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Fall: Delphinschonender Thunfischfang


A. Sachverhalt
Im Jahre 1988 führen die USA eine Regelung ein, welche auf der einen Seite den Fang von Thunfisch auf eine Art und Weise verbietet, die Delphine gefährden könnte (z. B. mit Hilfe von frei schwimmenden Netzen). Auf der anderen Seite verbietet die Regelung zugleich die Einfuhr von Thunfisch, der mit den in den USA verbotenen Methoden gefangen wurde.

Da Mexico keine delphinschonenden Fangmethoden fordert, verhängen die USA auf der Grundlage der o. g. Regelung Importverbot explizit für Mexico.

Die mexikanische Regierung protestiert und behauptet, dass das Importverbot in den USA einen Verstoß gegen Vorschriften des GATT darstellt.

B. Frage
Wie ist die Rechtslage?


C. Musterlösung
Die Regelung der USA könnte einen Verstoß gegen das GATT darstellen. Dies setzt voraus, dass das GATT anwendbar ist, eines der Grundprinzipien verletzt wurde und keine Rechtfertigung vorliegt.

1. Anwendbarkeit des GATT
Die Anwendbarkeit des GATT setzt zunächst voraus, dass beide Staaten Vertragsstaaten des GATT sind. Da beide betroffenen Staaten dem GATT angehören, ist das GATT anwendbar.

2. Verletzung eines der Grundprinzipien des GATT
Das GATT statuiert folgende Grundprinzipien:
- das Meistbegünstigungsprinzip,
- das Diskriminierungsverbot,
- den Abbau von Zöllen,
- die Einschränkungen von Subventionen und
- das Verbot mengenmäßiger Beschränkungen.
In Betracht kommen zum einen ein Verstoß gegen Art. III GATT; zum anderen könnte ein Verstoß gegen Art. XI vorliegen.

a. Verstoß gegen Art. III GATT
Für einen Verstoß gegen Art. III GATT müssten folgende Voraussetzungen erfüllt sein: der Anwendungsbereich des Art. III GATT muss eröffnet sein, eine Diskriminierung liegt vor, die protektionistische Wirkung hat.

Der Anwendungsbereich des Art. III GATT ist eröffnet, wenn - in persönlicher Hinsicht - die Staaten Mitglieder der WTO sind, was bereits oben bejaht wurde, und wenn die Sachen in ein anderes Land verbracht und dort zum Markt zugelassen wurden. Die Waren, die hier betroffen sind, sind noch nicht zum Markt zugelassen, weil sie erst gar nicht eingeführt werden dürfen.

Darüber hinaus wird der Anwendungsbereich des Art. III GATT in den Fällen verneint, in welchen rein "produktionsmethodenbezogene Merkmale" von Produkten das Unterscheidungskriterium sind.

Damit kommt die Anwendung des Art. III GATT nicht in Betracht.

b. Verstoß gegen Art. XI GATT
Ein Verstoß gegen das Verbot mengenmäßiger Beschränkungen ist gegeben, wenn eine Beschränkung i.S.d. Art. XI:1 GATT vorliegt und keine Ausnahmen bestehen.

Beschränkung
Für eine Beschränkung i.S.d. Art. XI:1 GATT müssen folgende drei Voraussetzungen erfüllt sein: eine nichttarifäre Beschränkung der Ein- oder Ausfuhr liegt vor, die den Marktzugang verhindert, wobei sie dem Staat zuzurechnen ist.

Nichttarifäre Beschränkungen sind Kontingente, Ein- und Ausfuhrlizenzen, Import- und Exportverbote oder andere Maßnahmen. Im vorliegenden Fall haben die USA ein Importverbot verhängt, mit dem eine nichttarifäre Beschränkung gegeben ist. Der Marktzugang wird formal durch eine Einfuhrregelung der USA verhindert. Diese ist dem Staat - den USA - zuzurechnen. Somit liegt eine Beschränkung i.S.d. Art. XI:1 GATT vor.

Ausnahmen
Zu prüfen ist, ob keine Ausnahmen von Art. XI:1 GATT vorliegen, insbesondere solche nach Art. XI:2 GATT. Eine Ausnahme liegt vor, wenn besondere Anforderungen an die Ausnahmeregelung sowie die allgemeinen Anforderungen gegeben sind, insbesondere Art. XIII GATT beachtet wurde.

In Betracht kommt im vorliegenden Fall die Anwendung der Regelung zum Schutz von Landwirtschaft und Fischerei gem. Art. XI:2 c) GATT. Das Importverbot dient hier allerdings nicht dem Schutz der inländischen Landwirtschaft oder Fischerei, weil damit ausschließlich der Bestand von Delphinen geschützt sein kann. Die Fischerei in den USA wäre u. U. nur dann geschützt, wenn allgemein Importe von Fischereiprodukten verboten oder eingeschränkt worden wären. Ein anderer Fall aus dem Ausnahmenkatalog des Art. XI:2 GATT kommt nicht in Betracht.

Damit sind bereits die besonderen Anforderungen an eine Ausnahme nicht erfüllt, so dass eine Ausnahmeregelung insgesamt nicht in Betracht kommt.

Zwischenergebnis
Somit ist das Grundprinzip aus Art. XI GATT verletzt.

