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Grundlagen des europäischen Energierechts

Darstellung des Primärrechts und Überblick über das Sekundärrecht

A. Überblick über die Verträge
Während der EGKSV im Jahre 2002 ausgelaufen ist, gilt der EAGV (Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft) weiter und bildet neben den einzelnen Regelungen des AEUV den primärrechtlichen Rahmen für die Rechtsfragen der Energiewirtschaft auf europäischer Ebene.

Die Europäische Atomgemeinschaft ist organisatorisch in die Strukturen der EU vollständig integriert. Im Hinblick auf die Rechtsgrundlagen stellt die Atomgemeinschaft allerdings keine derart weitgehende Integration dar, wie sie sonst im Zusammenhang des Gemeinsamen Marktes und des Binnenmarktes anzutreffen ist. Nur einige Bereiche der Nutzung von Kernenergie sind darin geregelt und noch weniger davon spielt in der Praxis eine Rolle (z. B.: Importabkommen mit Drittstaaten). Der EAGV sieht dabei weder Verbote noch Einschränkungen im Hinblick auf die Nutzung von Kernenergie. Andererseits steht er einem Atomausstieg ebenfalls nicht im Wege.

Zentrale Grundlage der EU im supranationalen Bereich ist gegenwärtig der AEUV.

B. Insbesondere der AEUV


1. Zuständigkeiten und Kompetenzen der EU im AEUV
Im AEUV sind aktuell folgende Normen Grundlage der europäischen Energierechtsordnung:

    • Ermächtigung zu Planungsmaßnahmen und zur Harmonisierung im Bereich der transeuropäischen Netze, Art. 170 - 172 AEUV;
    • die spezielle Regelung der europäischen Rechtsetzung im Bereich der Umweltpolitik einschließlich der Energieversorgung in Art. 192 Abs. 2 AEUV (Einstimmigkeit und eingeschränkte Mitwirkungsrechte des EP!);
    • Zuständigkeit der EU gem. Art. 4 Abs. 2 lit. i AEUV - Energiebereich gehört demnach zu den geteilten Zuständigkeiten der Union, in denen Mitgliedstaaten nur dann zuständig sind, wenn die EU keine (rechtmäßig! - Subsidiarität, Verhältnismäßigkeit) Vorschriften erlassen hat; dies ist zwar keine Kompetenznorm, sie sieht allerdings vor, dass im Falle einer Rechtsetzungskompetenz Energiebereich durch die EU vorrangig geregelt werden kann;
    • Rechtsetzungskompetenz des Art. 194 AEUV, die erst mit dem Lissabon-Vertrag in die Verträge Einzug hielt und erstmalig eine spezielle Kompetenznorm im Energiebereich darstellt, welche die anderen, allgemeinen (z. B. Binnenmarktkompetenz gem. Art. 114 AEUV) weitgehend verdrängt; allerdings ergeben sich daraus eher keine neuen Tätigkeitsfelder für die EU.

2. Grundfreiheiten und Energiewirtschaft
Die Rechtsetzungskompetenzen der EU im Energiebereich sind nicht alles, was die Verträge in Bezug auf den Energiesektor zu bieten haben. Die Grundfreiheiten sind auf den Energiesektor ebenso anzuwenden, wie auf alle anderen Wirtschaftsbereiche [1]. Dabei kommt für Fälle aus der Energiewirtschaft in der Regel die Warenverkehrsfreiheit (insb. bei Energielieferungen) in Betracht [2]. In manchen Teilbereichen ist allerdings auch eine Berufung auf die Dienstleistungsfreiheit möglich (Netzbetrieb, Energiedienstleistungen).

3. Europäische Marktordnung

a. Wettbewerb
Das in den Art. 101 ff. AEUV geregelte europäische Wettbewerbsrecht hat einen erheblichen Einfluss auch auf Unternehmen der Energiebranche. Dabei hat sowohl das Kartellverbot des Art. 101 AEUV ebenso eine Bedeutung für die Energiewirtschaft, wie auch das Missbrauchsverbot aus Art. 102 AEUV und die Fusionskontrolle (FKVO).

