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Fallbeispiele Gesellschaftsrecht - Falllösung


Fall 8

D A und B betreiben seit vielen Jahren unter der Firma „A & B OHG“ auf zwei A gehörenden Grundstücken eine Tankstelle mit Werkstattbetrieb, wobei A für die Tankstelle und B für die Werkstatt zuständig ist. Nach dem Tod des B tritt wie im Gesellschaftsvertrag vorgesehen dessen Neffe und Erbe N in die OHG ein und führt die Werkstatt weiter. A beschließt nach gesundheitlichen Problemen, beruflich kürzer zu treten und mehr zu angeln. Daher verpachtet die OHG die Tankstelle an P. Im Pachtvertrag verpflichtet sich die OHG, im Umkreis von 10 km keine andere Tankstelle zu betreiben. Außerdem vereinbaren beide Seiten, dass die OHG innerhalb der nächsten fünf Jahre P die Tankstelle und das Grundstück, auf dem sie steht, zu übertragen hat. Den genauen Zeitpunkt kann P bestimmen. A bleibt Gesellschafter der OHG. Ein halbes Jahr später kann A aber keine Fische mehr sehen und nimmt das Angebot des T an, mit ihm zu-sammen dessen Tankstelle zu betreiben. Für die geplante Gründung der „T und A OHG“ verkauft A seinen Anteil an der „A & B OHG“ an F, einen Freund von N. N und F führen zusammen den zwischenzeitlich ausgeweiteten Werkstattbetrieb fort. Die Tankstelle des T befindet sich 5 km von der von P betriebenen Tankstelle entfernt. P macht nach einem Jahr Gebrauch von seiner Kaufoption. Erst danach erfährt er von der neuen Tätigkeit des A.

1. Können N und F ihr Handelsgewerbe weiterhin unter der Firma „A & B OHG“ betreiben?
2. Von wem kann P die Auflassung des Grundstücks verlangen?
3. Kann P dem A die neue Tätigkeit verbieten?





Formulierungsvorschlag Fall 8


1. Firmierung der aus N und F bestehenden OHG unter „A & B OHG“


1.1 Als OHG muss die Firma von N und F nach § 19 I Nr. 3 HGB den Zusatz „offene Handelsgesellschaft“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung hiervon enthalten. OHG ist die allgemeine Abkürzung, so dass diese Voraussetzung erfüllt ist.


1.2 N und F dürfen ihr Handelsgewerbe unter der Firma „A & B OHG“ betreiben, wenn die Firma nach § 18 HGB Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft besitzt und nicht irreführend im Verkehr ist. Kennzeichnungskraft bedeutet, dass die Firma als Name individualisiert werden kann. Das ist bei einer aus zwei Namen bestehenden Firma gegeben. Unterscheidungskraft bedeutet die Unterscheidbarkeit der Firma gegenüber anderen Unternehmensbezeichnungen. Davon kann bei einer aus zwei Namen kombinierten Firma ausgegangen werden. Die Firma muss daneben dem Grundsatz der Firmenwahrheit entsprechen. Das ist hier zweifelhaft, weil die Namen der Gesellschafter nicht in der Firma enthalten sind, sondern nur Namen ausgeschiedener Gesellschafter. Der Verkehr und insbesondere Geschäftspartner können damit aus der Firma nicht auf die tatsächlichen Inhaber schließen.


1.3 Allerdings ergeben sich Einschränkungen des Grundsatzes der Firmenwahr-heit aus dem Grundsatz der Firmenbeständigkeit nach § 22 HGB. Danach kann bei Erwerb eines bestehenden Handelsgeschäfts dessen Firma fortgeführt werden, soweit der Geschäftsinhaber oder der Erbe einwilligt.


1.3.1 Mangels entgegenstehender Angaben kann davon ausgegangen werden, dass die OHG Kaufmann nach § 1 I HGB und daher zur Führung einer Firma berechtigt und verpflichtet ist (§ 17 I HGB). A und B haben die aus ihren Namen und einem Gesellschaftszusatz bestehende Firma „A & B OHG“ nach § 18, 19 I Nr. 2 HGB rechtmäßig für ihr Handelsgeschäft geführt.


1.3.2 N hat als Erbe seinen Anteil an der „A & B OHG“ von Todes wegen erworben. Wenn der Erbe eines Handelsgeschäfts dieses unter der alten Firma fortführen darf, kann bei Übernahme eines Gesellschaftsanteils im Erbgang nicht anderes gelten. N führt auch das alte Handelsgeschäft zusammen mit A weiter. Als alleiniger Erbe (§ 1922 BGB) bedarf N keiner weiteren Zustimmung zur Firmenfortführung. Die aus A und N bestehende OHG durfte die unveränderte Firma „A & B OHG“ führen.


