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Wirtschaftsprivatrecht I

Zustandekommen von Verträgen

Teil 5: Handeln für einen anderen


Die Rechtsfolgen einer Willenserklärung treffen grds. den Erklärenden, er wird Partei eines Vertrages. Der Erklärende handelt für sich selbst. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit einen Dritten als Vertreter einzusetzen, der rechtsgeschäftlich anstelle des Vertretenen handelt und ihn so berechtigen und verpflichten kann. Die Stellvertretung ist in den §§ 164 ff. BGB geregelt. Die Stellvertretung ist rechtsgeschäftliches Handeln im Namen des Vertretenen mit der Wirkung, dass die Rechtsfolgen unmittelbar die Person des Vertretenen treffen.

 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/WIPRIAuftrag/WIPRIStellvertretung.jpg)


A. Arten und Abgrenzung der Stellvertretung


Von aktiver Stellvertretung spricht man, wenn eine Willenserklärung durch einen Vertreter abgegeben wird, § 164 Abs. 1 BGB. Von passiver Stellvertretung bei der Entgegennahme einer Erklärung durch den Vertreter, § 164 Abs. 3 BGB.

Voraussetzung für das rechtsgeschäftliche Handeln des Vertreters für und gegen den Vertretenen ist insbesondere das Vorliegen von Vertretungsmacht. Sie kann rechtsgeschäftlich erteilt werden oder aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift unmittelbar bestehen (z.B. § 1629 Abs. 1 BGB). Der Vertreter muss durch Handeln im fremden Namen offen legen, dass er für den Vertretenen rechtsgeschäftlich tätig wird, nur dann sind die §§ 164 ff. BGB anwendbar.

Der mittelbare Stellvertreter handelt im eigenen Namen, aber im Interesse und für Rechnung des Geschäftsherrn. Er wird hier selbst berechtigt und verpflichtet, auch wenn sich der wirtschaftliche Erfolg für den im Hintergrund stehenden Geschäftsherrn realisieren soll. Es bestehen somit zwei Rechtsverhältnisse: zwischen mittelbarem Stellvertreter und Geschäftspartner einerseits und zwischen mittelbarem Stellvertreter und seinem Geschäftsherrn andererseits. Zwischen Geschäftspartner und Geschäftsherrn besteht keine Rechtsbeziehung. Die mittelbare Stellvertretung ist im BGB aber nicht geregelt, Sonderregeln finden sich im HGB. Der Abschlussvermittler vermittelt nur ein Rechtsgeschäft für einen anderen. Er handelt deshalb weder in eigenem noch in fremdem Namen. Der Ermächtigte verfügt im eigenen Namen über ein fremdes Recht. Der Bote übermittelt im Gegensatz zum Stellvertreter der eine eigene Willenserklärung abgibt, eine fremde Erklärung. Er hat keinen Entscheidungsspielraum bezüglich des Inhalts der Willenserklärung. Deshalb kann auch der Geschäftsunfähige Bote sein. Bei der Botenschaft kann der Geschäftsherr im Falle einer unbewussten Falschübermittlung durch den Boten die Erklärung nach § 120 BGB anfechten. Bei einem Boten kommt es beim Zugang auf die Möglichkeit zumutbarer Kenntnisnahme durch den Geschäftsherren an. Tritt ein Bote - bewusst oder unbewusst – als Vertreter auf, so gelten die Vorschriften über die Vertretung ohne Vertretungsmacht, §§ 177 ff. BGB.


B. Voraussetzungen der Stellvertretung


Es ist nicht erforderlich, dass der Vertreter voll geschäftsfähig ist. Es genügt nach § 165 BGB beschränkte Geschäftsfähigkeit, da die Folgen der Willenserklärung des Vertreters nicht ihn sondern den Vertretenen treffen, wenn die Erklärung im Rahmen seiner Vertretungsmacht abgegeben oder empfangen wird. Handelt eine beschränkt geschäftsfähiger Vertreter ohne Vertretungsmacht, so ist er durch § 179 Abs. 3 BGB geschützt. Es liegt im Risikobereich des Vertretenen einen beschränkt Geschäftsfähigen als Vertreter einzusetzen. Entscheidend für die Abgrenzung zwischen Boten und Stellvertreter ist das äußere Auftreten der Hilfsperson ggü. dem Erklärungsempfänger.

Voraussetzung der Vertretung:

  1. Zulässigkeit der Vertretung
  1. Handeln im fremden Namen
  1. Vertretungsmacht

Die Stellvertretung ist grds. für jede Abgabe und den Zugang von Willenserklärungen jeder Art zulässig. Ausnahmen sind höchstpersönliche Rechtsgeschäfte (z.B. Eheschließung).



1. Eigene Willenserklärung des Stellvertreters


Der Stellvertreter muss eine eigene Willenserklärung abgeben; dafür ist seine zumindest beschränkte Geschäftsfähigkeit erforderlich. Weil es sich um die eigene Willenserklärung des Vertreters handelt, ist für die Anfechtung entscheidend, ob sich der Vertreter geirrt hat, § 166 Abs. 1 BGB. Die Kenntnis oder das Kennenmüssen bestimmter Tatsachen und Umstände richtet sich anders als bei der Botenschaft nicht nach dem Geschäftsherrn, sondern nach dem Vertreter. Die ggü. einem Vertreter abgegebene Erklärung geht sofort zu, wenn sie in seinen Machtbereich gelangt und mit seiner Kenntnisnahme zu rechnen ist. Tritt der Vertreter als Bote auf, so werden die §§ 177 ff. BGB analog angewendet. § 120 BGB ist hier aber nur anwendbar, wenn der Vertreter als Bote auftritt und unbewusst eine falsche, von der Vertretungsmacht nicht gedeckte Erklärung abgibt.