b. Insb. Daseinsvorsorge / staatliche Monopole
Dabei ist zu beachten, dass sich die wettbewerbsschützenden Vorschriften des AEUV nicht nur auf Handlungen von Unternehmen beziehen, sondern auch auf staatliches Handeln im Rahmen sog. staatlicher Monopole i. S. d. Art. 106 Abs. 2 AEUV. Letztere stellt eine spezielle Ausnahmeregelung im Spannungsverhältnis zwischen dem Wettbewerbsgedanken und den Grundfreiheiten auf der einen und dem Interesse der Mitgliedstaaten an einer reibungslosen Daseinsvorsorge dar.

c. Staatliche Beihilfen
Das Beihilferecht in den Art. 107 ff. AEUV, konkret das grundsätzliche Verbot staatlicher Beihilfen, kann für Sachverhalte der Energiewirtschaft häufig eine herausragende Rolle spielen. Schneider [3] nennt einige Bereiche in denen das europäische Beihilferecht in der Praxis zur Anwendung kommt:
      • Förderung erneuerbarer Energien,
      • Vergünstigungen bei Stromsteuer,
      • Haftpflicht und Abfalllagerung bei Atomanlagen.

Insbesondere das deutsche EEG stand bereits des Öfteren unter Verdacht, europarechtswidrig zu sein. Das Beihilferecht stand dabei als der wichtigste Prüfungsmaßstab im Zentrum der Argumentation gegen das EEG [4].

C. Sekundärrecht mit energierechtlichem Bezug
Überblick über Sekundärrechtsakte der EU
Folgende Richtlinien und Verordnungen sind aktuell (2015) in Bezug auf die Energiewirtschaft zu beachten:

1. Strompreistransparenzrichtlinie
Die Richtlinie 90/377/EWG, gegenwärtig in der Neufassung durch die RL 2008/92/EG, stellt die Erfassung von Daten und ihre transparente Aufbereitung im Hinblick auf die Preisgestaltung in der Energiewirtschaft - bezogen auf industrielle Kunden in der Energiewirtschaft.

2. Sektorenvergaberichtlinie
Sowohl die frühere Sektorenrichtlinie 2004/17/EG wie auch die neue, in den Mitgliedstaaten noch nicht umgesetzte Richtlinie 2014/25/EU vom 26. 2. 2014 finden unter anderem auf Energieversorgungsunternehmen Anwendung, allerdings nur in besonderen Fällen. Auch die aktuelle Regelung verweist bei der Frage der Anwendbarkeit der Vergaberegeln auf besondere und ausschließliche Rechte des Unternehmens bei der (Energie-)Versorgung, weshalb insbesondere die in Marktbereichen tätigen Unternehmen nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie sowie ihrer Umsetzungsakte fallen.

3. Die Elektrizität- und Gasbinnenmarktrichtlinien
Die aktuell aus dem Jahre 2009 stammenden Richtlinien stellen in erster Linie eine Grundlage der gegenwärtigen Verfassung für Energiemärkte in Europa dar und sehen die konsequente Entflechtung der Netzbetreiber vor (was der Schwerpunkt der letzten Korrekturen im Jahre 2009 war). Die Richtlinien - bereits in ihrer dritten Fassung nach 1998 und 2003 - regeln den Weg, auf welchem die Regulierungsmaßnahmen auf der einen Seite einen Markt für Energie ermöglichen (Netzanschluss, Netzzugang, Netzentgelte) und mittlerweile eine vollständige Marktöffnung. Auf der anderen Seite sind darin auch Verbraucherschutz und viele weitere Rechtsfragen der Energiewirtschaft geregelt.

4. Energiehandel - Verordnungen
In der Stromhandelszugangsverordnung EG Nr. 714/2009 und in der Erdgaszugangsverordnung EG Nr. 715/2009 sind Rechtsfragen des grenzüberschreitenden Energiehandels und dessen Ermöglichung geregelt. Neben den Verordnungen über grenzüberschreitenden Energiehandel ist an dieser Stelle allerdings auch die Verordnung zum Schutz des Energiegroßhandels vor Missbrauch, kurz als REMIT-Verordnung genannte Verordnung Nr. 1227/2011/EU vom 25. Oktober 2011 über die Integrität und Transparenz des Energiegroßhandelsmarkts.

