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Urheberrecht


Fall 44 - Manuskript


Kolumnistin K ist seit einigen Jahren bei der Frauenzeitschrift B beschäftigt und dort für den Teil „Kochen mit Liebe und Leidenschaft“ zuständig. Ihre Arbeitspausen nutzt K gelegentlich dazu, ihr Reisetagebuch über ihre letzte Exkursion in den Cornwall zu vervollständigen. Das Manuskript lässt sie immer unbeaufsichtigt auf ihrem Schreibtisch in dem Großraumbüro liegen. In ihrer Abwesenheit wird es dort durch die Herausgeberin H entdeckt, die von dem phantasievollen Schreibstil ihrer Angestellten hell auf begeistert ist. H lässt den Bericht mit kleineren Änderungen und Kürzungen in der nächsten Ausgabe abdrucken, wobei K als Autorin genannt wird. Als K von diesem Vorgehen erfährt, ist sie entrüstet, denn sie hatte vorgehabt, den Bericht beim Verlag V einzusenden. Dieser hatte ihr dafür bereits ein gutes Angebot unterbreitet.

K fragt sich daher, was sie gegen H unternehmen kann.

Anmerkung: K und H sind tarifgebunden.



§ 12 des Manteltarifvertrages für Redakteurinnen und Redakteure an Zeitschriften
Urheberrecht
1. Umfang der Urheberrechtsübertragung
Die/der Redakteurin/Redakteur räumt dem Verlag das ausschließliche, zeitlich, räumlich und inhaltlich unbeschränkte Recht ein, Urheberrechte und verwandte Schutzrechte im Sinne des Urheberrechtsgesetzes, die sie/er in der Erfüllung ihrer/seiner vertraglichen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis erworben hat, vom Zeitpunkt der Rechtsentstehung an zu nutzen. Die Einräumung umfasst die Befugnis des Verlags, die Rechte im In- und Ausland in körperlicher Form zu nutzen und in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben. Dies gilt insbesondere für Printmedien, Film, Rundfunk und/oder digitale Medien, Telekommunikations- und Datendienste z.B. Online-Dienste
sowie Datenbanken und elektronische Trägermedien (z.B. magnetische, optische, magneto-optische und elektronische Trägermedien wie CD-ROM und Disketten), ungeachtet der Übertragungs- und Trägertechniken.

Die Einräumung erstreckt sich auf:
a) das Vervielfältigungsrecht gem. § 16 UrhG,
das Verbreitungsrecht gem. §17 UrhG,
das Vorführungsrecht gem. § 19 Abs. 4 UrhG,
das Senderecht gem. § 20 UrhG,
das Recht der Wiedergabe von Funksendungen gem. § 22 UrhG,

b) das Recht zur Bearbeitung und Umgestaltung gem. § 23 UrhG, das Recht
zur Verfilmung und Wiederverfilmung gem. §§ 68, 94, 95 UrhG,

c) diese Rechte an Lichtbildern gem. § 72 UrhG.

Der/dem Redakteurin/Redakteur bleiben ihre/seine von urheberrechtlichen Verwertungsgesellschaften wahrgenommenen Zweitverwertungsrechte und Vergütungsansprüche nach §§ 21, 22, 26, 27, 49, 53, 54 und 54a UrhG vorbehalten. Vereinbarungen zwischen Verlagen, Verlagszusammenschlüssen und Verwertungsgesellschaften werden hierdurch nicht berührt.

2. Urheberpersönlichkeitsrechte
Die Urheberpersönlichkeitsrechte der/des Redakteurin/Redakteurs an ihren/seinen Beiträgen bleiben unberührt, insbesondere das Recht, Einstellungen, andere Beeinträchtigungen oder Nutzungen zu verbieten, die geeignet sind, ihre/seine berechtigten geistigen und persönlichen Interessen am Beitrag zu gefährden.




Lösung


A. Anspruch gem. § 97 UrhG

K könnte einen Anspruch auf Ersatz des materiellen und immateriellen Schadens gem. § 97 UrhG haben. Voraussetzung hierfür ist, dass H ein Urheberrecht der K widerrechtlich verletzt hat und hierbei zumindest fahrlässig, wenn nicht sogar vorsätzlich gehandelt hat.

I. Mangels anderer Angaben ist anzunehmen, dass es sich bei dem Reisebericht um ein Werk i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 UrhG handelt.

