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Energierecht und Grundfreiheiten der EU


Relevante Rechtsprechung:
  • Fall Cassis de Dijon (EuGH, Urt. v. 20. 2. 1979 -120/78)
  • Fall Dassonville (EuGH, Urteil vom 11. 7. 1974-8/74)
  • Fall Essent Belgium NV (EuGH, in den verbundenen Rechtssachen C-204/12 bis C-208/12)
  • Fall Preussen Elektra (EuGH, Urteil vom 13. 3. 2001- C-379/98)

Relevante Literatur:

  • Große/Kachel, in: Altrock/Oschmann/Theobald, Eneuerbare-Energien-Gesetz, § 40, Rn. 28 ff.
  • Gundel, Die Vorgaben der Warenverkehrsfreiheit für die Förderung erneuerbarer Energien - Neue Lösungen für ein altes Problem?, EnWZ 2014, 99
  • Lecheler/Recknagel, in: Dauses, EU Wirtschaftsrecht, M. Energierecht, Rn. 12 ff.
  • Müller, in: Müller/Oschmann/Wustlich, Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz, Rn. 177 ff.
  • Sailer/Kantenwein, in: Reshöft/Schäfermeier, EEG – Erneuerbare-Energien-Gesetz, Rn 248 ff.
  • Theobald/Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts, 5. Teil. Energieversorgung zwischen Deregulierung und (Re-)Regulierung


A. Rechtsfragen

Nicht nur das aufgrund der Rechtsetzungskompetenzen im Energiebereich erlassene Sekundärrecht ist für die Energiewirtschaft relevant. Die Grundfreiheiten sind auf den Energiesektor ebenso anzuwenden, wie auf alle anderen Wirtschaftsbereiche [1]. Auf Sachverhalte aus der Energiewirtschaft ist häufig die Warenverkehrsfreiheit (insb. bei Energielieferungen) anzuwenden, sofern Energie als Ware betrachtet werden kann [2]. In manchen Teilbereichen ist allerdings auch eine Berufung auf die Dienstleistungsfreiheit möglich (Netzbetrieb, Energiedienstleistungen).


1. Verstoß gegen Grundfreiheiten?

    • Warenverkehr
      • Gemäß der Artikel 34 und 35 AEUV sind Mengenmäßige Ein- und Ausfuhrbeschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den europäischen Mitgliedstaaten verboten.
    • Dienstleistung
      • Gemäß Artikel 56 AEUV sind Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten, welche in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, nach den Maßgaben der Artikel 56 AEUV folgenden Bestimmungen verboten.

2. Insbesondere

a. Schutzbereich - Wirtschaftsfaktor Ware?

Persönlicher Schutzbereich - meist unproblematisch.

Sachlicher
Spätestens seit Almelo [2] ist anerkannt, dass Strom als Ware auch Handelsgegenstand ist und damit in den Schutzbereich der Warenverkehrsfreiheit fällt.

b. Eingriff
Gem. Dassonville meist unproblematisch.

c. Rechtfertigung einer Maßnahme

      • Art. 36 AEUV
Im Falle der Förderung erneuerbarer Energien kommt Schutz der Gesundheit und des Lebens des Menschen sowie von Tieren und Pflanzen - im Zusammenhang mit dem Umwelt- und Klimaschutz in Betracht [3].

Zu beachten ist, dass eine willkürliche Diskriminierung zwar verboten ist (Art. 36 S. 2 AEUV), aber eine Unterscheidung zwischen nationalen und ausländischen Sachverhalten durchaus gerechtfertigt sein kann, wenn sie einen sachlichen Grund hat.

      • Cassis-Formel
Gleichzeitig wird der Umweltschutz als zwingendes Erfordernis des Allgemeinwohls im Sinne der Formel erachtet [3].

Voraussetzung für die Anwendung der Cassie-Formel ist allerdings, dass auf EU-Ebene noch keine (hinreichende) Harmonisierung erfolgte und die Mitgliedstaaten zum Erlass von Sonderregeln berechtigt sind. Im Falle der RL 2009/28/EG sieht der EuGH einen Alleingang der Mitgliedstaten in vielen Bereichen als zulässig, vgl. z. B. Art. 3 Abs. 3 der RL - insbesondere können die Mitgliedstaaten die Förderung auf Landesgrenzen beschränken.
Im Übrigen stellt die RL 2009/28/EG keine wirkliche Harmonisierung im Hinblick auf die Systeme zur Förderung erneuerbarer Energien dar. Weder von der Höhe der Förderung noch im Hinblick auf den Weg werden hier Vorgaben gemacht - die Mitgliedstaaten können die Förderung nach eigenen Ansichten gestalten.

