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Lösungsvorschlag Fall – Halloween mit Folgen



S könnte gegen F einen Anspruch aus den §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB zustehen.


I. Dazu müsste der Anspruch zunächst entstanden sein.

Die berechtigte GoA setzt voraus, dass jemand ein Geschäft für einen anderen besorgt, ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein und dass zudem einer der in den § 677 ff. BGB benannten Berechtigungsgründe vorliegt.

1. Es müsste zunächst eine Geschäftsbesorgung vorliegen. Der Begriff der Geschäftsbesorgung ist im weiteren Sinne zu verstehen und umfasst demnach alle Tätigkeiten des handelnden Geschäftsführers, und zwar sowohl rechtsgeschäftlicher als auch rein tatsächlicher Art.
S zieht F aus der Seitenstraße und bringt sie in ein 5 km entferntes Krankenhaus. Dies stellt eine tatsächliche Art der Geschäftsbesorgung dar. Somit liegt eine Geschäftsbesorgung nach § 677 BGB vor.


2. Des Weiteren muss diese Geschäftsbesorgung für einen anderen erfolgt sein. Eine Tätigkeit für einen anderen liegt vor, wenn das Bewusstsein und der Wille vorhanden sind, ein fremdes Geschäft zu besorgen, wozu konkret erforderlich ist, dass das ausgeführte Geschäft einem fremden Rechts- und Interessenbereich zuzuordnen ist (Fremdgeschäftsführungswille).

Das Vorliegen eines Fremdgeschäftsführungswillens könnte hier jedoch fraglich sein. Nach § 323c StGB hat S eine rechtliche Pflicht, der F zu helfen. Würde S nicht einschreiten, wäre er unter Umständen einer Strafverfolgung wegen Verletzung des § 323c StGB ausgesetzt. S erfüllt also mit der Rettungsaktion zugunsten der F auch eine ihm obliegende allgemeine öffentlich-rechtliche Pflicht.
Die h.M. spricht in solchen Fällen von einem „auch fremden Geschäft“, welches ebenso ausreicht, um einen Fremdgeschäftsführungswillen des Geschäftsführers zu vermuten bzw. zu bejahen.
Die Tatsache, dass der Geschäftsführer neben dem fremden Geschäft gleichzeitig auch eine Angelegenheit im eigenen Interesse besorgt, lässt den Fremdgeschäftsführungswillen grundsätzlich nicht entfallen. Mithin handelt S mit Fremdgeschäftsführungswillen, als er die S in sein Auto trug.

3. Für einen echte berechtigte GoA ist ebenso erforderlich, dass zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherrn weder ein Auftrags- noch ein sonstiges Rechtsverhältnis besteht, aus dem die Berechtigung zur Ausführung des Geschäfts resultiert.
Hier liegt keine vertragliche Berechtigung zwischen S und F vor, die oben genannte Handlungspflicht aus § 323c StGB begründet kein „sonstiges Verhältnis“ im Sinne einer anderweitigen Berechtigung nach § 677 BGB.
Folglich bestand weder ein Auftragsverhältnis noch ein sonstiger Berechtigungsgrund im Sinne des § 677 BGB.


4. Schließlich muss der Geschäftsführer zur Führung des Geschäfts berechtigt, also außerhalb der beiden eben aus § 677 BGB genannten Gründe befugt gewesen sein.
Dies kommt in Betracht,
wenn entweder gem. § 683 S.1 BGB die Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht
oder wenn gem. §§ 683 S. 2, 679 BGB die Geschäftsführung zwar dem Willen des Geschäftsherrn widerspricht, aber entweder der Erfüllung einer ihm obliegenden öffentlichen Pflicht oder einer gesetzlichen Unterhaltspflicht dient
oder wenn der Geschäftsherr gem. § 684 S. 2 BGB seine Genehmigung erteilt.

