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Fallbeispiel Energierecht

Unbundling

A. Sachverhalt
Das französische Unternehmen EF S.A. (EF) hat bereits mehrere Kraftwerke in Deutschland in Baden-Württemberg übernommen. Die Aktiva und das Management von E in Deutschland werden in der EF-DE GmbH zusammengefasst (ED) und von dieser betrieben. Im Jahre 2011 übernimmt die ED auch mehrere Netze in der Region, in welcher sie auch ihre Kraftwerke betreibt. Auf diese Weise kontrolliert ED nun die komplette Versorgung von ca. 300.000 Haushalts- und Industriekunden auf dem Gebiet der Bundesländer Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.

Mit den neuesten Übernahmen sieht sich die ED gezwungen, den Netzbetrieb von der Erzeugungstätigkeit zu trennen. Deshalb wird aus der ED die EF-DE-Netz GmbH ausgegliedert (EDN), welche mit sofortiger Wirkung für den Betrieb aller Netze des Konzerns in Deutschland verantwortlich zeichnet. Die EDN übernimmt das Eigentum an den Netzen und übernimmt alle Aufgaben im Netzbetrieb auf eigene Rechnung durch. Die Ausgliederung ist mit folgenden organisatorischen Maßnahmen verbunden:
  • die Finanzen beider Gesellschaften werden noch vor der Ausgliederung vollkommen getrennt,
  • die Netzwartung wird im Auftrag und in Verantwortung der EDN durch eine Abteilung "Service" der ED abgewickelt,
  • der neue Geschäftsführer der EDN erhält einen Vertrag, in dem klar geregelt ist, dass er ausschließlich und allein für den Erfolg des Netzbetriebes verantwortlich ist; die parallel zum Geschäftsführervertrag unterzeichnete Zielvereinbarung sieht vor, dass er für die Gewinnung von Netzkunden und für effizienten Netzbetrieb einen jährlichen Bonus in genauer bestimmter Höhe erhält; im Übrigen bleibt er Leiter der Abteilung "Beteiligungen" in der ED,
  • die Abteilungen "Erzeugung" und "Vertrieb" bleiben im Unternehmen ED vereint und bereiten gemeinsam eine Vertriebsoffensive im Bereich Groß- und Einzelhandel mit Strom in Deutschland.

Frage 1 (70 %):
Ist die Organisation im Konzern (ED und EDN) mit deutschem Recht vereinbar?
Bitte prüfen Sie alle im Sachverhalt erwähnten Aspekte auf ihre Rechtmäßigkeit!

B. Teil 2
Die Landesregulierungsbehörde in Baden-Württemberg hält die Struktur im Konzern der EF für rechtswidrig und erlässt gem. § 65 Abs. 2 EnWG eine Anordnung zur ordnungsgemäßen Trennung der unterschiedlichen Tätigkeiten im Bereich der Energieversorgung entsprechend den Vorgaben des EnWG.
Frage 2 (30 %):
Ist das Vorgehen der Regulierungsbehörde rechtmäßig?


C. Lösung zur 1. Frage: Vereinbarkeit mit deutschen Recht, insb. Verstoß gegen Unbundling
Die Organisation im Konzern (ED und EDN) könnte mit deutschem Recht vereinbar sein. Dies ist dann der Fall, wenn nicht gegen die Entflechtungsvorschriften in §§ 6 ff. EnWG verstoßen wurde.

1. Verstoß gegen buchhalterisches Unbundling
Der Konzern könnte im konkreten Fall gegen das buchhalterische Unbundling gem. § 6 a, b EnWG verstoßen haben. Dies ist dann der Fall, wenn:
    • § 6a b EnWG anwendbar sind
    • Vorgaben nach § 6b EnWG nicht erfüllt wurden

a. § 6a, b EnWG anwendbar?
Im vorliegenden Fall könnten die Vorschriften über das buchhalterische Unbundling für den Konzern anwendbar sein. Hiervon ist dann auszugehen, wenn es sich bei ED und EDN um einen integrierten Verteilnetzbetreiber handelt.
Im konkreten Fall könnte es sich um einen integrierten Verteilnetzbetreiber handeln. Dies ist dann der Fall, wenn ED ein vertikal, integriertes Energieversorgungsunternehmen nach § 3 Nr. 38 EnWG ist und dieses einen Verteilnetzbetreiber in seiner Struktur hat.
Im konkreten Fall könnte ED ein vertikal, integriertes Energieversorgungsunternehmen i. S. v. § 3 Nr. 38 EnWG sein. Dies ist dann der Fall, wenn es sich hierbei um ein Unternehmen handelt, welches in einem Tätigkeitsbereich nach § 3 Nr. 38 EnWG tätig ist. Nach dem Sachverhalt handelt es sich um die ED-GmbH. Des weiteren könnte die ED- GmbH im vorliegenden Fall in einem Tätigkeitsbereich nach § 3 Nr. 38 EnWG tätig sein. Dies ist dann der Fall, wenn diese im Elektrizitätsbereich entweder die Funktion der Übertragung oder Verteilung und die Erzeugung oder den Vertrieb wahrnimmt.
Die ED übernimmt im Jahr 2011 auch mehrere Netze in der Region, in welcher sie auch ihre Kraftwerke betreibt. ED versorgt Haushalts- und Industriekunden.
Demzufolge sind die Vorschriften über das buchhalterische Unbundling gem. § 6a,b EnWG anzuwenden.