Siehe hierzu auch folgendes Urteil:



2. Offenkundigkeitsprinzip


Die wirksame Stellvertretung setzt voraus, dass der Vertreter die Erklärung gem. § 164 Abs. 1 BGB in fremden Namen abgibt (sog. Offenkundigkeitsprinzip). Es muss für den Geschäftspartner auch erkennbar sein, dass er für einen anderen handelt und somit die Rechtsfolgen nicht den Vertreter sondern den Vertretenen treffen, d.h. die Wirkung für und gegen den Vertretenen muss offenkundig sein. Die Erklärung, in fremden Namen zu handeln, kann ausdrücklich erfolgen oder sich aus den Umständen ergeben, § 164 Abs. 1 S. 2 BGB. Wird dies nicht erkennbar, so wird der Vertreter selbst aus dem Geschäft berechtigt und verpflichtet, § 164 Abs. 2 BGB. Diese Regelung dient dem Interesse des Erklärungsempfängers, der regelmäßig wissen möchte, wer sein Vertragspartner ist.

Siehe hierzu auch folgendes Urteil:

Das Offenkundigkeitsprinzip kann in Einzelfällen durchbrochen werden, wenn es dem Geschäftsgegner nicht auf die Person des Kontrahenten ankommt, z.B. beim dinglichen Rechtserwerb bei Bargeldgeschäften des täglichen Lebens. Auch das verdeckte Geschäft für den, den es angeht stellt eine Ausnahme vom Offenkundigkeitsprinzip dar, hierbei handelt der Erklärende zwar für den Vertretenen, macht dies aber nicht deutlich. Beim offenen Geschäft für den, den es angeht tritt hingegen der Handelnde erkennbar für einen anderen auf, deckt jedoch dessen Identität nicht auf. Der Geschäftspartner kann natürlich in diesem Fall den Abschluss des Vertrags verweigern.

Fall 40:
K möchte einen neuen Zuchtbullen erwerben. Er bittet seinen Freund F den Bullen für ihn zu kaufen. Er selbst möchte unerkannt bleiben. F kauft, ohne den Namen des K zu erwähnen, den Bullen und stellt ihn vorübergehen in seinen Stall. Wer ist Eigentümer geworden?
 


Beim Handeln unter fremdem Namen verwendet der Erklärende anders als beim Handeln in fremdem Namen einen fremden als eigenen Namen. Ob hier die Erklärung für den echten Namensträger wirkt oder für denjenigen, der die Erklärung abgegeben hat, hängt davon ab, ob bei dem konkreten Geschäft der Name als solcher oder die handelnde Person im Vordergrund steht. Es kommt hierbei entscheidend darauf an, wie der Erklärungsgegner das Verhalten verstehen durfte und wie groß sein Interesse ist, nur mit einer bestimmten Person Rechtsgeschäfte zu schließen. Kommt es dem Geschäftspartner auf die Person des wirklich Handelnden an, so liegt nur eine bloße Namenstäuschung vor, wobei der Name keine Bedeutung für ihn hat und nicht zu einer falschen Identitätsvorstellung führt. Das Geschäft kommt hierbei mit dem Handelnden zustande. Wollte der Geschäftspartner hingegen gerade mit dem Namensträger den Vertrag abschließen, liegt eine Identitätstäuschung vor und das Geschäft kommt weder mit dem Handelnden noch mangels Vertretungsmacht mit dem Namensträger zustande (§§ 164 ff., 177 ff. BGB analog). Der wahre Namensträger kann das Geschäft aber nachträglich genehmigen und das Geschäft kommt mit ihm zustande. Tut er dies nicht, so haftet der unter fremden Namen Handelnde wie ein Vertreter ohne Vertretungsmacht nach § 179 BGB analog.

Beispiel:
A bucht in einem kleinen Zwei-Sterne-Hotel unter dem Namen „Brad Pitt“ ein Zimmer für eine Stunde.
a) Regelmäßig wird der Hotelinhaber erkennen, dass A nicht der berühmte Schauspieler Brad Pitt ist. Ihm wird es aber auch nur darauf ankommen, dass er das Entgelt für die Zimmernutzung bekommt, wobei es ihm egal ist, ob Brad Pitt oder A bezahlt.
b) Will der Hotelinhaber aber den Namen des berühmten Schauspielers Brad Pitt als Werbung für sein Hotel nutzen, kommt es ihm gerade darauf an, dass dieser und nicht A als Gast im Hotel absteigt.
 



Siehe hierzu auch folgendes Urteil:

Fall 41:
Student S bittet seinen Kollegen K für ihn eine Zeitung zu besorgen. K geht zum Bäcker B und kauft ohne den Namen des S zu nennen die Zeitung. Liegt ein Kaufvertrag zwischen B und S oder zwischen B und K vor?
 





3. Vertretungsmacht


Der Vertreter muss weiterhin mit Vertretungsmacht handeln. Sie kann rechtsgeschäftlich erteilt werden oder auf Gesetz beruhen.



a. Vollmacht


Die rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht heißt Vollmacht. Es handelt sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die sog. Bevollmächtigung. Eine Annahme durch den Bevollmächtigten ist nicht notwendig. Sie kann als sog. Innenvollmacht gegenüber dem zu Bevollmächtigenden erteilt werden, § 167 Abs. 1 Alt. 1 BGB. Hier steht es dem Geschäftsherrn frei, den potentiellen Geschäftspartnern oder sonstigen Dritten die erteilte Vollmacht anzuzeigen. Bei der Außenvollmacht erklärt der Geschäftsherr die Vollmacht von vornherein gegenüber dem Dritten, dem potentiellen Geschäftspartner, § 167 Abs. 1 Alt. 2 BGB.