Im vorliegenden Fall kommt mangels Genehmigung seitens der F und nicht erkennbarer öffentlicher oder unterhaltsrechtlicher Pflicht nur § 683 S. 1 BGB in Betracht.
Die Rettung muss also dem objektiven Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen der F entsprochen haben.


a. Nun stellt sich die Frage, ob die vorliegende Art der Rettung der F deren Interesse entsprach.
Die Übernahme der Geschäftsführung ist im Interesse des Geschäftsherrn, wenn sie objektiv nützlich, also sachlich vorteilhalft ist.
Die Rettung einer bewusstlosen und stark am Kopf blutenden Verletzten, die nachts in einer Seitengasse liegt, ist objektiv in jedem Falle nützlich. Durch die Rettung wird die Wahrscheinlichkeit verringert, dass F über einen möglicherweise längeren Zeitraum mit ihren Verletzungen unbehandelt bleibt. Weiterhin wird durch die Hilfe des S das Risiko weitere Schäden davon zu tragen, vermindert. Folglich entspricht die Rettung dem Interesse des Geschäftsherrn.


b. Weiterhin müsste die Rettung dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des F entsprochen haben.
Die Besorgung des fremden Geschäfts entspricht dann dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn, wenn er bei objektiver Beurteilung aller Umstände der Geschäftsführung zugestimmt hätte.
Laut Sachverhalt lag F nachts schwer verletzt in einer Seitenstraße. Angesichts dieser Umstände kann davon ausgegangen werden, dass die Geschäftsführung dem mutmaßlichen Willen der F entsprach. Es ist nicht anzunehmen, dass F - wäre sie bei Bewusstsein gewesen - ihre Zustimmung, sie in das nahegelegene Krankenhaus zu bringen, verweigert hätte.
Somit entsprach die Geschäftsführung auch dem mutmaßlichen Willen der F.


Mithin liegen alle Tatbestandsvoraussetzungen einer echten berechtigten GoA nach den §§ 677 ff. BGB vor.


Gemäß § 683 S. 1 BGB kann der Geschäftsführer nun wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen.


1. Der Beauftragte kann gem. § 670 BGB Ersatz für diejenigen Aufwendungen verlangen, die er nach den Umständen für erforderlich halten durfte. S verlangt von F die Erstattung der Reinigungskosten für die blutverschmierten Rücksitze in Höhe von 500 Euro. Gem. § 683 S.1, 670 BGB kann jedoch nur Ersatz für Aufwendungen, also freiwillige Vermögensopfer des Geschäftsführers, verlangt werden. Unfreiwillige Vermögensopfer (Schäden) fallen nicht unter diesen Ersatzanspruch und müssen vom Geschäftsherrn selbst getragen werden.
Angesichts dessen dürfte S im vorliegenden Fall keine Ansprüche haben, denn die verschmutzen Rücksitze stellen unfreiwillige Vermögensopfer dar.


Allerdings gilt diese Regel nicht uneingeschränkt. Es wäre nicht sachgerecht, wenn Schäden, die aufgrund der Übernahme einer im Rahmen der §§ 677 ff. BGB liegenden, unter Umständen gefährlichen Tätigkeit entstehen, alleine vom Geschäftsführer getragen werden müssten, obwohl im Interesse des Geschäftsherrn gehandelt wurde.
Der Geschäftsführer hat deshalb gegen den Geschäftsherrn aus analoger Anwendung der §§ 683 S. 1, 670 BGB auch einen Anspruch auf Ersatz der Schäden, die als Folge der typischen und erkennbaren Gefahrenlage der Geschäftsbesorgung aufgetreten sind.
Es muss sich dabei aber ein über das allgemeine Lebensrisiko hinausgehendes tätigkeitsspezifisches Risiko verwirklicht haben.


2. Fraglich ist, ob in diesem Fall ein tätigkeitsspezifisches Risiko vorliegt.
Wenn man eine stark am Kopf blutende Verletzte in sein Auto lädt, um sie zum nächsten Krankenhaus zu bringen, liegt es innerhalb der Ausführung dieser Tätigkeit, dass das Blut die Sitze verschmutzen kann. In diesem Schaden verwirklicht sich das tätigkeitsspezifische Risiko eines solchen Rettungseinsatzes. Und das hat zur Folge, dass der Geschäftsherr insoweit auch grundsätzlich ersatzpflichtig ist in analoger Anwendung der §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB.


Somit ist der Anspruch entstanden.


II. Der Anspruch ist nicht untergegangen.

III. Er ist auch durchsetzbar.


IV. F muss gem. §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB analog Ersatz für die Reinigung der Rücksitze in Höhe von 500 Euro leisten.



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