Wissensdatenbank Wirtschaftsrecht

aktuelles Dokument: FallTeuresPopArtBild2
image4
image3
image2
image1
 Alle Kategorien:
  Forschungsdatenbank
  Lehrveranstaltungen
  Lexikon
  Literatur
  Rechtsgebiete
  Rechtsprechung
  Service
  Studium F H S
  Wissensmanagement
ich war hier: FallTeuresPopArtBild2

Fallbeispiel: Das teurer gewordene Pop-Art-Gemälde 2

Klausuraufgabe im WS 2014/2015


Sachverhalt


Händler H spricht mit seinem Mitarbeiter M über ein Gemälde des Pop-Art Malers P. Das Gemälde soll interessierten Galeristen oder Sammlern für 15.000 EUR angeboten werden.

M, der in der Firma des H Kunstwerke im Namen des H anbietet und verkauft, nimmt das neue Angebot vorläufig in seinem Notizblock unter „Neuerscheinungen“ auf und erwähnt es gegenüber dem Sammler S am 10. 1. Beide halten im Gespräch fest, dass S bis zum 20. 1. dem M oder H mitteilen wird, ob er das Gemälde für 15.000 EUR nimmt.
Am 15. 1. schreibt S in einem an H gerichteten und auf den 15. 1. auch datierten Brief, dass er das Gemälde für 15.000 EUR haben will. Diesen Brief möchte er M am 16. 1. in den Büroräumen des H überreichen. Er trifft ihn allerdings nicht an und kann lediglich mit der Reinigungskraft des H, Frau R sprechen. Frau R nimmt den Brief entgegen und verspricht, ihn dem H oder M am Folgetag zu geben. R vergisst den Brief allerdings in ihrer Jackentasche und gibt ihn erst am 22. 1. dem M.

H stellt in der Zwischenzeit fest, dass seine vorherige Preisschätzung für das Gemälde falsch war und beabsichtigt nun, es mit einem Preis von 22.000 EUR in seinen Katalog aufzunehmen. M zeigt H das Schreiben des S, beruhigt ihn aber mit dem Hinweis darauf, dass das Schreiben des S zu spät angekommen sei. Als S sich bei M am 28. 1. meldet, teilt ihm M mit, dass S sich zu spät gemeldet habe und dass das Gemälde sowieso für 22.000 EUR in den Katalog aufgenommen wird.

S ist mit dieser Vorgehensweise nicht einverstanden und verlangt Herausgabe des Gemäldes gegen Zahlung von 15.000 EUR.

Frage

Darf er das?

Beantworten Sie die Frage unter Nennung der Anspruchsgrundlage, der gesetzlichen Voraussetzungen von eventuell einschlägigen, naheliegenden Rechtsinstituten, auch wenn diese nicht erfüllt sind und deshalb am Ende auf das Ergebnis keinen Einfluss haben. Gehen Sie stets systematisch, entsprechend dem in der Lehrveranstaltung behandelten Prüfungsaufbau vor und erklären Sie Ihre Vorgehensweise. Begründen Sie Ihre Antwort auf die Frage.


Lösung

Es ist zu prüfen, ob S einen Anspruch auf Herausgabe und auf Übereignung des Bildes gegen H hat. Dieser Anspruch kann sich aus § 433 Abs. 1 BGB ergeben.

Diesen Anspruch hat S erworben, wenn zwischen ihm (S) und dem H ein Vertrag i. S. d. § 433 BGB besteht, d. h.:
  • wenn S und H einen Vertrag abgeschlossen haben,
  • dieser Vertrag ist ein Kaufvertrag über das Gemälde,
  • der Vertrag ist auch wirksam.

A. Vertragsschluss
Zunächst ist zu prüfen, ob der Vertrag geschlossen wurde. Dies ist dann der Fall, wenn gem. §§ 145 ff. BGB:
  • auf der einen Seite ein Angebot vorliegt,
  • die andere Partei das Angebot angenommen hat,
  • Angebot war bei Annahme annahmefähig,
  • die Erklärungen (Angebot und Annahme) stimmen miteinander überein.

1. Angebot
Angebot ist:
    • eine Willenserklärung mit Inhalt Angebot,
    • sie wurde abgegeben und
    • ist dem Adressaten (Vertragspartner) zugegangen (empfangsbedürftige Willenserklärung, § 130 BGB.

a. Willenserklärung mit Inhalt Angebot
Erklärung M gegenüber S - WE (+), dass Bild verkauft werden soll bzw. gekauft werden kann.
(+)

b. Abgabe
Erklärung aber nicht seitens H abgegeben!
Zurechnung des Handelns von M? Möglich gem. § 164 BGB, wenn:
      • eigene Willenserklärung des M,
      • im fremden Namen,
      • dem Vertragspartner gegenüber offengelegt

M ist bei H dafür angestellt, Gemälde zu verkaufen. Konkrete Verträge werden seitens H wohl nicht vorgegeben, M gibt also in der Regel eigene Erklärungen für H ab. In diesem Fall wollte M auch nicht selbst verkaufen, sondern ein Gemälde des H. Er handelte also auch im fremden Namen. Ein Mitarbeiter eines Händlers handelt auch für Dritte in der Regel erkennbar für Dritten - seinen Arbeitgeber. Im Sachverhalt fehlen Indizien dafür, dass sich M nicht als Mitarbeiter des H ausgegeben hat. Vielmehr verwies M den S auf H als möglichen Adressaten einer Rückantwort.

