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aktuelles Dokument: FallGeschenkter350SL
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Version [93155]

Dies ist eine alte Version von FallGeschenkter350SL erstellt von WojciechLisiewicz am 2019-01-15 12:28:24.

 

Fallbeispiel: Der geschenkte 350 SL

ein Klausurfall aus dem Sommersemester 2018 - WIPR I


Sachverhalt

Der 70-jährige E ist verwitwet und wohnt in der Nachbarschaft der Familie des 15-jährigen M. E ist krank, verschweigt dies aber vor M. M verbringt viel Zeit mit E, in der beide den Oldtimer des E – einen Mercedes 350 SL aus dem Jahre 1973 – pflegen und reparieren. Die Eltern des M sehen die Bekanntschaft mit E etwas kritisch, aber dulden die häufigen Besuche bei E, nicht zuletzt deshalb, weil sie selbst – beide voll berufstätig – kaum Zeit für M haben.

Nachdem sich der Zustand des E derart verschlechtert hat, dass E im Krankenhaus behandelt werden muss, bittet E seinen Freund F, Schlüssel für den Mercedes und die kompletten Autopapiere dem M zu geben, damit er sich an dem Oldtimer künftig allein erfreut. E würde das Krankenhaus voraussichtlich nicht mehr verlassen. Dabei betont E, wie wichtig ihm dieses Anliegen ist, dass M das Auto erhält. Dabei geht E auch davon aus, dass die Eltern des M nichts dagegen haben werden. F verspricht, den Wunsch des E demnächst zu erfüllen. Als F den E nach einer Woche wieder besuchen will, ist E tot.

Der aufgebrachte F geht darauf hin direkt zu M, überbringt ihm die traurige Nachricht und zugleich die Schlüssel sowie Dokumente des Mercedes. M ist untröstlich, nimmt das Geschenk des E aber dankend an. Als die Eltern des M dies erfahren, sind sie der Meinung, dass M zu jung sei für ein Auto. Er könne mit dem Auto doch gar nicht fahren. Auch die Steuern, Versicherung und Pflege des Wagens könne er sich gar nicht leisten. M besteht darauf, das Auto zumindest aus Respekt für E zu behalten. Das Auto wird vorerst in die Garage der Familie des M gestellt.

Zwischenzeitlich meldet sich der Sohn des verstorbenen E – S – und sucht den Mercedes. Er spricht mit den Eltern des M und merkt, dass sie das Geschenk gar nicht gut finden und möchte die Gelegenheit nutzen, das wertvolle Fahrzeug (Marktwert ca. 50.000 EUR) zurückzuerlangen. Nachdem er von F erfährt, dass E davon ausging, die Eltern des M hätten nichts gegen das Geschenk, teilt er M und seinen Eltern mit, dass vor diesem Hintergrund auf jeden Fall – wenn die Schenkung denn überhaupt rechtens sein sollte – der Vertrag rückgängig gemacht werden müsse, weil sich E in seiner Annahme geirrt habe, dass die Eltern des M die Schenkung akzeptieren würden. Deshalb verlangt er Herausgabe des Oldtimers an ihn, S, als rechtmäßigen Erben.

Zurecht?

Eventuelle Probleme des Erbrechts sind nicht zu prüfen!




Musterlösung


Anspruch aus § 985 BGB
S könnte gegen M einen Anspruch auf Herausgabe des Fahrzeugs gem. § 985 BGB haben. Die Voraussetzung dafür ist, dass S den Anspruch erworben, diesen nicht verloren hat und der Anspruch durchsetzbar ist.
S könnte den Anspruch erworben haben. Dies ist dann der Fall, wenn es sich beim fraglichen Gegenstand um eine Sache i. S. d. § 985 BGB handelt, S Eigentümer und M Besitzer dieser Sache ist dem M kein Recht zum Besitz zusteht.

A. Sache i. S. d. § 985 und § 90 BGB
Der Mercedes könnte eine Sache sein. Dafür müsste das Fahrzeug gem. § 90 BGB ein körperlicher Gegenstand sein. Dies ist der Fall. Damit ist der Anspruchsgegenstand eine Sache auch i. S. d. § 985 BGB.

B. Eigentum des S
Ferner müsste S Eigentümer des Fahrzeugs sein. Dafür muss S das Eigentum am Mercedes erworben und darf es nicht verloren haben.