Die VO 1227/2011/EU verbietet zum einen Insiderhandel (Art. 3; gem. Art. 4 müssen Insiderinformationen transparent veröffentlicht werden), sowie jegliche andere Marktmanipulationen (Art. 5). Zwecks Überwachung müssen demnach alle relevanten Marktteilnehmer registriert werden (Art. 9) und Transaktionen am Energiegroßhandelsmarkt sowie Daten über Erzeugungs-, Speicher- u. ä. Anlagen melden (Art. 8). Die Agentur ACER überwacht den Markt und setzt die Verordnung um, insbesondere durch die Sammlung der Transaktionsmeldungen und Registrierung der Marktteilnehmer (Art. 7-9).
Marktteilnehmer i. S. d. VO 1227/2011/EU sind dabei Rechtssubjekte, die Handelstransaktionen im Energiegroßhandel durchführen, d. h. Energiehändler, Transpotnetzbetreiber, Strom- und Gasbörsen sowie Energiebroker. Transaktionen im Energiegroßhandel sind dabei alle physischen wie finanziellen Geschäfte mit Strom oder Gas, d. h. Lieferverträge, Transportverträge und Derivatgeschäfte wie Optionen oder Swaps. Auch Verträge im Versorgungs- und Verteilungsbereich (sowohl mit Endkunden wie auch mit Großkunden) können unter die Verordnung fallen, wenn sie mehr als 600 GWh pro Jahr in einem Marktgebiet zum Gegenstand haben.

5. Umweltenergierecht in Richtlinien
Umwelt- und klimabezogene Themen werden im europäischen Sekundärrecht nicht in den Energiebinnanmarktpaketen behandelt, sondern in speziellen Richtlinien im Kontext des Umweltschutzes, von denen folgende zwei hervorzuheben sind:
    • Energieeffizienzrichtlinie 2012/27/EU,
    • Richtlinie 2009/28/EG zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen.
Die ursprüngliche KWK-Richtlinie aus dem Jahre 2004 wurde gegenwärtig in der Energieeffizienzrichtlinie integriert. Zum Klimaschutz auf EU-Ebene zählt allerdings auch das System des Handels mit Treibhausgasen ().

a. Energieeffizienzrichtlinie
Die wichtigsten Inhalte der EnergieeffizienzRL sind:
      • die Vorbildfunktion der öffentlichen Hand bei der Durchsetzung der Energieeffizienz,
      • Systeme zur verpflichtenden Umsetzung von Energieeffizienz in Unternehmen der Energieversorgung (Art. 7),
      • Verpflichtung zu Energieaudits,
      • intelligentes Messwesen und effizienzfördernde Vertragsstrukturen für Energielieferungen.

b. EE-Richtlinie
Die Richtlinie schreibt Gesamtquoten für die Berücksichtigung von erneuerbaren Energien - und zwar im Hinblick auf den Gesamtenergieverbrauch (Strom, Verkehr und Wärme). Die Wege für die Umsetzung, die konkreten Fördermodelle verbleiben allerdings in der Hand der Mitgliedstaaten. Staatliche Maßnahmen werden gemäß der Richtlinie lediglich durch Berichtspflichten und Verpflichtung zur Erstellung und Umsetzung nationaler Aktionspläne flankiert.

c. ETS
Das europäische System des Handels mit Berechtigungen zu CO2-Emissionen ist einzigartig in der Welt. Es setzt sich aus der Zuteilung und aus dem Handel selbst zusammen. Dem System liegen aktuell die Emissionshandelrichtlinie 2009/29/EG sowie der Beschluss der Kommission 2011/278/EG zugrunde.

6. Leitlinien für die transeuropäischen Strom- und Gasnetze
Die Planung der grenzüberschreitenden Netzverbindungen beruht auf den von der EU erlassenen Leitlinien für transeuropäische Netze (TEN-E).

7. Weitere Richtlinien und sonstige Rechtsakte
Neben den oben genannten haben auch zahlreiche, weitere, insbesondere Richtlinien der EU Berührungspunkte zur Energiebranche. Diese werden an dieser Stelle nicht mehr behandelt. Dazu gehören z. B.:
    • Verordnung 713/2009/EG zur Gründung einer Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER),
    • Richtlinie 2005/89/EG über die Versorgungssicherheit im Elektrizitätsbereich,


[1] Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 2, Rn. 12 ff.
[2] So hat der EuGH bereits in der Entscheidung EuGHE 1994, I-1783, Rn. 28 (Almelo-Entscheidung) Strom als Ware gesehen.
[3] Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 2, Rn. 25.
[4] Mehr dazu Schneider, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 21, Rn. 138 ff.


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