Die Erklärungen des M können dem H zugerechnet werden
Abgabe (+)

c. Zugang
Die Information hat den S erreicht, er sollte bis zum 20. 1. antworten und tat dies auch, also Zugang (+).

d. Zwischenergebnis
Angebot seitens H, abgegeben durch M (+)

2. Annahme
Annahme ist auch:
    • eine Willenserklärung mit dem richtigen Inhalt (= Annahme),
    • Abgabe
    • Zugang

S schreibt am 15. 1. einen Brief = Annahmeerklärung (+)
Abgabe = Versendung des Briefes (+)
Zugang?
Problem, dass der Brief nicht dem H oder M (Vertreter, s. o.) gegeben wurde, sondern einer Mitarbeiterin, die nicht für den Abschluss von Verträgen zuständig war. Wenn R = Vertreter, dann mit Abgabe des Briefes bei ihr ist Zugang erfolgt. Wenn nicht, dann erst mit der Weiterreichen des Briefes an M oder H. R ist nicht dazu berufen, Erklärungen abzugeben oder zu empfangen. Sie soll nur faktische Handlungen vornehmen. Sie kann allenfalls Bote sein. Zugang nicht mit Abgabe des Briefes bei ihr am 16. 1..
Aber R gibt den Brief schließlich bei M (am 22. 1.) ab. Damit Zugang (+).

Annahme (+)

3. Annahmefähigkeit
Problem: Der Brief des S ist M erst am 22. 1. zugegangen - Annahmefrist?

a. Frist eingehalten?
Gem § 148 BGB gilt die gesetzte Frist. Wenn keine Frist gesetzt, dann gilt § 147 BGB. M hat dem S eine Frist bis zum 20. 1. gesetzt. Diese wurde nicht eingehalten, denn der Brief ist am 22. 1. zugegangen.

b. Verspätung unbeachtlich?
Aber: § 149 BGB! Danach ist die Verspätung unbeachtlich und Annahme gilt als rechtzeitig, wenn:
      • Annahme rechtzeitig abgegeben,
      • für Adressaten erkennbar,
      • Antragender meldet nicht unverzüglich, dass verspätet.
Hier meint M, dass Brief zu spät, obwohl Brief auf 15. 1. datiert. Er meldet nichts an S = Verspätung gem. § 149 BGB unbeachtlich!

Annahmefähigkeit (+)

4. Übereinstimmung
(+) - Gemälde und Preis waren ausgehandelt und stimmen in den Erklärungen von M und S überein. Dass H den Preis später ändert, wurde nicht erklärt und hat keinen Einfluss.

5. Zwischenergebnis zu Vertragsschluss
Vertrag geschlossen (+)

B. Vertragsinhalt
Gemälde des P ist Gegenstand des Vertrages, der auch ein Kaufvertrag ist. S kann sich auf diesen Vertrag berufen, Inhalt (+)

C. Wirksamkeit
Mögliche Probleme:
  • Vertretungsmacht, § 177 Abs. 1 BGB,
  • Anfechtung durch H?

1. Vertretungsmacht
Vertrag bindet H Nicht, wenn M ohne Vertretungsmacht handelte. M war für den Verkauf zuständig, hatte grundsätzlich Vertretungsmacht in Bezug auf Verkäufe. Auch, wenn in Bezug auf die verkauften Gemälde er eine Vorgabe hinsichtlich Preise haben könnte, war die Vorgabe beim Anbieten des Bildes dem S 15.000 EUR. So handelte M auch. Vertretungsmacht war also vorhanden und nicht überschritten.

2. Anfechtung
H will das Gemälde nur für 22.000 EUR verkaufen. Anfechtung ist nur möglich, wenn M einem Willensmangel unterlag (§ 166 BGB). M kann nur darüber irren, was für ein Preis im Ergebnis für das Gemälde gelten soll. Bei der Erklärung gegenüber S irrt er aber weder über Inhalt der Erklärung (§ 119 Abs. 1 BGB) noch ist hier ein Übermittlungsirrtum gegeben (§ 120 BGB). Auch ein Eigenschaftsirrtum (Preis oder Wert des Bildes haften nicht der Sache an!) ist nicht gegeben.
Anfechtung ist ausgeschlossen.

Wirksamkeit (+)

Vertrag gegeben => Anspruch (+).

S kann von H verlangen, dass dieser ihm das Gemälde herausgibt und das Eigentum an diesem verschafft.
Diese Seite wurde noch nicht kommentiert.
Valid XHTML   |   Valid CSS:   |   Powered by WikkaWiki