1. Ursprünglicher Eigentümer
Ursprünglicher Eigentümer des Fahrzeugs war E.

2. Gespräch zwischen E und F
E könnte das Eigentum an F verloren haben, indem er ihm die Fahrzeugschlüssel und Papiere übergibt. Hier mangelt es aber an einer dinglichen Einigung, ohne die ein Eigentumsübergang nicht möglich ist. F ist damit nicht Eigentümer des Fahrzeugs geworden.

3. Tod des E
S könnte das Eigentum durch den Tod des E kraft Gesetzes gem. § 1922 BGB erworben haben. Voraussetzung dafür ist, dass ein Erbfall eingetreten und S Erbe des E ist. Mit dem Tod des E liegt ein Erbfall vor, S ist Sohn des E und laut Angabe im Sachverhalt sein "rechtmäßiger Erbe". Damit ist S gem. § 1922 BGB Eigentümer des Fahrzeugs geworden.

4. Überlassung des Fahrzeugs an M
S könnte das Eigentum allerdings dadurch verloren haben, dass M das Eigentum gem. 929 S. 1 BGB erworben hat. Voraussetzung dafür ist, dass sich M und der Veräußerer über den Eigentumsübergang geeinigt haben, eine Übergabe der Sache erfolgt ist, die Vertragsparteien sich bei Übergabe nach wie vor einig waren und der Veräußerer auch berechtigt war.

a. Dingliche Einigung
Zwischen M und dem Veräußerer der Sache könnte eine dingliche Einigung vorliegen. Voraussetzung dafür ist, dass ein dinglicher Vertrag zwischen Veräußerer und Erwerber über die Eigentumsübertragung geschlossen wurde und dieser wirksam ist.

(a) Vertragsschluss
Zwischen M und dem Veräußerer könnte ein Vertrag geschlossen worden sein. Dafür muss ein annahmefähiges Angebot angenommen worden und zwischen den Erklärungen Übereinstimmung gegeben sein.

(i) Angebot
E könnte dem M ein Angebot unterbreitet haben, Eigentum am Auto zu erwerben. Dafür muss eine Willenserklärung vorliegen, die den Inhalt Angebot hat. Ferner muss sie abgegeben werden und dem Adressaten (M) zugegangen sein. Darüber hinaus darf das Angebot nicht vor Zugang gem. § 130 Abs. 1 S. 2 BGB widerrufen worden sein.

Laut Sachverhalt hat E seinen Willen dem F gegenüber geäußert. Danach wollte er das Eigentum am Mercedes dem M verschaffen. Damit liegt eine Willenserklärung vor, die inhaltlich ein Angebot zur Eigentumsübertragung enthält.

Das Angebot könnte auch durch E abgegeben worden sein. In diesem Fall gibt der E sein Angebot nicht persönlich gegenüber M ab, sondern bedient sich des F. F könnte hier als Vertreter oder Bote gehandelt haben, so dass die Handlungen des F dem E zugerechnet werden. Dafür ist Voraussetzung, dass F als Bote eingesetzt wurde, die Erklärung auf diese Weise so auf den Weg gebracht wurde, dass mit Zugang zu rechnen ist.
Ein Bote ist eine Person, welche eine fremde Erklärung im Auftrag eines anderen überbringt. F soll in diesem Fall lediglich die Nachricht sowie die Fahrzeugschlüssel und Papiere überbringen, so dass er keine eigene Willenserklärung abgibt. Damit kann er nur als Bote des E gehandelt haben. Dabei hat E den F eingesetzt. Er soll nun die Erklärung samt Schlüssel und Papieren dem M bringen, so dass die Erklärung so auf den Weg gebracht wurde, dass mit Zugang (bei M) zu rechnen ist. Damit ist die Abgabe der Erklärung - über einen Boten - erfolgt.

Fraglich ist, inwiefern sich der Tod des E auf seine Erklärung gegenüber M auswirkt. Gem. § 130 Abs. 2 BGB ist es allerdings ohne Einfluss, wenn der Erklärende nach Abgabe der Willenserklärung stirbt. Dies ist in diesem Fall geschehen. Die Erklärung des E wird durch seinen Tod deshalb nicht beeinträchtigt.

Die Erklärung des E könnte M zugegangen sein. Dies ist dann der Fall, wenn sie so in den Machtbereich des M gelangt ist, dass Kenntnisnahme möglich war. F überbringt dem M die Schlüssel, Papiere des Fahrzeugs sowie die Information, dass M Eigentümer werden soll. Somit ist die Willenserklärung dem M zugegangen.