Die Erteilung der Vollmacht ist gem. § 167 Abs. 2 BGB grds. formlos möglich. Sie kann ausdrücklich oder konkludent erteilt werden. Es ergeben sich aber Ausnahmen von der Formfreiheit aus gesetzlichen Sondervorschriften (z.B. § 1945 Abs. 2 BGB, § 1484 Abs. 3 BGB). Ebenso bei einem formpflichtigen Vertretergeschäft z.B. beim Erwerb oder Verkauf von Grundstücken.

Siehe hierzu auch folgendes Urteil:

Differenzierung zwischen Vollmacht und Grundverhältnis: Die Vollmacht gibt einem anderen die Rechtsmacht zur Vornahme eines bestimmten Rechtsgeschäfts mit Wirkung für und gegen den Vertretenen. Aus dem Grundverhältnis zwischen Vertreter und Vertretenem hingegen ergeben sich die Rechten und Pflichten für beide im Innenverhältnis. Hier kommt ein Auftrag, § 662 BGB, ein Geschäftsbesorgungsvertrag, § 675 BGB, oder ein Dienstvertrag, § 611 BGB in Betracht. Auch hier gilt das Trennungs- und Abstraktionsprinzip, d.h. die Bevollmächtigung ist ein selbständiges Rechtsgeschäft, das grds. vom Grundverhältnis abstrakt, also unabhängig ist. Nur ausnahmsweise können Grundverhältnis und Vollmacht zu einem einheitlichen Geschäft i. S. d. § 139 BGB verbunden sein, d.h. hier würde die Nichtigkeit des Grundverhältnisses auch zur Nichtigkeit der Vollmacht führen.

Fall 42:
V bittet X für ihn sein Fahrrad zu verkaufen. X findet bald einen Käufer und veräußert das Rad im Namen des V für 1000 €.
a) Ist V zur Übereignung des Rades verpflichtet, wenn er den X ausdrücklich aufgefordert hatte, möglichst einen Preis von wenigstens 1500 € zu erzielen?
b) Wie ist die Rechtslage, wenn V zu X gesagt hat, er dürfe das Rad keinesfalls unter 1500 € verkaufen?
 



Der Umfang der Vollmacht richtet sich danach ob es sich um eine Spezial-, Gattungs- oder Generalvollmacht handelt. Die Spezialvollmacht betrifft die Vornahme eines bestimmten einzelnen Geschäfts. Die Gattungsvollmacht gilt für eine bestimmte Art von Rechtsgeschäften z.B. Bankgeschäfte. Die Generalvollmacht berechtigt zur Vornahme aller Rechtsgeschäfte, bei denen eine Vertretung zulässig ist. Bestehen Zweifel hinsichtlich des Umfangs, so ist die Bevollmächtigung nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte auszulegen § 133 BGB, § 157 BGB. Entscheidend ist dabei der objektive Empfängerhorizont. Verstößt der Vertreter gegen die Weisungen des Geschäftsherrn innerhalb des Grundverhältnisses, so ist sein Handeln nicht von der Vertretungsmacht gedeckt, er handelt als Vertreter ohne Vertretungsmacht. Der Vertretene wird weder verpflichtet noch berechtigt. Allerdings können die Weisungen im Innenverhältnis den Umfang der Vollmacht auch unberührt lassen. In diesem Fall reicht das rechtliche Können im Außerverhältnis weiter, als das rechtliche Dürfen im Innenverhältnis. Durch die Weisung ist der Vertreter nur im Innenverhältnis verpflichtet, weisungsgemäß zu handeln, im Außenverhältnis ist die Vollmacht unbegrenzt. Schließt der Vertreter in diesem Fall weisungswidrig ein Geschäft ab, so wirkt dies für und gegen den Vertretenen. Der Vertreter ist dann aber im Innenverhältnis gegenüber dem Vertretenen wegen Verletzung der Vertragspflichten schadensersatzpflichtig.

Soweit der Vertreter durch seine eigene Vertretungsmacht dazu befugt ist, kann er auch seinerseits einen Vertreter einschalten (Untervollmacht). Die wirksame Untervertretung setzt sowohl eine wirksame Hauptvollmacht, als auch eine wirksame Untervollmacht voraus. Auch muss der Untervertreter im Namen des Vertretenen auftreten, aber nicht notwendigerweise offenlegen, dass er als Untervertreter handelt. Die Wirkungen treffen unmittelbar den Vertretenen.

Wenn die Vollmacht erlischt, fehlt dem Bevollmächtigten die Vertretungsmacht. Wann eine Vollmacht erlischt, richtet sich maßgeblich nach ihrem Inhalt z.B. bei einer auflösenden Bedingung oder einer Befristung der Vollmacht oder wenn ihr Zweck erreicht ist, die Vollmacht verliert dann ihre Wirkung. Das Erlöschen kann sich auch nach gesetzlichen Vorschriften richten, insb. § 168 BGB. So erlischt sie mit Beendigung des Grundverhältnisses. Die Vollmacht kann jederzeit widerrufen werden. Es handelt sich hierbei um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die gegenüber dem Bevollmächtigten oder gegenüber dem Geschäftspartner erklärt werden kann. Der Widerruf wirkt ex nunc. Der gute Glaube des Vertragspartners wird durch §§ 170 ff. BGB geschützt. Es besteht aber die Möglichkeit eine unwiderrufliche Vollmacht zu erteilen, die Unwiderruflichkeit kann sich dabei aus dem Zweck der Vollmacht ergeben oder vertraglich vereinbart werden, § 168 S. 2 BGB. Ein Widerruf einer unwiderruflichen Vollmacht aus wichtigem Grund ist dennoch jederzeit möglich.