II. Weiterhin müsste ein Eingriff in die hieran entstandenen Rechte gegeben sein.

a. Zunächst kommt eine Verletzung von § 12 Abs. 1 UrhG in Betracht. Danach hat der Urheber das Recht zu bestimmen, ob sein Werk veröffentlicht wird. Durch die Veröffentlichung hat H dieses Recht der K verletzt.

b. Außerdem könnte § 13 S. 2 UrhG verletzt sein. Hiernach hat der Urheber das Recht zu entscheiden, ob sein Werk mit einer Urheberrechtsbezeichnung versehen wird und wenn ja, mit welcher. Der Urheber hat also auch das Recht eine anonyme Veröffentlichung zu verlangen. Das Reisetagebuch wurde unter Nennung des Namens der K veröffentlich. Ihr Wahlrecht wurde damit verletzt.

c. Zudem könnte H das Recht der K aus § 14 UrhG verletzt haben. Dann müsste eine Entstellung oder andere Beeinträchtigung ihres Werkes gegeben sein, die geeignet ist, ihre berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen an dem Werk zu gefährden. Bei einer Entstellung handelt es sich um eine tief greifende Verzerrung oder Verfälschung der Wesenszüge des Werkes. H hat das Werk der K mit kleineren Änderungen und Kürzungen veröffentlicht. Der Reisebericht wurde also in seinem Wesen verfälscht und somit entstellt. Umstritten ist, ob eine Eignung zur Interessengefährdung auch im Fall der Entstellung zu prüfen ist. Hier liegt auf jeden Fall eine Interessengefährdung vor. Dieser Streit kann somit dahingestellt bleiben. Im Rahmen der Interessenabwägung muss der Umfang des Adressantenkreises und die Reichweite der Veröffentlichung berücksichtigt werden. Durch die Veröffentlichung des Reiseberichts in einer Zeitschrift wurde das Recht der K stark beeinträchtigt.

d. Im Übrigen sind durch die Veröffentlichung des Berichts ihre Rechte aus §§ 16, 17 UrhG verletzt.

III. Die Verletzung müsste zudem widerrechtlich erfolgt sein. Hieran fehlt es in jedem Fall dann, wenn H Inhaberin eines einfachen oder ausschließlichen Nutzungsrechtes i.S.d. § 31 Abs. 1 S. 1 UrhG ist.

1. H könnte sich möglicherweise die ausschließliche Befugnis zur Nutzung des Berichts aus § 12 des Manteltarifvertrages für Redakteurinnen und Redakteure an Zeitschriften ergeben. Die in diesem Vertrag enthaltenen Regelungen gelten zwischen den beiderseits Tarifgebundenen gem. § 4 Abs. 1 TVG. Nach § 12 des Vertrages D räumt der Redakteur dem Verlag das ausschließliche, zeitlich, räumlich und inhaltlich unbeschränkte Recht ein, Urheberrechte und verwandte Schutzrechte im Sinne des Urheberrechtsgesetzes, die er in der Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis erworben hat, vom Zeitpunkt der Rechtsentstehung an zu nutzen.
Umstritten ist, ob § 12 MTV neben der Verpflichtung zur Rechtseinräumung auch das dazugehörige Verfügungsgeschäft gem. §§ 398, 413 BGB analog umfasst. Es stellt sich die Frage inwiefern überhaupt die Möglichkeit besteht, dass die Tarifparteien das Verfügungsgeschäft regeln können. Ein Argument gegen die Einräumung von Nutzungsrechten durch einen Tarifvertrag ist, dass es erforderlich ist, dass die Parteien des Verfügungsgeschäftes schon bei Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts feststehen müssten. Dies sei aber nur der Fall, wenn die Nutzungsrechte dem konkreten Verleger durch den konkreten Redakteur eingeräumt werden. Der Streit ist jedoch für den Fall unerheblich, dass das Nutzungsrecht an dem Reisebericht generell nicht von der Verfügung erfasst wird. § 12 MTV unterfallen nur Urheberrechte, die in Erfüllung der vertraglichen Pflichten aus dem Arbeitsvertrag erworben werden.

a. Dazu müsste K den Reisebericht in Erfüllung seiner arbeitsrechtlichen Pflichten erstellt haben. Für die Festlegung der arbeitsrechtlichen Pflichten i.S.d. § 12 MTV besteht derselbe Maßstab, wie in § 43 UrhG. Folglich ist auf die individuellen Vereinbarungen der Vertragsparteien im Arbeitsvertrag abzustellen. Daher handelt es sich bei einem Werk nur dann um ein Pflichtwerk, wenn die Schaffung auch ein Gegenstand des Arbeitsvertrages war. Es genügt somit nicht, wenn das Werk in dem Betrieb des Arbeitgebers verwendet werden kann oder der Arbeitnehmer durch seine Tätigkeit im Rahmen des Arbeitsvertrages zur Schaffung des Werkes inspiriert wird. Sowohl der Ort, als auch die Zeit der Erschaffung des Werkes sind für die Abgrenzung nicht zu beachten. K schreibt bei der Frauenzeitschrift für den Teil „Kochen mit Liebe und Leidenschaft“. Daher fällt das Schreiben von Reiseberichten nicht unter ihre Arbeitsaufgaben. Somit liegt kein Pflichtwerk vor. H hat kein ausschließliches Nutzungsrecht an dem Reisetagebuch.