1.3.3 F hat seinen Gesellschaftsanteil unter Lebenden von dem früheren Gesellschafter A unter Lebenden erworben. Er darf damit die Firma unverändert fortführen, soweit das alte Handelsgeschäft übergegangen ist und A der Fortführung zustimmt. F hat nicht nur einen Betriebsteil erworben, sondern die OHG hat ihr Geschäft zuvor bereits weitgehend auf den Werkstattbetrieb beschränkt. Vielmehr führt F mit N weiterhin den Betriebsteil Werkstatt des alten Handelsgeschäfts weiter, was für eine Unternehmenskontinuität ausreicht. Die Zustimmung des A muss zwar entgegen des Wortlauts von § 22 HGB nicht ausdrücklich, aber doch zweifelsfrei erfolgen. Diese Zustimmung ist nicht erfolgt. Von einer stillschweigenden Zustimmung kann nicht ausgegangen werden, da A in mittelbarer Nähe ein verwandtes Handelsgeschäft unter einer teilweise identischen Firma führen will. Eine Verpflichtung des A zur Zustimmung besteht nicht (arg. e § 22 HGB) und würde in sein bestehendes Persönlichkeitsrecht an der Nutzung seines Namens eingreifen.


1.4 Selbst bei Zustimmung des A muss eine Abwägung zwischen den Grundsätzen der Firmenwahrheit und der Firmenbeständigkeit erfolgen. Beide Grundsätze begrenzen sich gegenseitig. Bei der Abwägung ist zu berücksichtigen, dass keiner der Namensgeber der Firma mehr der Gesellschaft angehören und dass sich der Geschäftsbetrieb geändert hat (statt Tankstelle mit Werkstattbetrieb nur noch, aber ausgeweiteter Werkstattbetrieb). Eine Fortführung der alten Firma erscheint aus diesen Gründen nicht zwingend. Daher sprechen gute Gründe dafür, dass N und F in die Firma ihrer Gesellschaft zumindest einen Nachfolgezusatz aufnehmen müssen.


Ergebnis: N und F können nicht mehr die Firma „A & B OHG“ für ihr Handelsgeschäft verwenden.


2. Anspruch des P auf Auflassung des Tankstellengrundstücks


2.1 P kann von der „A & B OHG“ die Auflassung (§ 925 I BGB) des Tankstellengrundstücks nach §§ 433 I BGB, 124 I HGB verlangen, wenn diese sich wirksam hierzu verpflichtet hat und zur Leistung in der Lage ist.


2.1.1 Die aus A und N bestehende „A & B OHG“ hat sich im Pachtvertrag mit P zur Übertragung des Grundstücks verpflichtet. Diese Verpflichtung ist nach § 124 I HGB für die „A & B OHG“ wirksam, wenn die Gesellschaft wirksam besteht und weiterhin für diese Verpflichtung haftet.


2.1.1.1 Die „A & B OHG“ ist gem. §§ 105 I HGB, 705 BGB ursprünglich von A und B gegründet worden. Der Betrieb einer Tankstelle mit Werkstattbetrieb erfordert kaufmännisch eingerichtete Einrichtungen (§ 1 II HGB). Die Gesellschaft war damit auf den Betrieb eines kaufmännischen Handelsgewerbes gem. §§ 105 I, 1 I HGB gerichtet.


2.1.1.2 Nach dem Tod des B ist die „A & B OHG“ nach § 139 HGB mit dessen Erbe fortgesetzt worden. Durch den Gesellschaftsvertrag ist von der Regelung des § 131 III Nr. 1 HGB abgewichen worden, die zum Ausscheiden des B und nachfolgender Auflösung der Gesellschaft wegen Konfusion geführt hätte.


