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Fall: Schlauer Nachbar


A. Sachverhalt
Der pensionierte Verwaltungsbeamte Schlau (S) hat für den Herbst seines Lebens ein Haus im Thüringer Wald gekauft, in dem er regelmäßig wohnt. Das Haus steht mitten im Wald, so dass sich in der Nachbarschaft nur ein weiteres Haus befindet, das dem Berliner Rechtsanwalt Findig (F) gehört. Im Gegensatz zu S hält sich F in seinem Haus ausschließlich 3 mal im Jahr mit seiner Familie auf. Deshalb steht das Nachbarhaus die meiste Zeit leer.

F hat dem S die Schlüssel des Hauses anvertraut mit der Bitte, ab und zu nach dem Rechten zu sehen. S kümmert sich deshalb um das Haus, meldet dem F stets die notwendigen Arbeiten am Haus, passt auf, dass keine unerwünschten Gäste kommen. Dabei geht er mit seiner Fürsorge für das Haus noch weiter, als F das wollte: er vermietet es an ausländische Touristen zu den Jahreszeiten, in denen F nicht kommt - insbesondere im Frühjahr und Herbst. Er schaltet Anzeigen in Frankreich, in den Niederlanden und in Belgien, auf die sich immer interessierte Besucher melden.

Durch das geschickte Marketing des S erzielt er Preise, die ca. 30 % über den in der Region üblichen Preisen liegen. Die ausländischen Gäste zahlen diese Preise gern, weil sie die idyllische und absolut ruhige Waldlage des Hauses von F sehr schätzen. Den gesamten Umsatz aus dem Prozedere streicht S für sich, F erfährt von nichts.

Als eines Tages im Herbst F unerwartet vor seinem Haus erscheint und sieht, dass es gar nicht leer steht, kommt alles raus. Nun verlangt F von S Herausgabe der gesamten Einnahmen.

B. Frage
Wie ist die Rechtslage?

C. Lösungshinweise


1. Anspruch F gegen S gem. § 816 I 1 BGB
F könnte gegen S einen Anspruch gem. § 816 Abs. 1 S. 1 BGB haben. Dies ist dann der Fall, wenn F diesen Anspruch erworben und nicht verloren hat und dieser auch durchsetzbar ist. Der Anspruch gem. § 816 I 1 BGB ist dem Grunde nach erworben, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind.
Zwar steht hier das Haus unbestritten dem F zu, so dass es sich um einen Gegenstand des F handelt. Es stellt sich jedoch die Frage, ob mit der Vermietung eine Verfügung vorliegt. Eine Verfügung ist jede Übertragung, Belastung, Inhaltsänderung oder Aufgabe eines Rechts. Die Vermietung stellt eine vorübergehende Einräumung der Nutzung dar. Sie führt dazu, dass der Mieter über bestimmte Zeit den Besitz erlangt. Dies ist jedoch kein Recht, das hier übertragen wird, sondern eine tatsächliche Position. Damit ist Vermietung keine Verfügung.

Damit kommt Anspruch aus § 816 I 1 BGB nicht in Betracht.


2. Anspruch gem. § 812 I 1 2. Alt. BGB
F könnte gegen S einen Anspruch gem. § 812 I 1 2. Alt. BGB haben.

a. Anspruchsbegründende Voraussetzungen
Der Anspruch ist dem Grunde nach erworben, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind.
Hier liegt keine Leistung des F an S vor, weshalb S nur in sonstiger Weise etwas erlangen konnte. Das Zuweisungsgehalt des Eigentums am Haus steht allein dem F und nicht dem S zu. Wenn S das Haus des F in einer Weise nutzte, die F nicht wollte, griff er auf Kosten des F in seine Vermögenssphäre ein. S hat die Nutzungsmöglichkeit des Hauses und damit ihren Wert erlangt - ein etwas i. S. d. § 812 BGB. Dafür bestand kein rechtlicher Grund.
Insgesamt liegen die Voraussetzungen des Anspruchs aus § 812 I 1 2. Alt. BGB - dem Grunde nach - vor.

b. Umfang des Anspruchs
Es stellt sich allerdings die Frage, in welchem Umfang F den Anspruch gegen S geltend machen könnte. Gegenstand des Bereicherungsanspruchs ist je nach Umständen des konkreten Falles unterschiedlich zu beurteilen.
Nach § 818 BGB gelten hier folgende Regeln:
      • das grundsätzlich nach § 812 Abs. 1 BGB herauszugebende "Erlangte" wäre die Nutzung des Hauses bzw. die Möglichkeit, das Haus zu vermieten; dies kann mit Zeitablauf nicht mehr herausgegeben werden;
      • nach § 818 II BGB ist bei Unmöglichkeit der Herausgabe des Bereicherungsgegenstandes - hier: wegen seiner Beschaffenheit - dessen objektiver Wert zu ersetzen; dies ist jedenfalls die Miete in üblicher Höhe. Was nicht verlangt werden kann, ist der darüber hinausgehende Mehrerlös - die Grenze des Anspruchs findet sich im Merkmal "auf dessen Kosten" - das "Mehr" ist nicht dadurch bedingt, dass in das Vermögen des F eingegriffen wurde, sondern dadurch, dass S gutes Marketing eingesetzt hat.

Ein Wegfall der Bereicherung kommt nicht in Betracht. Deshalb kann F von S Herausgabe der Bereicherung im o. g. Umfang verlangen.

3. Andere Ansprüche?
Eine rein bereicherungsrechtliche Lösung führt dazu, dass S einen Teil des Erlöses aus seinem wohl eindeutig zu missbilligenden Prozedere behalten kann. Dies zeigt, dass hier vor Bereicherungsansprüchen eine andere Lösung vorrangig zu überlegen wäre: ein eventueller Anspruch aus § 687 Abs. 2 BGB, der in Verbindung mit § 681 S. 2 BGB und § 667 BGB auf Herausgabe des aus der Geschäftsführung Erlangten gerichtet ist. Dieser Anspruch wäre hier auch gegeben.


Vgl. auch Medicus, Gesetzliche Schuldverhältnisse 5. Auflage, Fall 156 und 196.



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