b. Es könnte eine Anbietungspflicht der K gegenüber der H bestehen. Diese Anbietungspflicht könnte sich aus einer analogen Anwendung des § 19 ArbNErfG ergeben. Dies kommt jedoch aufgrund der persönlichkeitsrechtlichen Prägung des Urheberrechts nicht in Frage. Eine Anbietungspflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber könnte sich aber auch der arbeitsrechtlichen Treuepflicht des Arbeitnehmers ergeben. Allerdings ist diese Treuepflicht wiederum durch dem Umfang des Arbeitsvertrages begrenzt. Daher ergibt sich aus der Treuenpflicht keine Anbietungspflicht an Werken, welche die nicht aufgrund des Arbeitsvertrages geschuldet werden und daher frei sind. Die Treuepflicht umfasst jedoch ein Wettbewerbs- und Konkurrenzverbot. Daraus ergibt sich, dass ein Arbeitnehmer, falls er sein Werk veröffentlichen will, dieses zuerst seinem Arbeitgeber anbieten muss. Beabsichtigt der Arbeitnehmer sein Werk nicht zu veröffentlichen, führt sein Urheberrechtspersönlichkeitsrecht dazu, dass diese Entscheidung geschützt ist und folglich eine Anbietungspflicht entfällt.
Auf jeden Fall ergibt sich aus der Anbietungspflicht keine automatische Einräumung von Nutzungsrechten. H ist also nicht Inhaber des Nutzungsrechts, eine Verletzungshandlung liegt somit vor.

2. Mangels eines Rechtfertigungsgrundes ist die Verletzungshandlung damit auch rechtswidrig.

IV. Des Weiteren müsste H zumindest fahrlässig gehandelt haben. H hat hier keine Erkundigungen über die Rechtslage eingeholt und damit die im Verkehr erforderliche Sorgfalt missachtet. Somit hat H fahrlässig gehandelt.

V. Beim Schaden wird zwischen Vermögensschaden und immateriellen Schaden unterschieden.

1. Bei der Bestimmung der Höhe des Schadensersatzanspruches bezüglich des Vermögensschadens bestehen im Urheberrecht drei verschiedene Möglichkeiten. Dem Geschädigten steht hier ein Wahlrecht zu.
Der Geschädigte kann den konkreten Schaden, die übliche Lizenzgebühr oder die Herausgabe des Gewinn des Schädigers gem. § 97 Abs. 1 S. 2 UrhG verlangen. Die übliche Lizenzgebühr kann auch dann verlangt werden, wenn der Urheber dem Schädiger nie eine Lizenz eingeräumt hätte. Der Schädiger soll keine Vorteile aus seiner Handlung ziehen. K hat somit einen Anspruch auf Zahlung der vollen üblichen Lizenzgebühr gegen H.

2. K steht zudem ein Schadensersatzanspruch aus § 97 Abs. 2 UrhG gegen H wegen der Verletzung ideeller Interessen zu.

3. Die Ansprüche auf Ersatz des Vermögensschadens und auf Ersatz des immateriellen Schadens bestehen nebeneinander. Die Zahlung der Lizenzgebühr entschädigt nur für die unbefugte Nutzung. Die Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts muss darüber hinaus entschädigt werden.

VI. K hat gegen H Ansprüche aus § 97 Abs. 1 und § 97 Abs. 2 UrhG.


B. Anspruch gem. §§ 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt., 818 BGB

Die Ansprüche aus anderen gesetzlichen Ansprüchen bleiben unberührt, § 97 Abs. 3 UrhG. Folglich könnte K einen Anspruch aus §§ 812 Abs. 1 S. 1, 2. Fall, 818 BGB gegen H haben.
Der Gegenstand der Bereicherung ist der Gebrauchvorteil, d.h. die Nutzung des Reiseberichts. H hat die Nutzung nicht durch Leistung, sondern in sonstiger Weise auf Kosten des Urhebers, der K, erlangt. H hatte auch kein Nutzungsrecht, folglich fehlt es auch an einem rechtlichen Grund.
Der Reisebericht wurde bereits veröffentlicht. Eine Herausgabe des Erlangten ist hier also nicht mehr möglich, daher ist Wertersatz gem. § 818 Abs. 2 BGB zu leisten. Die Höhe ergibt sich aus dem Wert einer angemessenen Lizenz.
K hat somit einen Anspruch auf Zahlung der Lizenzgebühr aus §§ 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt., 818 BGB gegen H.





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