Ebenso ist die Bevollmächtigung eine Willenserklärung. Umstritten ist, ob sie somit auch gem. §§ 119 ff. BGB anfechtbar ist. Soweit die Vollmacht noch nicht ausgeübt wurde, genügt der Widerruf. Ist die Vollmacht bereits ausgeübt, ist problematisch, dass der Vertreter aufgrund der ex tunc Wirkung der Anfechtung nachträglich zum falsus procurator wird, der Geschäftsgegner kann nur noch gegen ihn vorgehen, d.h. der Geschäftsgegner trüge das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Vertreters. Aus diesem Grunde lehnt eine Ansicht eine Anfechtung der Vollmacht generell ab. Sie argumentiert mit dem Wortlaut des § 166 BGB. Ansonsten könnte sich der Geschäftsherr allein durch Einschaltung eines Vertreters eine zusätzliche Anfechtungsmöglichkeit schaffen. Die h. M. bejaht hingegen eine Anfechtbarkeit der Vollmacht, da es sich um eine Willenserklärung handele, diese sei nach allgemeinen Regeln zu behandeln und damit auch anfechtbar. Die damit verbundenen Probleme löst die h. M. bei der Frage des Anfechtungsgegners. Grundsätzlich gilt das Wahlrecht des § 167 Abs. 1 BGB, wem gegenüber die Vollmacht erklärt wird, auch für die Person des Anfechtungsgegners (str). Im Fall der bereits betätigten Innenvollmacht ist zum Schutze des Geschäftspartners jedoch zumindest auch diesem ggü. die Anfechtung der Vollmacht zu erklären. Durch die Anfechtung besteht die Möglichkeit eine unwiderrufliche Vollmacht bzw. ein bereits vorgenommenes Vertretergeschäft mit ex tunc Wirkung, d.h. rückwirkend zu beseitigen. Die Anfechtung richtet sich nach h. M. an den Geschäftspartner, da sie das mit ihm geschlossene Geschäft angreift. Infolge der Anfechtung erlischt die Vollmacht mit rückwirkender Kraft § 142 Abs. 1 BGB, so dass der Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt hat. Nach h. M. erlangt der Vertragspartner einen direkten Anspruch nach § 122 BGB auf Ersatz des Vertrauensschadens gegen den anfechtenden Vollmachtgeber.

Fall 43:
V bevollmächtigt seinen Angestellten X zum Kauf von Blumen beim Großhändler G. Er teilt dem Blumenhändler F die Bevollmächtigung telefonisch mit. X kauft, ohne von dem Telefonat zu wissen, eigenmächtig, weil er den G für unzuverlässig hält, bei F Blumen im Wert von 800 €. Erst jetzt bemerkt V, dass er aus Versehen den F und nicht G angerufen hat und ficht seine Erklärung gegenüber F an. Kann F von V den Kaufpreis in Höhe von 800 € verlangen?
 


Außerdem erlischt die Vollmacht, wenn der Bevollmächtigte geschäftsunfähig wird oder wenn der Bevollmächtigte einseitig verzichtet. Von einem Erlöschen der Vollmacht ist auch auszugehen, wenn über das Vermögen des Vollmachtgebers ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, §§ 80, 81 InsO. -145




b. Rechtsscheinvollmacht


§ 170 BGB - § 173 BGB schützen den Geschäftspartner, der auf den Bestand der Vollmacht vertraut, obwohl diese schon erloschen ist. Voraussetzungen hierfür sind, dass der Vollmachtgeber durch die Kundgabe der Bevollmächtigung an den Dritten einen Rechtsschein gesetzt hat (z.B. durch eine Vollmachturkunde), der Dritte das Erlöschen der Vollmacht aber nicht kannte und auch nicht kennen musste, § 173 BGB. In diesem Fall ist der Geschäftspartner schutzwürdig und wird so behandelt als bestünde die Vollmacht noch immer. § 170 BGB betrifft die Außenvollmacht, sie bleibt ihm gegenüber solange wirksam, bis ihm das Erlöschen der Vollmacht angezeigt wird.

Siehe hierzu auch folgendes Urteil: BGH, U. v. 22.10.1996 – XI ZR 249/95

Weiterhin wird das Vertrauen des Geschäftspartners in die Vollmacht des Vertreters geschützt, wenn nur der Anschein einer bestehenden Vollmacht erweckt wird. Eine Duldungsvollmacht liegt vor, wenn der Geschäftsherr das Handeln eines anderen, nicht zur Vertretung Befugten kennt und duldet und falls der Geschäftsgegner aufgrund dieser Duldung nach Treu und Glauben auf das Bestehen einer Vollmacht schließen kann und darf.

Voraussetzungen:
      • Rechtsscheintatbestand,
      • das Auftreten eines angeblichen Stellvertreters, der in Wirklichkeit keine Vertretungsmacht hat,
      • objektive Umstände, welche auf eine bestehende Vollmacht hindeuten,
      • Zurechenbarkeit des Rechtsscheins,
      • Gutgläubigkeit des Vertragspartners,
      • Kausalität des Rechtsscheins für rechtsgeschäftliches Verhalten des Vertragspartners.

Bei der Anscheinsvollmacht kennt der Geschäftsherr das Handeln des nicht zur Vertretung Befugten zwar nicht, hätte es aber bei der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen müssen.