Es stellt sich allerdings die Frage, ob das Angebot nicht im Sinne des § 130 Abs. 1 S. 2 BGB widerrufen wurde. Dies ist dann der Fall, wenn das Angebot vor oder gleichzeitig mit Zugang der Erklärung bei M widerrufen worden ist. E ist bei Übergabe der Schlüssel bereits tot und S (als Erbe, der in die Rechte und Pflichten des E eingetreten ist) mit der Überlassung des Fahrzeugs gem. Sachverhalt nicht einverstanden. Allerdings meldet sich S bei M lange nachdem das Fahrzeug durch F übergeben wurde. Ein Widerruf i. S. d. § 130 Abs. 1 S. 2 BGB wäre jedenfalls zu spät erfolgt, so dass festzuhalten ist, dass das Angebot dem M ordnungsgemäß zuging.

Ein Angebot zur Eigentumsübertragung seitens E liegt vor.

(ii) Annahme
M könnte das Angebot angenommen haben. Voraussetzung einer Annahme ist, dass eine Willenserklärung mit Inhalt Annahme vorliegt, sie abgegeben wurde und der anderen Partei zugegangen ist. M ist mit der Eigentumsübertragung - ungeachtet der Bedenken seiner Eltern - einverstanden, so dass eine Annahmeerklärung seinerseits vorliegt. Es stellt sich aber die Frage, inwiefern seine Erklärung dem Veräußerer zugegangen ist. Dem E ist sie - da er tot ist - definitiv nicht zugegangen. S erfährt von der Überlassung des Fahrzeugs sehr spät, so dass sich die Frage stellt, ob die dingliche Einigung bereits zum Zeitpunkt der Übergabe vorlag.

Die Annahme könnte allerdings gem. § 151 BGB in vereinfachter Form vorliegen. Dies ist dann der Fall, wenn die Annahmeerklärung gegenüber dem Anbietenden nach Verkehrssitte oder nach dem Willen des Anbietenden nicht erforderlich ist. Ferner müsste aber M eine Annahmehandlung vorgenommen haben.
E wollte das Fahrzeug dem M auf jeden Fall überlassen und hat sogleich dem F die Schlüssel und Fahrzeugpapiere übergeben. Mit Rückmeldung des M rechnete er nicht. Damit verzichtete er auf eine Annahmeerklärung i. S. d. § 151 BGB. M hat das Fahrzeug auch in Emfpang genommen, was als Annahmehandlung i S. d. § 151 BGB ausreicht. Annahme gem. § 151 BGB liegt vor.

(iii) Bindung an das Angebot
Der Veräußerer müsste zum Zeitpunkt der Annahme durch M an das Angebot gebunden sein. Es stellt sich die Frage, inwiefern das Angebot des E über seinen Tod hinaus bindend ist. Dies ist gem. § 153 BGB dann nicht der Fall, wenn der Antragende sich nicht über den Tod hinaus vertraglich binden wollte. E hat die Überlassung des Fahrzeugs aber gerade angesichts seines bevorstehenden Todes vorgenommen. Damit ist die Bindung über den Tod hinaus ausdrücklich gewollt. Das Angebot ist auch bei Annahme gem. § 153 BGB bindend gewesen.

(iv) Übereinstimmung
Zwischen dem Angebot der Übereignung seitens E und der Annahme durch M besteht Übereinstimmung.

Damit liegt dinglicher Vertrag zwischen Veräußerer und Erwerber i. S. d. § 929 S. 1 BGB vor.

(b) Inhalt
M soll das Eigentum am Fahrzeug erwerben. Demnach soll das Eigentum am Auto auf M übergehen. Es handelt sich somit inhaltlich um eine dingliche Einigung.

(c) Wirksamkeit der dinglichen Einigung
Die Einigung zwischen E und M könnte allerdings unwirksam sein. Der Vertrag könnte insbesondere wegen der beschränkten Geschäftsfähigkeit des M gem. § 108 Abs. 1 BGB unwirksam sein. Dafür muss M i. S. d. § 106 BGB beschränkt geschäftsfähig sein und das Rechtsgeschäft darf nicht gem. §§ 107 ff. BGB ausnahmsweise wirksam sein.




















Anspruch § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB



(b) Wirksamkeit der dinglichen Einigung
Die Einigung zwischen E und M könnte allerdings unwirksam sein. Der Vertrag könnte insbesondere wegen Formmangels gem. § 125 S. 1 BGB unwirksam sein. Ferner kommt Unwirksamkeit gem. § 108 Abs. 1 BGB (beschränkte Geschäftsfähigkeit des M) in Betracht.


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