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Thüringer Bauordnung [ThürBO]

Kommentar Prof. Dr. Sven Müller-Grune



§ 68
Behandlung des Bauantrags




(1) Die Bauaufsichtsbehörde hört zum Bauantrag die Gemeinde und diejenigen Stellen,

1. deren Beteiligung oder Anhörung für die Entscheidung über den Bauantrag durch Rechtsvorschrift vorgeschrieben ist, oder

2. ohne deren Stellungnahme die Genehmigungsfähigkeit des Bauantrags nicht beurteilt werden kann.

Die Beteiligung oder Anhörung entfällt, wenn die Gemeinde oder die jeweilige Stelle dem Bauantrag bereits vor Einleitung des Baugenehmigungsverfahrens zugestimmt oder auf eine Beteiligung verzichtet hat. Bedarf die Erteilung der Baugenehmigung der Zustimmung oder des Einvernehmens einer anderen Körperschaft, Behörde oder sonstigen Stelle, so gilt diese als erteilt, wenn sie nicht zwei Monate nach Eingang des Ersuchens verweigert wird; von der Frist nach Halbsatz 1 abweichende Regelungen durch Rechtsvorschrift bleiben unberührt. Stellungnahmen bleiben unberücksichtigt, wenn sie nicht innerhalb eines Monats nach Aufforderung zur Stellungnahme bei der Bauaufsichtsbehörde eingehen, es sei denn, die verspätete Stellungnahme ist für die Rechtmäßigkeit der Entscheidung über den Bauantrag von Bedeutung.

(2) Die Bauaufsichtsbehörde kontrolliert den Bauantrag innerhalb von zwei Wochen auf Vollständigkeit und teilt dem Bauherrn den Eingang des Antrags mit. Ist der Bauantrag unvollständig oder weist er sonstige erhebliche Mängel auf, fordert die Bauaufsichtsbehörde den Bauherrn zur Behebung der Mängel innerhalb einer angemessenen Frist auf. Werden die Mängel innerhalb der Frist nicht behoben, gilt der Antrag als zurückgenommen.

Quelle









Kommentierung







A. Normgeschichte







1. Historie







2. Gesetzesbegründung


2014

Absatz 1 Satz 1 regelt, welche Verwaltungsträger im Baugenehmigungsverfahren anzuhören sind. Das ist zunächst mit Rücksicht auf die (mögliche) Berührung ihrer Planungshoheit stets die Gemeinde. Sonstige Stellen sind nur anzuhören, wenn ihre Beteiligung oder Anhörung für die Entscheidung über den Bauantrag durch Rechtsvorschrift vorgeschrieben ist (Nummer 1) oder ohne deren Stellungnahme die Genehmigungsfähigkeit des Bauantrags nicht beurteilt werden kann (Nummer 2). Die Regelung stellt damit klar, dass in materieller Hinsicht der Verfahrensteilhabe am Baugenehmigungsverfahren eine strikte Grenze durch den Verfahrenszweck gezogen ist, nämlich die Genehmigungsfähigkeit des Bauvorhabens festzustellen.

Nach Satz 2 entfällt die Beteiligung oder Anhörung, wenn die Gemeinde oder die jeweilige Stelle dem Bauantrag bereits vor Einleitung des Baugenehmigungsverfahrens zugestimmt oder auf eine Beteiligung verzichtet hat. Damit hat zum einen der Bauherr die Möglichkeit, etwa mit Fachbehörden bereits im Vorfeld des Baugenehmigungsverfahrens wesentliche Fragen des Bauvorhabens abzuklären und auf diese Weise eine Verfahrensbeschleunigung zu erzielen. Zum anderen können Fachbehörden sich bei regelmäßig wiederkehrenden Sachverhalten dadurch entlasten, dass sie eine Musterstellungnahme erstellen, bei deren Berücksichtigung auf eine weitere Beteiligung (widerruflich) verzichtet wird.

Satz 3 fingiert in Anlehnung an § 36 BauGB die Erteilung einer Zustimmung oder eines Einvernehmens, die beteiligte Stelle nicht innerhalb von zwei Monaten eine entgegenstehende Stellungnahme abgibt. Durch Bundes- oder Landesrecht können durch Rechtsvorschrift abweichende Regelungen getroffen werden.

