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Thüringer Bauordnung
[ThürBO]
Kommentar
Prof. Dr. Sven Müller-Grune




§ 70
Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens



(1) Hat eine Gemeinde ihr nach § 14 Abs. 2 Satz 2, § 22 Abs. 5 Satz 1, § 36 Abs. 1 Satz 1 und 2 BauGB oder nach § 66 Abs. 3 erforderliches Einvernehmen rechtswidrig versagt, soll das fehlende Einvernehmen nach Maßgabe der Absätze 2 bis 4 ersetzt werden. Wird in einem anderen Genehmigungsverfahren über die Zulässigkeit des Vorhabens entschieden, so tritt die für dieses Verfahren zuständige Behörde an die Stelle der Bauaufsichtsbehörde.

(2) § 120 der Thüringer Kommunalordnung findet keine Anwendung.

(3) Die Gemeinde ist vor Erlass der Genehmigung anzuhören. Dabei ist ihr Gelegenheit zu geben, binnen angemessener Frist erneut über das gemeindliche Einvernehmen zu entscheiden.

(4) Die Genehmigung gilt zugleich als Ersatzvornahme. Sie ist insoweit zu begründen. Widerspruch und Anfechtungsklage haben auch insoweit keine aufschiebende Wirkung, als die Genehmigung als Ersatzvornahme gilt.











Kommentierung






A. Normgeschichte







1. Historie







2. Gesetzesbegründung


Eine Gemeinde darf ihr bauplanungsrechtlich erforderliches Einvernehmen nur unter bestimmten Voraussetzungen verweigern. Die Verweigerung des Einvernehmens hat zur Folge, dass die Baugenehmigungsbehörde und die Widerspruchsbehörde gehindert sind, die beantragte Entscheidung zu treffen.

Infolge von erkennbaren Fehlbeurteilungen oder aus anderen Gründen wird das Einvernehmen mitunter rechtswidrig versagt. In diesen Fällen besteht zwar grundsätzlich die Möglichkeit, es kommunalaufsichtlich zu ersetzen. Hierzu ist jedoch ein Sonderverfahren außerhalb des bauaufsichtlichen Verfahrens erforderlich. Erhebt die Gemeinde Widerspruch gegen die Ersetzung des Einvernehmens, wäre ohne besondere Regelung zunächst der Fortgang des bauaufsichtlichen Verfahrens gehemmt. Erst nach Bestandskraft der Ersetzung des Einvernehmens kann weiter über den Bauantrag entschieden werden. Auch aus diesen Gründen hat der Bund die Länder durch die zum 1. Januar 1998 wirksam gewordene Änderung in § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB indirekt verpflichtet, ein Verfahren zur Ersetzung eines rechtswidrig versagten Einvernehmens vorzusehen. Daher wird ein in das bauaufsichtliche Verfahren integriertes Verfahren zur Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens ermöglicht. Die Bauaufsichtsbehörde und die Widerspruchsbehörde sind grundsätzlich ohne Einräumung eines Ermessens verpflichtet, ein erkennbar rechtswidrig versagtes Einvernehmen der Gemeinde zu ersetzen.

Abweichend von § 120 der Thüringer Kommunalordnung ist es nach Absatz 2 ausreichend, die Gemeinde vor Erlass der Genehmigung und der damit verbundenen Ersetzung des Einvernehmens anzuhören.

Nach Absatz 3 ist der Gemeinde eine angemessene Frist zu geben, erneut über das gemeindliche Einvernehmen zu entscheiden. Angemessen wird in der Regel auch unter Berücksichtigung der Ladungsfristen eine Frist von nicht mehr als einem Monat sein. Dies gilt auch dann, wenn hierfür ursprünglich nicht vorgesehene Sitzungen des zuständigen Gemeindeorgans erforderlich werden, da es letztlich um die Aufhebung einer rechtswidrigen, den Bürger belastenden und möglicherweise kostenverursachenden Entscheidung und damit auch im Interesse der Gemeinde um die Vermeidung von Schadensersatzzahlungen geht. Die "Nachfrist" soll es der Gemeinde auch ermöglichen, in Kenntnis der Unzulässigkeit der Versagung des Einvernehmens über die Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplans zu entscheiden. Geht der Bauaufsichtsbehörde nicht innerhalb der von ihr gesetzten Frist eine zustimmende Entscheidung der Gemeinde zu, ist sie berechtigt und verpflichtet ohne weitere Anhörung der Gemeinde die Baugenehmigung zu erteilen, soweit nicht andere zu beachtende Vorschriften entgegenstehen. Die Gemeinde ist berechtigt, gegen die Baugenehmigung Widerspruch einzulegen, soweit sie durch die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens in ihren Rechten verletzt wird.

Nach Absatz 4 ist die Baugenehmigung abweichend von § 71 Abs. 2 auch insoweit zu begründen, als sie als Ersatzvornahme für das fehlende gemeindliche Einvernehmen gilt. Um den erwähnten Beschleunigungseffekt zu erreichen, haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Ersatzvornahme keine aufschiebende Wirkung. Damit erfolgt auch eine Gleichbehandlung mit anderen Rechtsbehelfen der Gemeinde gegen bauaufsichtliche Zulassungen, die nach § 212 a BauGB keine aufschiebende Wirkung haben.

Die Streichung des bisherigen Absatzes 5 berücksichtigt die Änderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der die mit der unteren Bauaufsichtsbehörde identische Gemeinde die Ablehnung eines Bauantrags nicht nur nicht mit der Versagung ihres Einvernehmens begründen darf und entgegen der bisherigen Rechtsprechung auch gegenüber der Widerspruchsbehörde nicht über eine "einvernehmensartige" wehrfähige Rechtsposition verfügt (BVerwG, Urteil vom 19. August 2004, Az. 4 C 16/03 unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung, zuletzt Beschluss vom 30. Juli 2002, Az. 4 B 40/02).


3. Verwaltungsvorschrift







B. Normauslegung

















Zitiervorschlag:
Müller-Grune Sven, Kommentar zur Thüringer Bauordnung, Schmalkalden 2017, § 70.





© Prof. Dr. Sven Müller-Grune





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