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Wirtschaftsprivatrecht II

Inhalt der Verträge

Teil 2: Allgemeine Regelungen zum Vertragsinhalt


A. Arten von Schuld


Gattungsschuld und Stückschuld
Im BGB wird grundsätzlich zwischen der Gattungs- und Stückschuld unterschieden. Diese Unterscheidung ist gerade in Fällen der Unmöglichkeit einer Leistung relevant.

Gattungsschuld
Bei der Gattungsschuld bestimmen die Vertragsparteien den geschuldeten Leistungsgegenstand bei Vertragsschluss nur nach Gattungsmerkmalen, d.h. die geschuldete Leistung wird nicht individuell, sondern nur nach allgemeinen Kriterien wie Art, Qualitätsmerkmale, Preisklasse oder Menge bestimmt (z.B. 300 kg Äpfel). Gegenstand einer Gattungsschuld ist daher regelmäßig eine vertretbare Sache. Die Gattung ergibt sich aus der Parteivereinbarung (relativer Gattungsbegriff), ansonsten nach objektiven Kriterien (marktbezogener Gattungsbegriff). Nach § 243 Abs. 1 BGB muss der Schuldner einer Gattungsschuld eine Sache von mittlerer Art und Güte leisten. Der Schuldner kann also nur mit erfüllungstauglichen Sachen mittlerer Art und Güte seine Schuld gemäß § 362 Abs. 1 BGB erfüllen. Bietet er unterdurchschnittliche Sachen oder Sachen aus einer anderen Gattung (sog. Aliud-Lieferung) an, so kann er mit diesen nur erfüllen, wenn der Gläubiger zustimmt. Der Gläubiger einer Gattungsschuld ist nicht an bestimmten Stücken interessiert, weil es sich um ein gleichartiges Naturprodukt handelt oder wegen der Serienfabrikation typischerweise alle Stücke gleich ausfallen. Hinsichtlich der Unmöglichkeit einer Gattungsschuld gemäß § 275 Abs. 1 BGB gilt, solang nicht alle Stücke einer Gattungsschuld untergangen sind, tritt beim Leistungsschuldner keine Unmöglichkeit ein, auch wenn er kein Stück dieser Gattung mehr besitzt (Beschaffungsrisiko).

Stückschuld
Im Gegensatz zur Gattungsschuld wird bei der Stückschuld eine individuelle oder individualisierbare Sache geschuldet. Das BGB geht in seiner Systematik von der Stückschuld aus, bei der der Schuldner von Anfang an einen ganz bestimmten Gegenstand schuldet und auch nur mit diesem Gegenstand seine Schuld gemäß § 362 Abs. 1 BGB erfüllen kann (z.B. Pkw einer bestimmten Marke mit einer bestimmten Fahrgestell-Nr., bestimmtes Kunstwerk Sache ist nicht austauschbar). Geht dieses bestimmte Stück unter, so wird der Schuldner von seiner Leistungspflicht gemäß § 275 Abs. 1 BGB frei, die Leistungsgefahr geht somit auf den Gläubiger über. Nach § 243 Abs. 2 BGB wandelt sich die Gattungsschuld durch Konkretisierung (z.B. eine Sache zur Abholung bereitstellen) in eine Stückschuld um, wenn der Schuldner seinerseits alles zur Leistung Erforderliche getan hat. Ob dies der Fall ist, hängt wiederum davon ab, ob eine Hol-, Bring- oder Schickschuld vereinbart wurde, d.h. also der Eintritt der Konkretisierung richtet sich nach der räumlichen Art der Schuld. Während bei der Holschuld (Regelfall) der Leistungs- und Erfolgsort beim Schuldner liegen (z.B. Waren aus dem Supermarkt, Autoreparatur in Werkstatt), befindet sich der Leistungs- und Erfolgsort bei der Bringschuld beim Gläubiger (z.B. Pizzalieferant, Hausbesuch des Frisörs). Bei der Schickschuld liegt der Leistungsort beim Schuldner, der Erfolgsort hingegen beim Gläubiger (z.B. Versandhandel). Eine Stückschuld liegt vor allem durch die Aussonderung aus Sachen der gleichen Gattung vor. Dies hat zur Folge, dass die Leistungsgefahr auf den Gläubiger übergeht (vgl. § 275 Abs. 1 BGB).