Voraussetzungen:
      • Rechtsscheintatbestand: Anschein der Bevollmächtigung des angeblichen Vertreters,
      • Zurechenbarkeit des Rechtsscheins,
      • Gutgläubigkeit des Vertragspartners bezüglich fehlender Vollmacht,
      • Kausalität.



c. Gesetzliche Vertretungsmacht


Personen, die ihre Angelegenheiten nicht selbst besorgen können und deshalb besonders schutzwürdig sind, erhalten einen gesetzlichen Vertreter. So werden z.B. minderjährige Kinder von ihren Eltern vertreten, § 1629 Abs. 1 BGB, das Mündel von seinem Vormund, § 1793 Abs. 1 BGB und der Betreute vom Betreuer, § 1902 BGB. Für juristische Personen handeln ihre Organe (organschaftliche Vertretung). Während Eltern und Vormund ihr Kind oder Mündel in allen Angelegenheiten der Personen- und Vermögenssorge vertreten, ist die Vertretungsmacht bei Betreuern oder Pflegern auf ihren festgelegten Arbeitskreis beschränkt. Ein Widerruf der gesetzlichen Vertretung kommt nicht in Betracht. Die gesetzliche Vertretungsmacht kann aufgrund besonderer Vorschriften ausgeschlossen oder eingeschränkt werden, insbesondere dann, wenn die Interessen des Vertretenen gefährdet sind. So besteht z.B. ein Vertretungsverbot für Schenkungen, § 1641 BGB, § 1804 BGB, § 1908 BGB. Ein solches Geschäft ist ohne Genehmigungsmöglichkeit nichtig. Die Vertretungsmöglichkeit der Eltern für das Kind ist gesetzlich für weitere Rechtsgeschäfte ausgeschlossen, § 1629 Abs. 2 S. 1 BGB i. V. m. § 1795 BGB. Wird ein solches Geschäft dennoch von den Eltern vorgenommen, so ist dies schwebend unwirksam und kann von dem zu bestellenden Pfleger § 1909 BGB oder dem volljährig gewordenen Minderjährigen genehmigt werden, §§ 177 ff. BGB.




d. Insichgeschäfte, § 181 BGB


Ebenso dürfen gesetzliche oder gewillkürte Vertreter keine Insichgeschäfte vornehmen, § 181 BGB (s. dazu schon oben). Hierbei wird zwischen dem Selbstkontrahieren, wobei der Vertreter im Namen des Vertretenen ein Rechtsgeschäft mit sich selbst im eigenen Namen abschließt und dem Fall der Mehrfachvertretung, bei welchem ein Vertreter zwei verschiedene Personen vertritt und zwischen beiden Vertretenen ein Rechtsgeschäft abschließt, unterschieden. § 181 BGB soll eine Interessenkollision vermeiden. Durch den Abschluss eines Insichgeschäfts überschreitet der Vertreter seine Vertretungsmacht, das Geschäft ist entgegen des Wortlauts des § 181 BGB nicht nichtig, sondern schwebend unwirksam. Der Vertretene kann es genehmigen.

§ 181 BGB enthält zwei Ausnahmen vom Verbot des Insichgeschäfts. Das Geschäft ist wirksam, wenn es dem Vertreter gestattet ist. Außerdem ist das Insichgeschäft gesetzlich erlaubt, wenn das Geschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht, § 181 letzter HS BGB. Die Anwendung des § 181 BGB ist auch ausgeschlossen, wenn das Geschäft dem Vertretenen ausschließlich einen lediglich rechtlichen Vorteil bringt.



e. Missbrauch der Vertretungsmacht


Von einem Missbrauch der Vertretungsmacht spricht man, wenn der Vertreter die ihm aufgrund des Innenverhältnisses vorgegebenen Grenzen missachtet. Die Vertretungsmacht regelt im Außenverhältnis das rechtliche Können und im Innenverhältnis das rechtliche Dürfen. Im Falle der Überschreitung der bestehenden Vertretungsmacht gelten die Regeln über die Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht, §§ 177 ff. BGB. Handelt der Vertreter hingegen innerhalb seiner Vertretungsmacht, jedoch entgegen seiner aus dem Innenverhältnis folgenden Pflichten, so ist der Vertretene grundsätzlich an das Verhalten des Vertreters gebunden und eine wirksame Vertretung liegt vor. Hier macht sich der Stellvertreter allerdings ggf. im Innenverhältnis schadensersatzpflichtig.

Erkennt der Geschäftspartner hingegen, dass der Vertreter seine Vertretungsmacht missbraucht, so ist sein Vertrauen in die Vertretungsmacht nicht schutzbedürftig, vielmehr muss dem Geschäft zum Schutz des Vertretenen die Wirksamkeit versagt werden. Entscheidend hierfür ist aber, dass der Geschäftspartner den Missbrauch erkennt oder zumindest aufgrund offensichtlicher Tatsachen hätte erkennen müssen (sog. Evidenz), d.h. er sich zumindest „vorsätzlich blind gestellt hat“. Wollen Vertreter und Geschäftspartner den Vertretenen gemeinsam schädigen, so ist das Geschäft wegen Sittenwidrigkeit nichtig nach § 138 Abs. 1 BGB (Kollusion).

Siehe hierzu auch folgendes Urteil:



C. Rechtsfolgen der Stellvertretung für den Vertretenen


Liegen alle Voraussetzungen für die wirksame Stellvertretung vor, so treten die Rechtsfolgen des Geschäfts in der Person des Vertretenen ein, welcher aus dem Geschäft berechtigt und verpflichtet wird. Er wird so behandelt, als hätte er die Erklärung selbst abgegeben oder entgegengenommen. Er hat auch das Anfechtungsrecht, es sei denn die Vertretungsmacht des Vertreters umfasst auch die Geltendmachung der Anfechtung. Gleiches gilt auch für das Widerrufsrecht.

