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Thüringer Bauordnung
[ThürBO]
Kommentar
Prof. Dr. Sven Müller-Grune




§ 66
Abweichungen



(1) Die Bauaufsichtsbehörde kann Abweichungen von Anforderungen dieses Gesetzes und aufgrund dieses Gesetzes erlassener Vorschriften zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des § 3 Abs. 1, vereinbar sind. § 3 Abs. 3 Satz 3 bleibt unberührt. Der gesonderten Zulassung einer Abweichung bedarf es nicht, soweit bautechnische Nachweise bauaufsichtlich geprüft werden.

(2) Die Zulassung von Abweichungen nach Absatz 1, von Ausnahmen und Befreiungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplans oder einer sonstigen städtebaulichen Satzung oder von Regelungen der Baunutzungsverordnung (BauNVO) in der Fassung vom 23. Januar 1990 (BGBl. I S. 132) in der jeweils geltenden Fassung ist gesondert schriftlich zu beantragen; der Antrag ist zu begründen. Für Anlagen, die keiner Genehmigung bedürfen, sowie für Abweichungen von Vorschriften, die im Genehmigungsverfahren nicht geprüft werden, gilt Satz 1 entsprechend.

(3) Über Abweichungen nach Absatz 1 Satz 1 von örtlichen Bauvorschriften sowie über Ausnahmen und Befreiungen nach Absatz 2 Satz 1 entscheidet bei verfahrensfreien Bauvorhaben die Gemeinde nach Maßgabe der Absätze 1 und 2. Im Übrigen lässt die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von örtlichen Bauvorschriften im Einvernehmen mit der Gemeinde zu; § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB gilt entsprechend.











Kommentierung






A. Normgeschichte







1. Historie







2. Gesetzesbegründung


§ 66 verzichtet auf die im Bauplanungsrecht (vgl. § 31 BauGB) noch übliche Unterscheidung zwischen Ausnahmen und Befreiungen und fasst sie in einer einheitlichen, mit Ausnahme der eingeführten Technischen Baubestimmungen, alle bauordnungsrechtlichen Anforderungen übergreifenden Regelung zusammen. Dabei geht die Regelung davon aus, dass Vorschriften des Bauordnungsrechts bestimmte namentlich in den Regelungen des Brandschutzes verstärkt verdeutlichte Schutzziele verfolgen und zur Erreichung dieser Schutzziele einen - aber auch nur einen Weg von mehreren möglichen - Weg weisen. Ziel der Abweichungsregelung ist, die Erreichung des jeweiligen Schutzziels der Norm in den Vordergrund zu rücken und insbesondere ohne das Erfordernis eines atypischen Einzelfalls auf diese Weise das materielle Bauordnungsrecht zu flexibilisieren.

Absatz 1 Satz 1 legt demzufolge den Grundsatz fest, dass die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von bauordnungsrechtlichen Anforderungen zulassen kann, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des § 3 Abs. 1 vereinbar sind; damit werden zugleich die in die bei der Ermessensbetätigung vorzunehmende Abwägung einzustellenden Gesichtspunkte bezeichnet und die Mindestanforderungen des § 3 Abs. 1 als absolute Grenze für die Zulassung von Abweichungen markiert. Satz 2 stellt klar, dass § 66 die unmittelbar gesetzesabhängige und keiner bauaufsichtlichen Ermessensentscheidung bedürftige Abweichung von eingeführten Technischen Baubestimmungen nach § 3 Abs. 3 Satz 3 unberührt lässt. Satz 3 stellt klar, dass es keiner gesonderten Abweichungsentscheidung der Bauaufsichtsbehörde bedarf, wenn bautechnische Nachweise bauaufsichtlich geprüft werden.

Absatz 2 enthält Regelungen über das Abweichungsverfahren. Satz 1 Halbsatz 1 legt fest, dass die Zulassung von Abweichungen von bauordnungsrechtlichen Anforderungen (nach Absatz 1), ferner von Ausnahmen und Befreiungen von städtebaurechtlichen Vorschriften schriftlich beantragt werden muss; die Einbeziehung der städtebaurechtlichen Regelungen in die Bestimmung ist erforderlich, weil die einschlägigen städtebaurechtlichen Vorschriften zwar jeweils ein materiell-rechtliches Entscheidungsprogramm für die Zulassung von Ausnahmen und Befreiungen enthalten, aber kein Trägerverfahren für ihre Umsetzung im Einzelfall. Die Begründungspflicht nach Halbsatz 2 soll der Bauaufsichtsbehörde die Ermittlung der für eine Abweichung sprechenden Gesichtspunkte erleichtern. Satz 2 stellt klar, dass auch für genehmigungsfreie, d. h. verfahrensfreie (§ 60) und der Genehmigungsfreistellung (§ 61) unterliegende Anlagen, die von den in Satz 1 genannten Vorschriften abweichen, unabhängig von ihrer Genehmigungsfreiheit eine gesonderte Entscheidung über die Zulässigkeit der Abweichung, Ausnahme oder Befreiung erforderlich ist (isolierte Abweichung, Ausnahme oder Befreiung). Dies gilt folgerichtig auch für zwar genehmigungsbedürftige Anlagen, aber hinsichtlich solcher Anforderungen, die im jeweiligen Baugenehmigungsverfahren nicht geprüft werden; insoweit stehen solche Vorhaben den genehmigungsfreien gleich.

Absatz 3 trifft eine von § 57 Abs. 2 abweichende Regelung der sachlichen Zuständigkeit. Die Regelung geht davon aus, dass verfahrensfreien Vorhaben nach § 60 nur geringe bauaufsichtliche Relevanz und allenfalls minimales planungsrechtliches Gewicht zukommt, sodass insoweit die Zulassung von Abweichungen von - die gemeindliche Ortsgestaltungs- und Planungshoheit schützenden und von den Gemeinden selbst erlassenen - Vorschriften den Gemeinden überlassen bleiben kann. § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB, wonach unter anderem über Ausnahmen und Befreiungen nach § 31 BauGB von der Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde zu entscheiden ist, steht nicht entgegen, da der auf die gemeindliche Planungshoheit zielende Schutzzweck der Norm durch eine der Gemeinde selbst zugewiesene Entscheidung (erst recht) nicht beeinträchtigt wird. Soweit verfahrensfreie Anlagen zusätzlich einer Abweichung von anderen bauordnungsrechtlichen Anforderungen bedürfen, ist davon auszugehen, dass es sich um eher seltene Ausnahmefälle handeln wird, sodass die Erforderlichkeit nebeneinander stehender Abweichungen nach Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 für solche Bauvorhaben in Kauf genommen werden kann. Soweit über Abweichungen von örtlichen Bauvorschriften im Rahmen eines vereinfachten oder normalen Baugenehmigungsverfahrens entschieden wird, ist für diese Entscheidung das Einvernehmen der Gemeinde erforderlich. Dadurch wird der besonderen Bedeutung der örtlichen Bauvorschriften für die gemeindliche Entwicklung und dem Umstand Rechnung getragen, dass örtliche Bauvorschriften im eigenen Wirkungskreis der Gemeinden erlassen werden. Auch wird dadurch die unterschiedliche Behandlung von örtlichen Bauvorschriften aufgehoben, die davon abhängt, ob die Regelungen Teil eines Bebauungsplans sind oder in einer gesonderten Satzung enthalten sind.


3. Verwaltungsvorschrift







B. Normauslegung


















Zitiervorschlag:
Müller-Grune Sven, Kommentar zur Thüringer Bauordnung, Schmalkalden 2017, § 66.





© Prof. Dr. Sven Müller-Grune





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