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Thüringer Bauordnung [ThürBO]

Kommentar Prof. Dr. Sven Müller-Grune



§ 75
Genehmigung Fliegender Bauten



(1) Fliegende Bauten sind bauliche Anlagen, die geeignet und bestimmt sind, an verschiedenen Orten wiederholt aufgestellt und zerlegt zu werden. Baustelleneinrichtungen und Baugerüste sind keine Fliegenden Bauten.

(2) Fliegende Bauten bedürfen, bevor sie erstmals aufgestellt und in Gebrauch genommen werden, einer Ausführungsgenehmigung. Dies gilt nicht für

1. Fliegende Bauten mit einer Höhe bis zu 5 m, die nicht dazu bestimmt sind, von Besuchern betreten zu werden,

2. Fliegende Bauten mit einer Höhe bis zu 5 m, die für Kinder betrieben werden und eine Geschwindigkeit von höchstens 1 m/s haben,

3. Bühnen, die Fliegende Bauten sind, einschließlich Überdachungen und sonstigen Aufbauten mit einer Höhe bis zu 5 m, einer Grundfläche bis zu 100 m2 und einer Fußbodenhöhe bis zu 1,50 m,

4. erdgeschossige Zelte und betretbare Verkaufsstände, die Fliegende Bauten sind, jeweils mit einer Grundfläche bis 75 m2 ,

5. aufblasbare Spielgeräte mit einer Höhe des betretbaren Bereichs von bis zu 5 m oder mit überdachten Bereichen, bei denen die Entfernung zum Ausgang nicht mehr als 3 m, sofern ein Absinken der Überdachung konstruktiv verhindert wird, nicht mehr als 10 m, beträgt.

(3) Die Ausführungsgenehmigung wird von der oberen Bauaufsichtsbehörde erteilt, in deren Bereich der Antragsteller seine Hauptwohnung oder seine gewerbliche Niederlassung hat. Hat der Antragsteller keine Hauptwohnung oder keine gewerbliche Niederlassung in der Bundesrepublik Deutschland, so ist die obere Bauaufsichtsbehörde zuständig, in deren Bereich der Fliegende Bau zum ersten Mal aufgestellt oder in Gebrauch genommen werden soll.

(4) Die oberste Bauaufsichtsbehörde kann durch Rechtsverordnung bestimmen, dass Ausführungsgenehmigungen für Fliegende Bauten nur durch bestimmte Bauaufsichtsbehörden oder durch von ihr bestimmte Stellen erteilt werden dürfen und die Vergütung dieser Stellen regeln.

(5) Die Genehmigung wird für eine bestimmte Frist erteilt, die höchstens fünf Jahre betragen soll; sie kann auf schriftlichen Antrag von der für die Ausführungsgenehmigung zuständigen Behörde jeweils bis zu fünf Jahre verlängert werden, wenn das der Inhaber vor Ablauf der Frist schriftlich beantragt; § 72 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. Die Ausführungsgenehmigungen und die Verlängerungen ihrer Frist werden in ein Prüfbuch eingetragen, dem eine Ausfertigung der mit einem Genehmigungsvermerk zu versehenden Bauvorlagen beizufügen ist. Die Ausführungsgenehmigung kann vorschreiben, dass der Fliegende Bau vor jeder Inbetriebnahme oder in bestimmten zeitlichen Abständen jeweils vor einer Inbetriebnahme von einem Sachverständigen abgenommen wird. Ausführungsgenehmigungen anderer Länder gelten auch in Thüringen.

(6) Der Inhaber der Ausführungsgenehmigung hat den Wechsel seines Wohnsitzes oder seiner gewerblichen Niederlassung oder die Übertragung eines Fliegenden Baus an Dritte der Bauaufsichtsbehörde anzuzeigen, die die Ausführungsgenehmigung erteilt hat. Die Behörde hat die Änderungen in das Prüfbuch einzutragen und sie, wenn mit den Änderungen ein Wechsel der Zuständigkeit verbunden ist, der nunmehr zuständigen Behörde mitzuteilen.