Wurden die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst, so kommt es nicht auf die Person des Vertretenen, sondern auf die des Vertreters an, § 166 Abs. 1 BGB. Somit ist die Anfechtung des Vertretergeschäfts nur möglich, wenn sich der Vertreter geirrt hat. Auf den Vertretenen kommt es nicht an. Problematisch ist bei dieser Vorschrift, dass der Vertretene, wenn er bösgläubig ist, immer einen ahnungslosen Vertreter einschalten könnte. Dem wird durch § 166 Abs. 2 BGB vorgebeugt. Danach kann sich der Vollmachtgeber bzgl. der Umstände, die er selbst kannte, nicht auf die Unkenntnis des Vertreters berufen, wenn der bestellte Vertreter rechtsgeschäftlich nach bestimmten Weisungen handelt. Die Vorschrift ist auch für Willensmängel analog anwendbar.



D. Rechtsfolgen der Stellvertretung für den Vertreter


Der Vertreter wird aus dem Geschäft weder verpflichtet noch berechtigt, die Rechtsfolgen treffen allein den Vertretenen.



1. Persönliche Haftung


Eine persönliche Haftung des Vertreters kommt nur aus culpa in contrahendo, § 311 Abs. 2 BGB, § 241 Abs. 2 BGB in Betracht. So haftet der Vertreter zum einen dann, wenn er die Vertragsverhandlungen im eigenen wirtschaftlichen Interesse geführt hat und dabei aus dem Geschäft einen Nutzen dergestalt erstrebt, dass er gleichsam in eigener Sache tätig wurde. Ebenso, wenn er in besonderem Maße persönliches Vertrauen des Vertragspartners in Anspruch genommen hat, das über das normale Maß hinaus geht und der andere Teil in diesem Vertrauen enttäuscht wird.



2. Vertreter ohne Vertretungsmacht


 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/WIPRIAuftrag/WIPRISV.jpg)

Handelt der Vertreter im fremden Namen ohne Vertretungsmacht oder überschreitet er seine Vertretungsmacht, so treten die Wirkungen der Stellvertretung nicht ein. Der Vertretene kann aber das Geschäft nachträglich an sich ziehen, § 177 Abs. 1 BGB.
Dies wirkt sich bei Verträgen so aus, dass sie zunächst schwebend unwirksam sind. Der Vertretene hat die Möglichkeit das Geschäft nachträglich zu genehmigen. Der Geschäftsgegner kann, wenn er den Mangel der Vertretungsmacht nicht kannte, seine Vertragserklärung bis zur Erteilung der Genehmigung widerrufen, § 178 BGB, oder den Vertretenen zur Erklärung über eine Genehmigung auffordern, § 177 Abs. 2 BGB.

Einseitige Rechtsgeschäfte, die der Vertreter ohne Vertretungsmacht vornimmt, sind grds. nichtig und nicht genehmigungsfähig § 180 S. 1 BGB. Bei einseitigen empfangsbedürftigen Erklärungen gelten jedoch Ausnahmen, wenn der Geschäftspartner die vom Vertreter behauptete Vertretungsmacht bei Vertragsschluss nicht beanstandet hat oder sich damit einverstanden erklärt hat, dass der Vertreter ohne Vertretungsmacht handelt, § 180 S. 2 BGB. Ist der Empfänger der Erklärung Stellvertreter ohne Vertretungsmacht, gilt die Ausnahme, soweit der Vertreter mit der Vornahme des einseitigen Geschäfts einverstanden war, § 180 S. 3 BGB. In diesen Ausnahmefällen ist das Geschäft ebenso wie bei den Regeln über Verträge zunächst schwebend unwirksam und kann vom Vertretenen gem. § 177 BGB genehmigt werden.

Verweigert der Vertretene die Genehmigung, so ist der Vertrag endgültig unwirksam. Kannte der Vertreter bei Abschluss des Vertrags den Mangel der Vertretungsmacht, so haftet er dem Geschäftspartner nach dessen Wahl auf Erfüllung oder Schadensersatz, § 179 Abs. 2 BGB. Wählt er die Erfüllung, so wird der Vertreter nicht Vertragspartner, vielmehr entsteht dadurch ein gesetzliches Schuldverhältnis, dessen Inhalt allerdings durch den unwirksamen Vertrag bestimmt wird. Der Vertreter hat dann seinerseits Anspruch auf Gegenleistung und ihm stehen die Gewährleistungsrechte bzw. die Rechte nach § 320 ff. BGB zu. Wählt der Geschäftsgegner den Schadensersatz, so ist er so zu stellen, wie er bei Abschluss des wirksamen Vertrages und dessen Erfüllung gestanden hätte (Nichterfüllungsschaden).

Bei Unkenntnis des Vertreters vom Mangel der Vertretungsmacht ist er gem. § 179 Abs. 2 BGB lediglich zum Ersatz des Vertrauensschadens verpflichtet, wobei der Geschäftspartner so zu behandeln ist, als sei der Vertrag nie zustande gekommen.
Die Haftung des Vertreters ist ausgeschlossen, wenn der Geschäftsgegner den Mangel der Vertretungsmacht kannte oder fahrlässig nicht kannte. Ebenso ist eine Haftung nicht gegeben, wenn der Vertreter nur beschränkt geschäftsfähig war und ohne die Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters gehandelt hat § 179 Abs. 3 S. 2 BGB (Minderjährigenschutz). Ebenso scheidet die Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht aus, wenn der Geschäftspartner seine Vertragserklärung nach § 178 BGB widerrufen hat und damit eine Genehmigung des Vertrags durch den Vertretenen verhindert hat.