Wahlschuld
Eine weitere im BGB geregelte Schuldart ist die Wahlschuld gemäß § 262 BGB. Um eine Wahlschuld handelt es sich, wenn von mehreren geschuldeten Leistungen nur eine bewirkt werden muss (z.B. Verpflichtung zur Abnahme einer bestimmten Menge Öl, wobei der Käufer die Wahl zwischen verschiedenen Ölarten hat, BGH NJW 1960, 674). Weiterhin gibt es die Ersetzungsbefugnis, welche jedoch im BGB nicht allgemein geregelt und auch nicht definiert ist. Nach der Definition durch die Lehre wird bei der Ersetzungsbefugnis zunächst eine bestimmte Leistung geschuldet, doch kann ein Beteiligter statt dieser Leistung eine andere wählen und diese so zum alleinigen Schuldinhalt machen. Nach der Wahl ist also der Schuldinhalt gleichfalls wieder bestimmt, nur eben anders als zuvor.

Geldschuld
Eine Geldschuld (sog. qualifizierte Schickschuld) verpflichtet den Schuldner dazu, dem Gläubiger die Verfügungsmacht über den durch den Nennbetrag der Schuld ausgedrückten Vermögenswert zu verschaffen. Die Geldschuld ist daher eine Wertverschaffungsschuld (sog. Geldsummenschuld) und keine Sachschuld, damit auch keine Gattungsschuld. Bei der Übermittlung des Geldes trägt der Schuldner die Leistungsgefahr. Geschuldet wird regelmäßig in inländischer Währung, wobei die Zahlung in bar oder durch Buchgeld erfolgen kann (BGHZ 98, 24, 30; EuGH NJW 2008, 1935). Bei der zweiten Alternative tritt die Erfüllungswirkung erst mit Gutschrift des Betrags auf dem Gläubigerkonto ein.


B. Leistungsort und Leistungszeit


Regelungen
Hinsichtlich des Ortes der Leistung sind zu unterscheiden: Der Leistungsort ist derjenige Ort, an dem der Schuldner die (abschließende) Leistungshandlung vorzunehmen hat. Dieser ist für jede Leistungspflicht gesondert zu bestimmen. Dagegen ist der Erfolgsort derjenige Ort, an dem der Erfüllungserfolg eintreten soll. Aus § 269 Abs. 1 BGB ergibt sich, dass die Vertragsparteien den Leistungs- und den Erfolgsort selbst bestimmen. Fehlt ein solcher Parteiwille, so ist auf die Umstände des Einzelfalls (Auslegung, Verkehrssitte), insbesondere auf die Natur des Schuldverhältnisses abzustellen. Wurde der Leistungsort von den Parteien nicht bestimmt, so ist gemäß § 269 Abs. 1 BGB der Wohnsitz des Schuldners der Leistungsort. Die Bedeutung des Leistungsortes stellt auf die Verteilung der Leistungsgefahr bei Gattungsschulden durch eine Konkretisierung ab, d.h. auf die Vornahme der nötigen Leistungshandlungen durch den Schuldner. Die Leistungszeit wird in § 271 BGB geregelt, wobei nach Abs. 1 zwei Zeitpunkte zu unterscheiden sind: Die Fälligkeit ist dabei der Zeitpunkt, zu welchem der Gläubiger die Leistung verlangen kann. Der Zeitpunkt der Erfüllbarkeit ist hingegen dieser, in dem der Schuldner die entsprechende Leistung bewirken kann. Die Erfüllbarkeit muss schließlich spätestens gleichzeitig mit der Fälligkeit vorliegen. Wiederrum kann die Erfüllbarkeit bereits vor Fälligkeit eintreten. Wie schon beim Leistungsort hat auch bei der Leistungszeit die Parteiabrede Vorrang. Ausdrückliche Vereinbarungen werden häufig hinsichtlich der Fälligkeit von den Vertragsparteien getroffen (z.B. wann der vereinbarte Kaufpreis zu zahlen oder ein Hausbau fertigzustellen ist). Der Gläubiger kann die Leistung erst bei Fälligkeit verlangen. Der Schuldner hingegen kann die geschuldete Leistung jederzeit erfüllen. Fälligkeit und Erfüllbarkeit treten sofort ein, wenn die entsprechende Leistungszeit weder bestimmt, noch den Umständen zu entnehmen ist.