Nach Satz 4 bleiben sonstige Stellungnahmen grundsätzlich unberücksichtigt, wenn sie nicht innerhalb eines Monats nach Aufforderung zur Stellungnahme bei der Bauaufsichtsbehörde eingehen. Eine Ausnahme davon wird in Anlehnung an § 4a Abs. 6 BauGB lediglich für den Fall vorgesehen, dass die Rechtmäßigkeit der Entscheidung über den Bauantrag von der (verspäteten) Stellungnahme abhängt, was auch erlaubt, eine zwingend erforderliche Stellungnahme gegebenenfalls abzuwarten. Dies ist gerechtfertigt, weil unabhängig von einer etwaigen Verfristung der Stellungnahme die Bauaufsichtsbehörde unverändert die Außenverantwortung für die Rechtmäßigkeit der von ihr erteilten Baugenehmigung beziehungsweise deren Ablehnung trägt.

Absatz 2 regelt das Verfahren bei unvollständigen oder sonst mangelhaften Bauvorlagen. Satz 1 verpflichtet die Bauaufsichtsbehörde, den Bauantrag innerhalb von zwei Wochen auf Vollständigkeit zu kontrollieren und dem Bauherrn den Antragseingang zu bestätigen. Der Bauherr soll daher in angemessener Frist wissen, inwieweit eine verzögerte Entscheidung über einen Bauantrag auf einem eigenen Fehler beziehungsweise einem Fehler des Entwurfsverfassers beruht und inwieweit er zur Behebung beitragen kann. Unberührt von dieser Regelung bleibt die Möglichkeit, im Lauf des Verfahrens weitere Unterlagen nachzufordern, wenn sich bei der Prüfung ergibt, dass entgegen dem ersten Eindruck die Unterlagen tatsächlich nicht vollständig sind. Satz 2 schreibt für den Fall unvollständiger oder sonst erheblich mangelhafter Bauanträge zwingend vor, dass die Bauaufsichtsbehörde den Bauherrn zur Beseitigung der Mängel binnen angemessener Frist aufzufordern hat. Satz 3 knüpft - anstelle der bloßen Möglichkeit, im Ermessenswege den Bauantrag zurückzuweisen - an das fruchtlose Verstreichen der Frist eine Rücknahmefiktion (mit entsprechenden Kostenfolgen für den Bauherrn, der dann überdies gegebenenfalls den Bauantrag neu zu stellen hat).

Thüringer Landtag Drucksache 5/5768


3. Verwaltungsvorschrift


68.1.1 Die Gemeinde ist unabhängig von einem Einvernehmenserfordernis immer zu beteiligen. Das Gleiche gilt, soweit eine Beteiligung einer Stelle durch Rechtsvorschrift vorgeschrieben ist. Dagegen sind sonstige betroffene Behörden nur zu beteiligen, wenn ohne die Beteiligung die Genehmigungsfähigkeit eines Vorhabens nicht beurteilt werden kann. Damit kommt nur eine Beteiligung der Behörden in Betracht, deren Zuständigkeit durch den Prüfumfang nach §§ 62, 63 berührt wird. Besitzt die Bauaufsichtsbehörde ausreichende Kenntnisse auf dem jeweiligen Fachgebiet, kann die Beteiligung der zuständigen Behörde unterbleiben.

68.1.2 Die Beteiligung der Brandschutzdienststellen im Baugenehmigungsverfahren wird regelmäßig dann erforderlich, wenn sich Auswirkungen für den abwehrenden Brandschutz ergeben. Besondere Anforderungen können sich stellen an:
- die Löschwasserversorgung,
- die Zufahrten und Flächen der Feuerwehr,
- die Rettungswege (Angriffswege der Feuerwehr)
- die anlagentechnischen Brandschutzeinrichtungen des vorbeugenden und abwehrenden Brandschutzes oder
- den organisatorischen Brandschutz.

Eine Beteiligung der Brandschutzdienststelle soll erfolgen vor
- der Erteilung von Abweichungen von Brandschutzanforderungen und
- der Entscheidung eines Widerspruchs gegen Brandschutzanforderungen.