Der Untervertreter haftet nach § 179 BGB grds. für Mängel der Untervollmacht. Ist diese hingegen wirksam, nicht aber die Hauptvollmacht, dann haftet der Untervertreter nur, wenn er seine Untervertretung nicht offen gelegt hat.

Fall 43:
F ist auf einer Party eingeladen. Als er dort ankommt ist er enttäuscht, weil es nicht den von ihm erwarteten Champagner gibt. Der Partyveranstalter S hatte diesen zwar bestellt, aber die Lieferung war ausgeblieben. F zögert nicht lange und bestellt ohne S zu fragen ein paar Kisten des Getränks beim Getränkelieferanten. Als die Kisten eintreffen verweist F zur Bezahlung der Rechnung auf S. Zu Recht?
 



E. Handelsrechtliche Vertretungsregeln


Im Handelsrecht werden verschiedene spezielle Formen der Vertretung unterschieden: die Prokura (§§ 48 ff. HGB), die Handlungsvollmacht (§ 54 HGB) und die Vollmacht des Ladenangestellten (§ 56 HGB).

Exkurs: Einzelheiten zu den handelsrechtlichen Vertretungsregeln

1. Die Prokura ist eine rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht mit gesetzlich vorgeschriebenem Umfang. Sie ist gegenüber der Vollmacht gem. § 166 Abs. 2 S. 1 BGB eine Sonderform, da bei der Vollmacht gem. BGB der Umfang vom Geschäftsherren selbst bestimmt wird. Der gesetzlich festgeschriebene Umfang der Prokura dient dem Interesse des Rechtsverkehrs und des Vertrauensschutzes. In einer arbeitsteiligen Wirtschaft wird die Ausübung von kaufmännischen Tätigkeiten regelmäßig durch Hilfspersonen vorgenommen, durch die Festlegung des Umfangs ist gewährleistet, dass jeder in der Wirtschaft Tätige beurteilen und sich auch darauf verlassen kann, dass die Hilfsperson, mit der er gerade Geschäfte schließt, auch dazu befugt ist. Befugt eine Prokura zu erteilen ist gem. § 48 Abs. 1 HGB nur ein Kaufmann (also nach § 2 S. 1 HGB auch der eingetragenen Kann-Kaufmann) oder sein gesetzlicher Vertreter und zwar durch eine ausdrückliche Erklärung.

Formen der Prokura:

a) echte Gesamtprokura

Die Prokura kann gem. § 48 Abs. 2 HGB an mehrere Personen gemeinschaftlich i. S. e. Gesamtvertretungsmacht erteilt werden. Sie ist eine persönliche Beschränkung des Umfangs der Prokura, weil die Gesamtprokura nur von allen oder einer bestimmten Anzahl von Prokuristen gemeinsam ausgeübt werden kann.

b) (unechte) gemischte Gesamtprokura

Der Prokurist kann nur gemeinschaftlich mit einer anderen Person, deren Vertretungsmacht nicht auf Prokura beruht, gemeinsam handeln.

c) Filialprokura

Die Prokura ist vom Geschäftsherren auf den Betrieb einer oder mehrerer Niederlassungen beschränkt (§ 50 Abs. 3 HGB). Voraussetzung hierfür ist, das der Geschäftsherr mehrere Filialen unter verschiedenen Firmen führt.

Die Prokura wird gem. § 48 Abs. 1 HGB durch eine empfangsbedürftige, ausdrückliche Willenserklärung des Kaufmanns erteilt (vgl. §§ 167 ff. BGB). Der Erklärende muss Kaufmann sein (§ 48 HGB) und die Erklärung persönlich und ausdrücklich an den Prokuristen selbst oder an einen Dritten richten. Die Erteilung kann nur an natürliche Personen, die nicht gleichzeitig organschaftliche Vertreter sind, erfolgen. Der Geschäftsinhaber ist zudem gem. § 53 Abs. 1 HGB verpflichtet, die Prokura ins Handelsregister eintragen zu lassen. Die Eintragung ist aber nicht Wirksamkeitsvoraussetzung, sondern hat lediglich deklaratorische Wirkung.

Der Umfang der Prokura ist gem. §§ 49 f. HGB gesetzlich festgelegt und ist Dritten gegenüber nicht beschränkbar (§ 50 HGB). Sie ist eine Vollmacht für Geschäfte, die ein Handelsgewerbe mit sich bringt. Der Prokurist ist befugt, alle Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen für und gegen den Geschäftsinhaber abzuschließen. Die Berufung auf die Unbeschränkbarkeit der Prokura ist ausnahmsweise ausgeschlossen, wenn der Prokurist seine Vollmacht im Innenverhältnis überschreitet und der Dritte hiervon Kenntnis hat. Für einige Geschäfte ist die Prokura ausgeschlossen:

      • private Angelegenheiten des Geschäftsherren, die sich nicht auf das Handelsgewerbe beziehen,
      • Geschäfte, die nicht dem Betrieb dienen,
      • reine Inhabergeschäfte (sog. Prinzipalgeschäfte) wie Bilanzunterzeichnung gem. § 245 HGB und Prokuraerteilung selbst gem. § 48 HGB,
      • Grundlagengeschäfte (= Geschäfte, auf denen die Existenz, Rechtsform und rechtliche Ausgestaltung des Handelsgewerbes aufbauen),
      • Veräußerung und Belastung von Grundstücken, sofern die Prokura hierauf nicht ausdrücklich erweitert worden ist (§ 49 Abs. 2 HGB).