3. Rechtfertigung
Ein Verstoß gegen das GATT ist nur dann gegeben, wenn keine Rechtfertigung für die an sich die GATT-Prinzipien verletzende Maßnahme gegeben ist. Eine Rechtfertigung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn eine zulässige Schutzmaßnahme nach Art. VI GATT vorliegt, wenn ein Rechtfertigungstatbestand des Art. XX GATT gegeben ist, wenn die Maßnahme unter die Sonderregelungen für Entwicklungsländer fällt oder wenn eine Ausnahmegenehmigung (sog. "Waiver") für den Einzelfall eingeräumt wurde.

In Betracht kommt hier eine Rechtfertigung nach Art. XX GATT.

Eine nach Art. XX GATT gerechtfertigte Maßnahme liegt dann vor, wenn ein Fall des Art. XX GATT gegeben ist, die darauf aufbauende Maßnahme keine verschleierte Beschränkung oder willkürliche Ungleichbehandlung darstellt und zwischen dem Mitgliedstaat sowie dem Schutzgut aus Art. XX GATT eine hinreichende Verbindung besteht.

Tatbestand des Art. XX GATT
In Betracht eine Rechtfertigung aus Gründen des Lebens-, Gesundheits-, Tier- und Pflanzenschutzes gem. Art. XX b) GATT. Dafür wäre notwendig, dass die Maßnahme dem Schutz i.S.d. Vorschrift dient und dazu notwendig ist. Die Maßnahme der USA dient dem Schutz der Tiere (Delphine), weil durch diese Maßnahme das Angebot an mit delphinschädlichen Netzen gefangenem Thunfisch verringert wird und damit weniger Delphine verenden.

Ferner ist Rechtfertigung gem. Art. XX g) GATT möglich. Demnach liegt eine Rechtfertigung vor, wenn die von den USA vorgenommene Maßnahme zur Erhaltung erschöpflicher Naturschätze dient und die Maßnahme im Zusammenhang mit dem Verbrauch oder Produktion auf dem eigenen Markt (hier: der USA) steht. Mit der Beschränkung des Imports von delphinschädlich gefangenem Thunfisch wird zur Erhaltung des Delphinenbestands beigetragen. Delphine kommen in einer begrenzten Anzahl vor und gehören damit zu erschöpflichen Naturschätzen. Aufgrund der Importbeschränkung wird der Konsum von delphinschädlich gefangenem Thunfisch in den USA ausgeschlossen, damit steigt die Nachfrage nach delphinschonend gefangenem Thunfisch, womit das Konsumverhalten in den USA betroffen ist.

Verschleierte Beschränkung bzw. willkürliche Ungleichbehandlung
Eine Rechtfertigung der Maßnahme gem. Art. XX GATT ist nur dann möglich, wenn die Maßnahme - obwohl sie an sich zu einem legitimen Zweck erfolgt - keine verschleierte Beschränkung des Handels bzw. willkürliche Ungleichbehandlung darstellt. Im Sachverhalt sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass das Importverbot auch Wirkungen entfalten würde, die unabhängig vom Schutzziel der Maßnahme den Handel beeinträchtigen würden - es ist insbesondere nicht erkennbar, dass ausländische Fischereiprodukte (hier: aus Mexiko) schlechter behandelt werden, als die aus den USA. Damit ist eine Rechtfertigung nach Art. XX GATT möglich.

Bezug zu den USA
In der Praxis der WTO wird häufig noch eine weitere Voraussetzung des Art. XX GATT gefordert, die der exterritorialen Wirkung von handelsbeschränkenden Maßnahmen entgegenwirken soll. Dies wird teilweise mit der (nicht ausdrücklich in Art. XX GATT enthaltenen) Voraussetzung, dass die Maßnahme in erster Linie nur auf den Schutz der Schutzgüter aus Art. XX GATT ausgerichtet sein darf und nicht etwa Beeinflussung der Politik anderer Länder bezwecken soll. Teilweise wird es mit dem Merkmal der "Notwendigkeit" in den einzelnen Punkten des Art. XX GATT begründet - es sei nicht notwendig, Maßnahmen z. B. zum Umwelt- oder Artenschutz durch Druck auf andere Länder durchzusetzen, wenn andere Schutzmechanismen möglich sind.

Dem Wortlaut des Art. XX GATT nach ist eine Beschränkung der Maßnahme auf eigenes Hoheitsgebiet des jeweils handelnden Staates nicht zwingend, was insbesondere für Art. XX b) und g) GATT anerkannt ist. Demzufolge ist der Bezug zum Territorium der USA im vorliegenden Fall nicht erforderlich (*).
(*) andere Auffassung vertretbar


Damit ist die Maßnahme gem. Art. XX GATT gerechtfertigt.

4. Ergebnis
Insgesamt ist festzustellen, dass das Importverbot der USA das Verbot mengenmäßiger Beschränkungen aus Art. XI GATT verletzt zugleich aber nach Art. XX b) und g) GATT gerechtfertigt ist.








D. Lösungshinweise

1. Verstoß gegen Art. III GATT
Problem 1: Abgrenzung Art. III und XI - "gleichartige Waren" = Unterscheidung nach
- produktbezogenen Merkmalen und
- produktionsmethodenbezogenen Merkmalen.
Die unterschiedliche Behandlung im Hinblick auf die Letzteren (auch als prozess- und herstellungsbezogenen Merkmale genannt) falle gemäß der Praxis der Streitschlichtungsorgane der WTO nicht unter Art. III GATT.

2. Verstoß gegen Art. XI GATT
Dieser wäre ausführlich zu prüfen. Ein Verstoß hiergegen ist wohl zu bejahen.

3. Allgemeine Rechtfertigung
Problem 2: kann Art. XX herangezogen werden, wenn extraterritoriale Belange erhoben werden?


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