b. Vorgaben nach § 6b EnWG erfüllt?
Des Weiteren könnte der Konzern die Vorgaben an das buchhalterische Unbundling gem. § 6b EnWG erfüllen. Dies ist dann der Fall, wenn diese einen Jahresabschluss entsprechend den Vorschriften für die Kapitalgesellschaften aufstellen, die Konten gem. § 6b Abs. 3 EnWG getrennt geführt werden, der Jahresabschluss die Anforderungen der qualifizierten Abschlussprüfung nach § 6b Abs. 5-7 EnWG erfüllt, sonstige Anforderungen der Regulierungsbehörde im Hinblick auf das buchhalterische Unbundling erfüllt werden und die Prüfungsfrist gem. § 6b Abs. 4 EnWG beachtet wurde.
Die Finanzen beider Gesellschaften werden noch vor der Ausgliederung komplett getrennt.
Demzufolge wurden die Vorgaben nach § 6b EnWG vom Konzern hinsichtlich des buchhalterischen Unbundlings erfüllt.

Zwischenergebnis: Es liegt kein Verstoß gegen das buchhalterische Unbundling gem. §§ 6a, b EnWG vor.

2. Verstoß gegen das informationelles Unbundling
Des Weiteren könnte der Konzern im vorliegenden Fall gegen das informationelle Unbundling gem. § 6a, b EnWG verstoßen haben. Dies ist dann der Fall, wenn:
    • §§ 6a, b EnWG anwendbar sind
    • Vorgaben nach § 6a EnWG nicht erfüllt sind

a. Anwendbarkeit von § 6a, b EnWG
Hinsichtlich der Anwendbarkeit kann an dieser Stelle nach oben verwiesen werden.

b. Vorgaben nach § 6a EnWG erfüllt
Im konkreten Fall könnte der Konzern durch seine Maßnahmen die Vorgaben für die informationelle Entflechtung gem. § 6a EnWG erfüllen. Dies ist dann der Fall, wenn keine wirtschaftlichen, sensiblen Informationen weitergegeben werden und die Offenlegung von Netzinformationen diskriminierungsfrei erfolgt.
Im Sachverhalt sind keine Anhaltspunkte für einen Verstoß ersichtlich, sofern zwischen den Gesellschaften keine Informationen i.S.d. § 6a EnWG fließen.

Zwischenergebnis: Seitens ED liegt kein Verstoß gegen das informationelle Unbundling gem. §§ 6a, b EnWG vor.


3. Verstoß gegen rechtliches Unbundling nach § 7 EnWG
Des Weiteren könnte ED gegen das rechtliche Unbundling verstoßen haben. Dies ist dann der Fall, wenn § 7, 7a EnWG anwendbar sind und der Netzbetrieb nicht rechtlich selbstständig ist.
In diesem Fall könnten die Regelungen der §§ 7, 7a EnWG für ED anwendbar sein. Dies ist dann der Fall, wenn ED ein vertikal integriertes Energieversorgungsunternehmen i. S. d. § 3 Nr. 38 EnWG ist und mehr als 100.000 Kunden gem. § 7 Abs. 2 EnWG an das Netz angeschlossen sind. Wie bereits oben geprüft, handelt es sich bei ED um ein vertikal integriertes Energieversorgungsunternehmen, welches nach dem Sachverhalt 300.000 Kunden versorgt.

Der Netzbetrieb wurde aber in die EDN ausgegliedert und von der Erzeugungstätigkeit in der ED gesellschaftsrechtlich getrennt. Insofern ist die Vorgabe des § 7 EnWG erfüllt.

Zwischenergebnis: Kein Verstoß gegen rechtliches Unbundling seitens ED gegeben.


4. Verstoß gegen organisatorisches Unbundling nach § 7a EnWG
Weiterhin könnte ED gegen das organisatorische Unbundling gem. § 7a EnWG verstoßen haben. Dies ist dann der Fall, wenn:
    • § 7a EnWG anwendbar ist
    • Vorgaben des § 7a EnWG nicht erfüllt wurden.

a. § 7;7a EnWG anwendbar
Die Anwendbarkeit der §§ 7 und 7a EnWG bereits oben bejaht.

b. Vorgaben des § 7a EnWG
ED könnte gegen die Vorgaben des § 7a EnWG verstoßen haben. ED ist gem. § 7a EnWG verpflichtet, die personellen Anforderungen nach § 7a Abs. 2 EnWG zu erfüllen, die Leitung des Netzbereichs beruflich unabhängig zu machen, deren Entscheidungsbefugnisse zu sichern, ein Gleichstellungsprogramm umzusetzen und einige weitere organisatorische Maßnahmen durchzuführen.
Im Sachverhalt wird erwähnt, dass die Netzwartung im Auftrag und in Verantwortung der EDN durch die Abteilung "Service" der ED abgewickelt wird. Dass die Dienstleistung in der Muttergesellschaft eingekauft wird, ist allerdings unproblematisch, sofern die Verantwortung bei der EDN verbleibt.