Die Prokura kann gem. § 52 Abs. 2 HGB durch den Geschäftsinhaber widerrufen werden. Der Widerruf ist jederzeit und ohne Angabe von Gründen durch einseitiges Rechtsgeschäft gegenüber dem Prokuristen oder dem Dritten möglich. Die Prokura erlischt weiterhin, wenn das ihr zugrunde liegende Grundverhältnis beendigt wird (§ 168 S. 1 BGB) oder beim Tod des Prokuristen (§ 52 Abs. 3 HGB). Außerdem erlischt die Prokura, wenn der Geschäftsinhaber z.B. durch Einstellung des Handelsbetriebs seine Kaufmannseigenschaft verliert. Durch das Erlöschen der Prokura fehlt dem ehemaligen Prokuristen die Vertretungsmacht. Geschäfte, die er trotzdem weiter vornimmt, sind gem. §§ 177 ff. BGB zu behandeln. Der Geschäftsinhaber hat das Erlöschen der Prokura im Handelsregister bekannt zu geben. Erfolgt keine Eintragung und Bekanntmachung, hat das keine Auswirkungen auf das tatsächliche Erlöschen der Prokura, allerdings wird der gutgläubige Dritte in seinem Vertrauen auf das Bestehen der Prokura geschützt.


2. Die Handlungsvollmacht gem. § 54 HGB ist jede im Betrieb eines Handelsgewerbes erteilte Vollmacht, die keine Prokura ist. Die Handlungsvollmacht dient dem Interesse des Geschäftsinhabers, für den der weite, fest bestimmte Umfang der Prokura gefährlich sein kann. Bei der Handlungsvollmacht kann der Geschäftsinhaber selbst den Umfang der Vollmacht festlegen. Es gelten die Vorschriften der §§ 167 ff. BGB entsprechend. Um aber auch weiterhin den Dritten in seinem Vertrauen zu schützen, hat die Handlungsvollmacht einen gesetzlich festgelegten Mindestumfang.

Im Unterschied zur Prokura braucht der Geschäftsherr die Handlungsvollmacht nicht selbst zu erteilen, sondern kann hierzu auch einen Bevollmächtigten beauftragen. Weiterhin ist keine ausdrückliche Erklärung für die wirksame Erteilung notwendig, sondern es genügt eine stillschweigende, konkludente Erklärung. Der Umfang der Handlungsvollmacht ist auf bestimmte Geschäfte beschränkt. Beschränkungen der Vollmacht wirken sowohl im Innenverhältnis gegenüber dem Bevollmächtigten, als auch im Außenverhältnis gegenüber dem Dritten. Der Dritte darf sich nur auf das Vorliegen einer entsprechenden Vollmacht für das spezifische Geschäft verlassen, wenn er sich von der Art der Handlungsvollmacht und deren Geltung für das Geschäft überzeugt hat. Die Erlöschensgründe einer Handlungsvollmacht richten sich ausschließlich nach dem BGB. Im Gegensatz zur Prokura ist die Handlungsvollmacht nicht ins Handelsregister eintragbar. Die Handlungsvollmacht ist mit Einwilligung des Geschäftsinhabers übertragbar und endet somit auch nicht zwingend mit dem Tod des Vollmachtinhabers (arg. ex. § 58 HGB).

Es gibt drei Grundformen der Handlungsvollmacht, die jeweils einen unterschiedlichen Vollmachtsumfang beinhalten.

a) Generalhandlungsvollmacht

Der Bevollmächtigte ist zur Vornahme aller Geschäfte und Rechtshandlungen berechtigt, die der „Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes“ gewöhnlich mit sich bringt (§ 54 Abs. 1 HGB). Es muss sich folglich um branchenübliche Geschäfte handeln, die nicht nur selten anfallen und sich im finanziellen Rahmen des Handelsgewerbes halten.

b) Arthandlungsvollmacht

Die Arthandlungsvollmacht erstreckt sich auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, welche die Vornahme von Geschäften dieser Art gewöhnlich mit sich bringt (§ 54 Abs. 1 HGB).

c) Spezialhandlungsvollmacht

Die Vollmacht ist auf Geschäfte und Rechtshandlungen beschränkt, welche die Vornahme eines solchen bestimmten einzelnen Geschäfts gewöhnlich mit sich bringt (§ 54 Abs. 1 HGB).

3. Nach § 56 HGB gilt derjenige, der in einem Laden oder offenen Warenlager angestellt ist (Ladenangestellter), zu Verkäufen und Empfangnahmen als bevollmächtigt, die in einem derartigen Laden oder Warenlager gewöhnlich vorkommenden Geschäfte vorzunehmen. Es wird eine unwiderlegliche Vermutung der Vollmachtserteilung durch § 56 HGB vermutet, die den Kunden grds. von Nachforschungspflichten freistellen soll. § 56 HGB ist eine Rechtsscheinvollmacht. Voraussetzung ist, dass die Hilfsperson in einem Laden oder einem offenem Warenlager angestellt ist. Ein Laden oder offenes Warenlager ist jede Verkaufsstätte, die zum freien Eintritt für das Publikum und zum Abschluss von Geschäften bestimmt ist. Angestellt sind Personen, die mit Wissen und Wollen des Geschäftsinhabers in dem Laden / offenen Warenlager tätig sind. Ein wirksames Arbeitsverhältnis ist für eine Anstellung i.S.v. § 56 HGB nicht erforderlich. Die Hilfsperson darf weiterhin nur übliche Geschäfte tätigen, das sind Verkäufe und Empfangnahmen, die im Laden / Warenlager getätigt oder angebahnt werden, d.h. sie dürfen nicht branchenfremd sein. § 56 HGB ist daher nicht auf Ankäufe anwendbar, auch nicht analog! Schließlich muss der Dritte hinsichtlich des Bestehens der Vollmacht gutgläubig sein.







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