C. Zurückbehaltungsrechte


Überblick
Neben dem allgemeinen Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB treten noch das Zurückbehaltungsrecht bei gengenseitigen Verträgen nach § 320 BGB und besondere Zurückbehaltungsrechte im kaufmännischen Verkehr.


1. Allgemeines Zurückbehaltungsrecht

§ 273 BGB
Das Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB stellt ein Hilfsmittel zur Durchsetzung der eigenen Rechte dar, indem die Erfüllung von Ansprüchen des Vertragspartners so lange unterbleibt, bis dieser seinerseits seinen vertraglichen Verpflichtungen nachkommt. Dabei ist die Forderung, der das Zurückbehaltungsrecht entgegengehalten wird zwar nicht selbst (etwa durch Unmöglichkeit oder Verzug) gestört. Allerdings hat der Schuldner dieser Forderung seinerseits aus „demselben Rechtsverhältnis“ eine Forderung gegen seinen Gläubiger, und diese andere Forderung wird trotz Fälligkeit nicht erfüllt. Diese Vorschrift schafft somit eine Verbindung zwischen mehreren Leistungspflichten (= innerlich zusammengehöriges einheitlichen Lebensverhältnis, BGHZ 47, 157). Die eine Forderung soll nicht erfüllt werden müssen, wenn nicht auch die andere erfüllt oder wenn nicht wenigstens ihretwegen eine Sicherheit geleistet wird.

 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/WIPRIIVertraglRegelungen/WIPRIIZBR.jpg)
Voraussetzung für das allgemeine Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB ist daher zunächst das Vorliegen einer wechselseitigen Forderung, d. h., der Schuldner hat einen Gegenanspruch gegenüber dem Gläubiger. Die Vertragsparteien sind also sowohl Schuldner als auch Gläubiger. Ein Anspruch gegen einen Dritten genügt dabei nicht, es sei denn, die Forderung wurde zuvor abgetreten. Eine weitere Voraussetzung ist die Konnexität der entsprechenden Forderung. Dabei muss die Gegenforderung des Schuldners aus dem gleichen rechtlichen Verhältnis hervorgehen, aus dem sich seine Verpflichtung begründet. Dieses im Wortlaut des Gesetzes genannte „rechtliche Verhältnis“ wird nicht als „Rechtsverhältnis“ gedeutet, sondern als „innerlich zusammenhängendes einheitliches Lebensverhältnis“ (BGH NJW 2004, 3484). Konnex sind auch Ansprüche aus einer Ehe einerseits und deren Auflösung andererseits (BGHZ 92, 194, 196). Nicht konnex sind nach BGHZ 115, 99, 103 f. Ansprüche aus mehreren selbständigen Stromlieferungsverträgen: Der Stromlieferant darf den Strom für den Privathaushalt nicht sperren, weil die (auf einem anderen Vertag beruhende) Stromrechnung für den Gewerbebetrieb des Schuldners noch nicht bezahlt ist. Eine Sonderregelung für die Konnexität enthält § 273 Abs. 2 BGB. Diese greift bei Ansprüchen auf Herausgabe eines Gegenstandes und Gegenansprüchen wegen der Verwendung auf diesen Gegenstand.

 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/WIPRIIVertraglRegelungen/WIPRIIBeispielZBR.jpg)

Das allgemeine Zurückbehaltungsrecht erfordert weiterhin die Durchsetzbarkeit, vor allem aber die Fälligkeit des entsprechenden Anspruchs sowie die Ungleichartigkeit des Inhalts von Forderung und Gegenforderung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 273 BGB, da ansonsten die Möglichkeit zur Aufrechnung besteht. Schließlich darf der Zurückbehaltung kein rechtliches Hindernis entgegenstehen (vertragliche Vereinbarungen und gesetzliche Ausnahmen, Natur und Zweck des Schuldverhältnisses, Treu und Glauben, vorsätzliche unerlaubte Handlung). Weiterhin muss der Schuldner seinen Willen, wegen einer bestimmten Gegenforderung die Leistung zu verweigern, deutlich machen, d.h. seine Einrede geltend machen. Nach § 273 Abs. 3 BGB kann der Gläubiger die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch Sicherheitsleistung (§§ 232 ff. BGB) abwenden.