Bei Gebäuden der GK 5, Sonderbauten sowie Mittel- und Großgaragen ist regelmäßig eine Beteiligung hinsichtlich der o.g. Anforderungen erforderlich.

Die Brandschutzdienststelle gibt Auskunft über die Leistungsfähigkeit und die Ausstattung (z. B. vorhandenes Rettungsgerät) der örtlichen Feuerwehr unter Beachtung des Thüringer Brand- und Katastrophenschutzgesetzes sowie der Thüringer Feuerwehrorganisationsverordnung. Werden Vorschläge der Brandschutzdienststelle nicht umgesetzt, ist diese davon zu unterrichten. Die Feuerwehren benötigen das Ergebnis der Würdigung ihrer Belange, weil die Verantwortung für den abwehrenden Brandschutz der Gebäude bei den Gemeinden bleibt. Eine völlig isolierte Betrachtung von vorbeugendem und abwehrendem Brandschutz ist nicht möglich, beide beeinflussen sich unabdingbar.

Brandschutzdienststellen sind nach § 20 Thüringer Brand-und Katastrophenschutzgesetz die Landkreise, die kreisfreien und Großen kreisangehörigen Städte. Eine Beteiligung der örtlichen Feuerwehr allein ist unzureichend.

68.1.3 Die Bauaufsichtsbehörde ist an Stellungnahmen von Fachbehörden nur gebunden, wenn deren Einvernehmen erforderlich ist. Will sie von einer Stellungnahme abweichen, sollte sie vorher mit der betroffenen Behörde Kontakt aufnehmen.

68.1.4 Gemeinden und Fachbehörden können im Einzelfall oder allgemein auf eine Beteiligung verzichten. Ein Verzicht im Einzelfall wird insbesondere in Betracht kommen, wenn der Bauherr die Stelle vorab beteiligt und eine Einigung erzielt hat. Diese muss für die Bauaufsichtsbehörde nachvollziehbar sein (z. B. gegengezeichnetes Gesprächsprotokoll), damit erkennbar ist, unter welchen Rahmenbedingungen auf eine Zweitbeteiligung verzichtet wird. Ein Verzicht sollte ausdrücklich erklärt werden.

Ein allgemeiner Verzicht kann bei häufiger vorkommenden vergleichbaren Sachverhalten in Betracht kommen. In diesem Fall kann sich die Abfassung einer Muster-Stellungnahme anbieten, die ohne erneute Beteiligung herangezogen wird.

68.1.5 Verspätete Stellungnahmen müssen grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Etwas anderes gilt, wenn die materielle Rechtmäßigkeit der Entscheidung über den Bauantrag von der inhaltlichen Berücksichtigung des entsprechenden Belangs abhängt und die Bauaufsichtsbehörde diesen Belang nicht ausreichend selbst beurteilen kann. Im vereinfachten Genehmigungsverfahren wird in diesem Fall regelmäßig eine Verlängerung der Entscheidungsfrist nach § 62 Abs. 2 in Betracht kommen.

68.2 Die Bauaufsichtsbehörden haben durch personelle und organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Zweiwochenfrist eingehalten wird. Die Vollständigkeitsprüfung kann nur eine formelle Prüfung sein, die auch ohne inhaltliche Befassung mit dem Bauantrag möglich ist. Zu prüfen ist insbesondere, ob die nach der ThürBauVorlVO erforderlichen Bauvorlagen vorhanden sind und „scheinbar“ eine Prüfung des Bauantrags zulassen. Dagegen können sich aus der inhaltlichen Prüfung der Bauvorlagen noch Nachforderungen ergeben. Diese Nachforderungen setzen die Entscheidungsfrist des § 62 Abs. 2 nicht neu in Gang. Bautechnische Nachweise gehören nicht zur Vollständigkeit der Bauvorlagen.

VollzBekThürBO



B. Normauslegung


















Zitiervorschlag:
Müller-Grune Sven, Kommentar zur Thüringer Bauordnung, Schmalkalden 2017, § 68.





© Prof. Dr. Sven Müller-Grune





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