2.1.1.3 Fraglich ist, ob nach Übertragung des Gesellschaftsanteils von A an F (§§ 413, 398 BGB) die „A & B OHG“ weiter für die Verpflichtung haftet. Durch den Gesellschafterwechsel ist die OHG nicht aufgelöst worden. Konstruktiv ist durch Beschluss der Gesellschafter (§ 131 III Nr. 6 HGB) A aus der Gesellschaft ausgeschieden unter gleichzeitigem Eintritt des F (s. § 130 HGB), so dass ein Fall der Konfusion nicht eingetreten ist. Diese Konstruk-tion entspricht dem Willen des Gesetzgebers beim Handelsrechtsreformgesetz 1998, grundsätzlich eine Gesellschaft fortzuführen. Eine Haftung der OHG für die Übertragungsverpflichtung nach dem Gesellschafterwechsel lässt sich aus dem Rechtsgedanken des § 25 HGB herleiten. F hat zwar nicht ein bestehendes Handelsgeschäft unter Lebenden erworben und unter der bisherigen Firma fortgeführt, sondern nur einen Anteil an einem bestehenden Handelsgeschäft. Auch hier greift aber der Gedanke der Unternehmenskontinuität, da sowohl der Kern des bisherigen Handelsgeschäfts als auch die Firma fortgeführt wird. Dass N und F das Handelsgeschäft nicht unter der bisherigen Firma fortführen durften, ist unerheblich. § 25 HGB soll die nach außen tretende Unternehmenskontinuität in eine Haftungskontinuität umwandeln, so dass allein die tatsächliche Firmenfortführung entscheidet.


2.1.1.4 Die „A & B OHG“ besteht wirksam mit N und F als Gesellschafter. Sie hat sich wirksam zur Übertragung des Eigentums an dem Tankstellengrundstück verpflichtet.


2.1.2 Das Tankstellengrundstück steht nicht im Eigentum der „A & B OHG“, sondern es handelt sich um persönliches Eigentum des A. Es besteht auch kein Anspruch der „A & B OHG“ gegen A auf Übertragung des Eigentums an dem Grundstück, damit dieses an P aufgelassen werden kann. Der „A & B OHG“ ist eine Übertragung des Grundstücks an P nicht möglich, so dass sie von der Verpflichtung nach § 275 I BGB frei wird. Die „A & B OHG“ haftet allerdings nach §§ 280 I BGB, 124 I HGB für den dem P entstandenen Schaden. Da eine Naturalrestitution ausgeschlossen ist, kommt nur Ersatz in Geld gem. § 251 BGB in Betracht.


2.2 P hat einen Anspruch gegen die Gesellschafter N und F persönlich nach §§ 433 I BGB, 128 HGB, wenn diese für die Verpflichtung der „A & B OHG“ haften und ihnen die Leistung möglich ist.


2.2.1 N und F haften als Gesellschafter der OHG persönlich gem. § 128 HGB für die Verbindlichkeiten der OHG. Für den erst nach der Verpflichtung zur Ei-gentumsübertragung eingetretenen F ergibt sich diese Haftung aus § 130 I HGB.


2.2.2 Da weder N noch F Eigentümer des Grundstücks sind, ist ihnen eine Übertragung des Eigentums nach § 275 I BGB unmöglich. Sie haften daher gem. § 280 I BGB auf Ersatz des P entstandenen Schadens in Geld (§ 251 I BGB).


2.3 P hat einen Anspruch auf Auflassung des Grundstücks nach §§ 433 I BGB, 128, 160 HGB gegen A, wenn ihm die Leistung möglich ist und er für diese Verbindlichkeit der Gesellschaft auch nach seinem Ausscheiden haftet.


2.3.1 A ist Eigentümer des Grundstücks. Ihm ist die Auflassung des Grundstücks nach § 925 I BGB möglich.


2.3.2 A ist aber nur zur Auflassung verpflichtet, wenn er für die Verpflichtung der Gesellschaft zur Auflassung haftet.


2.3.2.1 Der ausgeschiedene OHG-Gesellschafter haftet nach §§ 128, 160 HGB für bis zu seinem Ausscheiden begründete Verbindlichkeiten, wenn sie vor Ablauf von fünf Jahren nach dem Ausscheiden fällig werden und daraus Ansprüche gegen ihn geltend gemacht werden. Die Verpflichtung zur Übertragung des Grundstücks ist in dem Pachtvertrag enthalten, also vor Ausscheiden des A. Allerdings war das Entstehen dieses Anspruchs nach § 158 I BGB aufschiebend bedingt durch die Geltendmachung der dem P eingeräumten zeitlichen Option. Es handelt sich nicht um eine Option über das Ob, sondern nur über das Wann der Übertragungsverpflichtung. Die Ver-pflichtung war damit von Anfang an entstanden. Sie war nach Geltendmachung der Option durch P sofort fällig (§ 271 I BGB), also bereits ein halbes Jahr nach dem Ausscheiden von A. P kann auch noch Ansprüche aus der Verbindlichkeit gegen A geltend machen. Damit haftet A grundsätzlich für die Verpflichtung der „A & B OHG“ auf Übertragung des Eigentums an dem Tankstellengrundstück.