      • Verhältnismäßigkeit
Grund der Förderung: Schutz von Umwelt = Gesundheit und Leben
Geeignetheit = System der "grünen" Zertifikate in Schweden prinzipiell geeignet, die Quote erneuerbarer Energien zu steigern.
Erforderlichkeit = Milderes Mittel, als ein auf Staatsgrenzen beschränktes System ist nicht möglich, insbesondere aus Kosten gründen.


d. Staatsmonopole, Art. 106 II AEUV, Art. 37 AEUV

3. Alands-Vindkraft


B. Einige Beispiele


1. EuGHE 1997, I-5699
Im Verfahren gegen das Stromhandelsmonopol in den Niederlanden hat die Kommission in erster Linie eine Verletzung der damaligen Art. 30 und 37 EGV (Art. 34 AEUV und Art. 37 AEUV) gerügt. Sie stützte sich insofern auf das Verbot von mengenmäßigen Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung auf der einen Seite sowie auf das Gebot der Korrektur von Handelsmonopolen dahingehend, dass aus diesen Monopolen keine Diskriminierungen folgen. Ein Verstoß gegen (gegenwärtig) Art. 37 AEUV durch Einfuhrmonopol der entsprechenden Stelle wird durch den EuGH bejaht. Der EuGH prüft aber eine eventuell vorrangige Rechtfertigung gem. Art. 90 Abs. 2 EGV (damalige Vorschrift entspricht heute dem Art. 106 Abs. 2 AEUV).
Letztlich wurde die Klage der Kommission abgewiesen, allerdings nicht aus materiellrechtlichen Gründen, sondern weil die Kommission nicht hinreichend belegt hatte, dass die Anwendung der Vorschriften der Verträge "nicht die Erfüllung der Monopolstelle übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert".

Heute wird - angesichts der vorgeschriebenen Liberalisierung der Energiemärkte - zumindest im Hinblick auf Stromhandel, Erzeugung und Vertrieb vermutlich keine Notwendigkeit von Staatsmonopolen mehr zu bejahen sein.


2. EuGHE 1994, I-1783 (Almelo) - EuGH vom 27.04.1994 - C-393/92
In diesem Verfahren hatten mehrere lokale niederländische Stromversorgungsunternehmen gegen regionale Stromversorungsunternehmen geklagt, da die regionalen Stromversorger mit den lokalen Stromversorgern Verträge mit Klauseln zur ausschließlichen Abnahme von Strom geschlossen hatten. Diese seien, laut der lokalen Stromversorger, europarechtswidirg.
Der EuGH prüfte, ob die Artikel 37 und/oder 85 und/oder 86 und/oder 90 EWG-Vertrag den Abnahmeklauseln entgegenstanden. Im Rahmen der Beantwortung dieser Frage stellte der EuGH fest, dass es sich bei Elektrizität um eine Ware im Sinne des Art. 37 EWG - Vertrag handelt.

3. EuGHE 1984, 2727 (Campus Oil) - EuGH vom 10.07.1984 - Rechtssache 72/83
In diesem Verfahren klagten im Erdölgeschäft tätige Unternehmen gegen eine Regelung der irischen Regierung, wonach 35 % des Erdölbedarfs der Unternehmen bei einem staatlichen irischen Unternehmen einzukaufen waren.
In diesem Zusammenhang befasste sich der EuGH mit der Frage, ob eine solche Maßnahme europarechtskonform ist und unter welchen Umständen eine solche Maßnahme zu rechtfertigen ist.
Der EuGH stellte fest, dass eine solche Maßnahme grundsätzlich verhältnismäßig sein muss. Das heißt, dass keine andere Maßnahme möglich ist, die sich weniger restriktiv auf den freien Warenverkehr auswirkt.
Weiterhin muss die Maßnahme gerechtfertigt sein. Dies ist insbesondere der Fall, wenn Gründe der öffentlichen Sicherheit vorliegen (vgl. Artikel 36 AEUV).

C. Fallbeispiel
Ein Fallbeispiel zum Thema Grundfreiheiten und Energiewirtschaft ist hier zu finden.


[1] Schneider, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 2, Rn. 12 ff.
[2] So hat der EuGH bereits in der Entscheidung vom 27. 4. 1994 (Az. C 393/92) EuGHE 1994, I-1783, Rn. 28 (Almelo-Entscheidung) Strom als Ware gesehen.
[3] EuGH, Rs. C‐573/12 (Ålands Vindkraft AB / Energimyndigheten), Urteil vom 1. 7. 2014.
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