gesellschaft oder im Konzernverbund
      • sowohl Netzbetrieb (oder andere in § 3 Nr. 38 EnWG genannten Tätigkeiten) wie auch Energievertrieb / Gewinnung innehat.
Im Falle des Unternehmens P handelt es sich um ein Gasversorgungsunternehmen. Es besitzt sowohl ein Gasnetz sowie auch Gasvertrieb, wodurch es sich um ein vertikal integriertes Unternehmen handelt.

b. Ausnahme von der Pflicht zur Entflechtung
Die Ausnahmen von der Pflicht zur Entflechtung gelten nur im Hinblick auf einzelne Entflechtungsformen (vgl. auch folgende Struktur). Während §§ 6a und 6b EnWG uneingeschränkt gelten, sind die Pflichten aus § 7 EnWG (legal unbundling) sowie aus § 7a EnWG (management unbundling) nur dann einschlägig, wenn die sog. de-minimis-Regelung nicht greift (§ 7 Abs. 2 EnWG bzw. § 7a Abs. 7 EnWG) - was hier genauer zu prüfen ist.

Die sog. de-minimis-Regelung schließt die Anwendung der §§ 7 und 7a EnWG aus. Demnach gilt für kleinere Versorger die Verpflichtung, rechtliches oder organisatorisches Unbundling umzusetzen, dann nicht, wenn sie weniger als 100.000 an das Netz angeschlossene Kunden aufweisen. Bis zur geplanten Übernahme hat P 80.000 Kunden, was eindeutig weniger als 100.000 Kunden sind, weshalb diese Pflichten für P nicht in Betracht kommen.
Ungeachtet dessen ist P verpflichtet, das buchhalterische und informationelle Unbundling im Unternehmen umzusetzen. Die einzelnen daraus folgenden Pflichten sind hier zusammengefasst.


2. Welche Änderung der Rechtslage tritt durch Erwerb eines weiteren Netzes ein?
Durch die Übernahme des Unternehmens könnten die Vorschriften für das rechtliche und organisatorische Unbundling für P ebenfalls anwendbar sein. Denn durch den Erwerb eines weiteren Unternehmens könnte die de-minimis-Grenze überschritten werden, weshalb die Unbundlingvorschriften uneingeschränkt anzuwenden wären.

Die Klausel des § 7 Abs. 2 EnWG (ebenso wie die des § 7a Abs. 7 EnWG) bezieht sich allerdings nicht auf die Gesamtsumme der (Liefer-)Kunden eines Unternehmens, sondern auf die an das Netz des Unternehmens angeschlossenen Kunden. Hier werden zwei Netze von zwei unterschiedlichen Unternehmen zunächst einmal nur im Konzernverbund zusammengefasst, insofern führt die Übernahme eines weiteren Unternehmens mit seinen angeschlossenen Kunden nicht dazu, dass P direkt mehr als 100.000 ans Netz angeschlossene Kunden hat.

Es ist allerdings zu beachten, dass die de-minimis-Regelung dann nicht greift, wenn im gesamten Konzern die Schwelle von 100.000 an das Netz (bzw. die Netze) angeschlossenen Kunden überschritten wird (sog. Konzernklausel). Dies führt dazu, dass die Übernahme eines weiteren Netzbetreibers zur Addition der Netzkunden führen muss und die de-minimis-Grenze dadurch überschritten wird. Nach Übernahme des im Sachverhalt genannten Unternehmens muss P also auch §§ 7 und 7a EnWG beachten.


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Dieser Artikel gehört zur Kategorie Fallsammlung Energierecht
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