(7) Fliegende Bauten, die nach Absatz 2 Satz 1 einer Ausführungsgenehmigung bedürfen, dürfen unbeschadet anderer Vorschriften nur in Gebrauch genommen werden, wenn ihre Aufstellung der Bauaufsichtsbehörde des Aufstellungsorts unter Vorlage des Prüfbuchs angezeigt ist. Die Bauaufsichtsbehörde kann die Inbetriebnahme dieser Fliegenden Bauten von einer Gebrauchsabnahme abhängig machen. Das Ergebnis der Abnahme ist in das Prüfbuch einzutragen. In der Ausführungsgenehmigung kann bestimmt werden, dass Anzeigen nach Satz 1 nicht erforderlich sind, wenn eine Gefährdung im Sinne des § 3 Abs. 1 nicht zu erwarten ist.

(8) Die für die Erteilung der Gebrauchsabnahme zuständige Bauaufsichtsbehörde kann Auflagen machen oder die Aufstellung oder den Gebrauch Fliegender Bauten untersagen, soweit dies nach den örtlichen Verhältnissen oder zur Abwehr von Gefahren erforderlich ist, insbesondere weil die Betriebssicherheit oder Standsicherheit nicht oder nicht mehr gewährleistet ist oder weil von der Ausführungsgenehmigung abgewichen wird. Wird die Aufstellung oder der Gebrauch untersagt, ist dies in das Prüfbuch einzutragen. Die ausstellende Behörde ist zu benachrichtigen, das Prüfbuch ist einzuziehen und der ausstellenden Behörde zuzuleiten, wenn die Herstellung ordnungsgemäßer Zustände innerhalb angemessener Frist nicht zu erwarten ist.

(9) Bei Fliegenden Bauten, die von Besuchern betreten und längere Zeit an einem Aufstellungsort betrieben werden, kann die für die Gebrauchsabnahme zuständige Bauaufsichtsbehörde aus Gründen der Sicherheit Nachabnahmen durchführen. Das Ergebnis der Nachabnahme ist in das Prüfbuch einzutragen.

(10) § 67 Abs. 1, 2 und 4 und § 80 Abs. 1, 3 und 4 gelten entsprechend.












Kommentierung







A. Normgeschichte







1. Historie







2. Gesetzesbegründung


§ 75 regelt das bei der Zulassung und Verwendung Fliegender Bauten zu beachtende Verfahren.

Absatz 1 enthält die Begriffsbestimmung Fliegender Bauten. Darunter fallen Anlagen, die nicht nur geeignet, sondern auch dazu bestimmt sein müssen, wiederholt aufgestellt und zerlegt zu werden. Für die wiederholte Aufstellung geeignete Anlagen, die tatsächlich dauerhaft am gleichen Standort verwendet werden, sind keine Fliegenden Bauten, auch wenn für sie ursprünglich eine Ausführungsgenehmigung erteilt wurde. Hauptanwendungsfälle der Regelungen sind Fahrgeschäfte und Zelte aller Art.

Nach Absatz 2 benötigen Fliegende Bauten anstatt einer Baugenehmigung eine Ausführungsgenehmigung. Die besondere Art der Genehmigung ist erforderlich, da bei Fliegenden Bauten eine standortbezogene Genehmigung nicht zuletzt aufgrund der regelmäßig nur kurzen Standzeit nicht erforderlich ist und der mit einer standortbezogenen Baugenehmigung verbundene Aufwand nicht gerechtfertigt ist. Keine Ausführungsgenehmigung (und auch keine Baugenehmigung) benötigen verschiedene kleinere Anlagen, die nur ein geringes Risikopotential aufweisen.

Die Absätze 3 und 4 regeln die Zuständigkeit für die Ausführungsgenehmigung. In Abstimmung mit den anderen Ländern, die im Wesentlichen gleiche Regelungen haben, ist für die Ausführungsgenehmigung die Stelle örtlich zuständig, in deren Bereich der Antragsteller seine Hauptwohnung oder seine gewerbliche Niederlassung hat oder in deren Bereich der Fliegende Bau zum ersten Mal aufgestellt oder in Gebrauch genommen werden soll. Von dieser Stelle erteilte Ausführungsgenehmigungen gelten aufgrund Absatz 5 Satz 4 entsprechender Regelungen anderer Länder auch dort. Die obere Bauaufsichtsbehörde ist zum einen zuständig, da die Beurteilung der von Fliegenden Bauten ausgehenden Gefahren spezialisierte Kenntnisse verlangt. Zum anderen arbeiten die Länder im Arbeitskreis Fliegende Bauten der Bauministerkonferenz zusammen; die Erkenntnisse aus diesem Arbeitskreis können aufgrund der Genehmigungszuständigkeit umgehend in die Genehmigungstätigkeit einfließen. Auch die Schlussfolgerungen aus Unglücksfällen können auf diese Weise schneller gezogen werden. Absatz 4 erlaubt der obersten Bauaufsichtsbehörde eine von Absatz 3 abweichende Zuständigkeitsregelung für alle oder nur bestimmte Arten Fliegender Bauten.