2.3.2.2 Umstritten ist, ob ein Gesellschafter zur Leistung in Natur verpflichtet ist oder nur auf das geldwerte Interesse haftet. Nach der Erfüllungstheorie haftet der Gesellschafter nach § 128 HGB wie die Gesellschaft. Gesellschafts- und Gesellschafterschuld seien inhaltsgleich. § 128 HGB soll dem Sicherungsinteresse der Gesellschaftsgläubiger weitestgehend entgegen kommen. Die Haftungstheorie stellt darauf ab, dass § 128 HGB von Gesellschafterhaftung und Gesellschaftsschulden spricht. Während die Gesellschaft aus dem Gesellschaftsvermögen hafte, müssten die Gesellschafter aus ihrem Privatvermögen leisten. Daher sei die Haftung auf das geldwerte Interesse begrenzt. Reale Erfüllung sei nur zu leisten, wenn sich dies aus dem Vertrag mit dem Gläubiger ergebe. Dazwischen bewegt sich eine Auffassung, die eine Abwägung zwischen dem Sicherungsinteresse der Gesell-schaftsgläubiger und dem Interesse der Gesellschafter an einer größtmöglichen gesellschaftsfreien Privatsphäre vornimmt. Diese Auffassung stellt darauf ab, ob der Gesellschafter im Innenverhältnis zur Gesellschaft auf das geschuldete Verhalten verpflichtet ist. Da für keine der beiden ersten Mei-nungen eindeutige rechtssystematische Gründe herangezogen werden können, spricht mehr für die pragmatische auf eine Interessenabwägung abstellende Lösung. Da A gegenüber der Gesellschaft nicht zur Übertragung des Grundstücks verpflichtet war und sich aus dem Vertrag der „A & B OHG“ mit P nichts anderes ergibt, ist A nicht zur Übertragung des Grund-stücks verpflichtet.


Ergebnis: A haftet nur akzessorisch zur Verbindlichkeit der Gesellschaft auf Gelder-satz nach §§ 280 I BGB, 128, 160 HGB.


3. Ansprüche des P wegen der neuen Tätigkeit des A


3.1 P kann einen vertraglichen Anspruch gegen A auf Unterlassung einer Tätigkeit als Tankstellenbetreiber geltend machen, wenn das Wettbewerbsverbot wirksam vereinbart worden ist und A hieraus haftet.


3.1.1 Ein Wettbewerbsverbot kann gem. § 311 I BGB grundsätzlich frei vereinbart werden. Im Rahmen von gewerblichen Miet- und Pachtverträgen ist ein Wettbewerbsschutz des Mieters/Pächters angemessen. Das Wettbewerbsverbot muss inhaltlich die gegenseitigen Interessen abwägen und darf dem Verpflichteten nicht eine gewerbliche Tätigkeit gänzlich verwehren. Das räumlich beschränkte Wettbewerbsverbot für die „A und B OHG“ genügt diesen Anforderungen.


3.1.2 Das Wettbewerbsverbot trifft die „A & B OHG“ gem. § 124 I HGB. Eine Haftung des A für diese Verbindlichkeit kommt nur im Rahmen der §§ 128, 160 HGB in Betracht. Nach der Erfüllungstheorie kann der ausgeschiedene Gesellschafter A unproblematisch auf Unterlassung verklagt werden. Nach der Haftungstheorie wäre konsequenterweise ein solcher realer Anspruch nicht gegeben. Um eine Umgehung des Unterlassungsgebots durch die Gesellschafter zu verhindern, macht die Haftungstheorie eine Ausnahme und lässt ein unmittelbares Vorgehen gegen den Gesellschafter zu. Die vermittelnde Meinung berücksichtigt, dass einerseits A bei der Vereinbarung des Verbots selbst noch als Gesellschafter beteiligt war, aber andererseits in seiner beruflichen Tätigkeit nach dem Ausscheiden aus der Gesellschaft nicht unverhältnismäßig beschränkt werden darf. Die räumliche Begrenzung des Wettbewerbsverbots erscheint nicht als unverhältnismäßig. Nach allen Meinungen haftet A damit für das Unterlassungsgebot.


Ergebnis: P kann gegen A damit den vertraglichen Unterlassungsanspruch nach §§ 128, 160 I HGB geltend machen und so dessen Tätigkeit als Tankstellenbetreiber verhindern.





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