Problematisch könnte jedoch sein, ob die personellen Anforderungen nach § 7a Abs. 2 EnWG im vorliegenden Fall erfüllt wurden. Dies ist dann der Fall, wenn eine Person mit Leitungsaufgaben betraut ist oder Letztentscheidungsbefugnisse besitzt, die für die Gewährleistung eines diskriminierungsfreien Netzbetriebs entscheidend sind usw., sie aber in irgendeiner Form von den Strukturen der anderen Konzernbereiche abhängig ist.
Der neue Geschäftsführer der EDN erhält einen Vertrag, in dem klar geregelt ist, dass er ausschließlich und allein für den Erfolg des Netzbetriebes verantwortlich ist; die parallel zum Geschäftsführervertrag unterzeichnete Zielvereinbarung sieht vor, dass er für die Gewinnung von Netzkunden und für effizienten Netzbetrieb einen jährlichen Bonus in genauer bestimmter Höhe erhält. Dies ist aus Sicht des § 7 Abs. 2 EnWG korrekt.
Im Übrigen bleibt er allerdings Leiter der Abteilung "Beteiligungen" in der ED. Dies bedeutet keine klare Trennung der Funktionen in der Leitung des Netzbetreibers von denen im übrigen Teil des vertikal integrierten Unternehmens. Demzufolge sind die personellen Anforderungen nach § 7a Abs. 2 EnWG nicht erfüllt. Folglich sind die Vorgaben von § 7a EnWG nicht hinreichend umgesetzt.

Zwischenergebnis: Es liegt seitens ED ein Verstoß gegen das organisatorische Unbundling gem. §§ 7, 7a EnWG vor.

Ergebnis zu 1: Die Organisation des Konzerns ist mit dem EnWG nicht vereinbar.


D. Lösung zur 2. Frage: Rechtmäßigkeit des Vorgehens
Das Vorgehen der Behörde könnte rechtmäßig sein. Dies ist dann der Fall, wenn:

  • eine Ermächtigungsgrundlage vorliegt
  • formelle Rechtmäßigkeit ist gegeben
  • materielle Rechtmäßigkeit ist gegeben

1. Ermächtigungsgrundlage
Im konkreten Fall könnte § 65 Abs. 2 EnWG für das Vorgehen der Behörde als Ermächtigungsgrundlage in Betracht kommen. Dies ist dann der Fall, wenn die Behörde Maßnahmen zur Einhaltung der Verpflichtungen anordnet.
Die Behörde erlässt gem. dem Sachverhalt eine Anordnung zur ordnungsgemäßen Trennung der unterschiedlichen Tätigkeiten im Bereich der Energieversorgung entspr. den Vorgaben des EnWG.
Demzufolge bildet § 65 Abs. 2 EnWG die Ermächtigungsgrundlage für das Handeln der Behörde.

2. formelle Rechtmäßigkeit
Weiterhin könnte das Vorgehen der Behörde formell rechtmäßig sein. Dies ist dann der Fall, wenn die zuständige Behörde nach § 54 EnWG gehandelt hat und die Vorschriften für das Verfahren, wie auch für die Form beachtet wurden.
Im konkreten Fall könnte die Landesregulierungsbehörde gem. § 54 Abs. 2 EnWG zuständig sein. Dies ist dann der Fall, wenn einer der in den Punkten 1-9 genannten Bereiche betroffen ist, nicht mehr als 100.000 Kunden an das Netz von ED angeschlossen sind, das Netz nicht über ein Bundesland hinuasreicht und innerhalb der Landesgrenzen sich befindet.
Laut Sachverhalt rügt die Landesregulierungsbehörde eine Verstoß gegen das Unbundling, indem diese eine ordnungsgemäße Trennung der verschiedenen Tätigkeiten anordnet.
Fraglich könnte sein, ob an das Netz der ED weniger als 100.000 Kunden angeschlossen sind.
Nach dem Sachverhalt sind 300.000 Haushalts-und Industriekunden angseschlossen.

Ergänzung:
Ein zweites Problem für die Zuständigkeit der Landesregulierungsbehörde könnte sich bei der Frage ergeben, ob das Netz innerhalb einer Bundeslandgrenze betrieben wird. Nach dem Sachverhalt werden Netze in Baden-Württenberg und Reihnland-Pfalz betrieben. Somit scheitert die Zuständigkeit der Landesregulierungsbehörde auch an diesem Punkt.

Demzufolge ist die Landesregulierungsbehörde nicht nach § 54 Abs. 2 EnWG zuständig. Somit ist das Vorgehen nicht formell rechtmäßig.

Ergebnis zu 2.: Das Vorgehen der Behörde ist nicht rechtmäßig



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