Nach Absatz 5 wird die Ausführungsgenehmigung nur befristet erteilt. Eine Verlängerung der Frist ist möglich. Durch die grundsätzliche Befristung können auch neuere Erkenntnisse über von der Anlage ausgehende potentielle Gefahren berücksichtigt werden, die zwar nicht eine Rücknahme der Ausführungsgenehmigung rechtfertigen würden, wohl aber Nebenbestimmungen im Zusammenhang mit der Verlängerung. Da durch das wiederholte Auf- und Abbauen der Fliegenden Bauten Schäden entstehen können, kann in besonderen Fällen in der Ausführungsgenehmigung eine wiederholte Überprüfung durch Sachverständige vorgeschrieben werden.

Nach Absatz 6 hat der Inhaber der Ausführungsgenehmigung einen Wechsel von Wohnort oder Niederlassung mitzuteilen. Bei einem Wechsel in den Zuständigkeitsbereich einer anderen für Ausführungsgenehmigungen zuständigen Behörde wechselt auch die Zuständigkeit für die konkrete Anlage.

Nach Absatz 7 hat der Betreiber des Fliegenden Baus das Aufstellen eines Fliegenden Baus vor der Inbetriebnahme der örtlich zuständigen Bauaufsichtsbehörde anzuzeigen. Wenn Gefahren durch den Betrieb des Fliegenden Baus nicht zu erwarten sind, kann bereits in der Ausführungsgenehmigung bestimmt werden, dass eine Anzeige nicht erforderlich ist. Wird eine Anzeige erstattet, kann die Bauaufsichtsbehörde eine Gebrauchsabnahme durchführen, ist hierzu aber nicht verpflichtet.

Absatz 8 ermöglicht der für den Aufstellort zuständigen Bauaufsichtsbehörde Auflagen für den Betrieb am konkreten Aufstellort zu machen oder die Inbetriebnahme zu untersagen. Ergänzende Auflagen kommen beispielsweise in Betracht, wenn aufgrund von Besonderheiten des Aufstellungsorts, wie besondere Bodenverhältnisse, ergänzende Vorkehrungen erforderlich sind. Eine Untersagung der Inbetriebnahme wird insbesondere dann erfolgen, wenn die Betriebssicherheit der Anlage, beispielsweise aufgrund Abnutzung oder mangelhafter Wartung, nicht mehr gewährleistet ist. Wird die Aufstellung oder der Gebrauch untersagt, ist das Prüfbuch einzuziehen, soweit nicht eine Herstellung ordnungsgemäßer Zustände innerhalb angemessener Frist zu erwarten ist. Eine Inbetriebnahme des Fliegenden Baus ist damit auch an anderen Aufstellungsorten nicht mehr möglich.

Mit dem Charakter als Fliegender Bau ist es nicht generell unvereinbar, dass dieser längere Zeit am gleichen Ort betrieben wird. Da sich bei längeren Standzeiten Verbindungen oder Verankerungen lockern können oder anders als bei wiederholter Aufstellung eine Kontrolle aller Teile nicht ohne weiteres möglich ist, kann die örtlich zuständige Bauaufsichtsbehörde nach Absatz 9 - auch mehrfach - Nachabnahmen durchführen.

Nach Absatz 10 gelten die Bestimmungen über formale Anforderungen an Bauvorlagen und über die Bauüberwachung entsprechend.


3. Verwaltungsvorschrift







B. Normauslegung


















Zitiervorschlag:
Müller-Grune Sven, Kommentar zur Thüringer Bauordnung, Schmalkalden 2017, § 75.





© Prof. Dr. Sven Müller-Grune





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