Ein besonderes Zurückbehaltungsrecht für Eigentümer-Besitzer-Verhältnisse ist in den Vorschriften § 1000 BGB - § 1003 BGB geregelt.

Sind die Beteiligten eines Schuldverhältnisses Kaufleute i.S.v. §§ 1 ff. HGB, greifen die Sonderregelungen des kaufmännischen Zurückbehaltungsrechts nach §§ 369 ff. HGB ein.



2. Zurückbehaltungsrecht im gegenseitigen Vertrag

§ 320 BGB
Vom allgemeinen Zurückbehaltungsrecht des § 273 BGB unterscheidet sich in wesentlichen Punkten das Zurückbehaltungsrecht beim gegenseitigen Vertrag gemäß § 320 BGB. Ein Zurückbehaltungsrecht aus § 320 BGB setzt zunächst voraus, dass der in Anspruch genommene Schuldner aus demselben (wirksamen) gegenseitigen Vertrag (und nicht nur aus demselben „rechtlichen Verhältnis“, § 273 Abs. 1 BGB) einen Gegenleistungsanspruch hat. Weiter muss es sich bei dem Gegenleistungsanspruch auch um einen im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden (synallagmatischen) Anspruch, also um eine Hauptleistungspflicht handeln. Bloße Nebenleistungspflichten begründen damit nach h. M. kein Zurückbehaltungsrecht nach § 320 BGB, wohl aber nach § 273 BGB (BGHZ 161, 241,241 f.).

Nach § 320 Abs. 1 BGB ist die Einrede für denjenigen ausgeschlossen, der vorzuleisten verpflichtet ist. Eine solche Vorleistungspflicht kann aus dem Gesetz oder einem Vertrag stammen. Die entsprechende Rechtsfolge ist dann die Erbringung der Leistung Zug um Zug.

Trotz der Ähnlichkeit des Zurückbehaltungsrechtes nach § 320 BGB, gibt es dennoch einige Unterschiede zu § 273 BGB: Das Zurückbehaltungsrecht nach § 320 BGB kann nicht durch Sicherheitsleistung abgewendet werden. Im gegenseitigen Vertrag soll eben der Partner nicht bloß eine Sicherheit erhalten, sondern gerade die versprochene Leistung. Nach § 320 BGB kann der Schuldner regelmäßig auch dann die geschuldete Leistung voll verweigern, wenn nur noch ein Teil der Gegenleistung aussteht. Ein weiterer Unterschied zeigt sich beim Aspekt des Schuldnerverzuges, dessen Eintritt bereits durch die Existenz der Einrede aus § 320 BGB verhindert wird. Ebenso hindert bereits das Bestehen der Einrede den Eintritt der Tatbestandsvoraussetzung des § 281 BGB (Schadenersatz statt Leistung) sowie des § 323 BGB (Rücktritt).


D. Treu und Glauben


§ 242 BGB
Als oberste Regel im Schuldrecht bestimmt das BGB den Grundsatz von Treu und Glauben. Nach der rechtlichen Entwicklung sollten zunächst alle Schuldverhältnisse diesem Grundsatz unterliegen. Noch vor dem 1. Weltkrieg hat die Rechtsprechung die Funktion des § 242 BGB wesentlich, zur Anwendung auf alle privatrechtlichen Sonderverhältnisse, erweitert (RGZ 85, 108). Danach ist „Treu und Glauben“ ein allgemeines Prinzip, das alle Normen des Schuldrechts durchdringt und nicht durch den Wortlaut des § 242 BGB begrenzt wird. Die Vorschrift des § 242 BGB steht an erster Stelle unter denjenigen Generalklauseln, mit deren Hilfe die Wertungen des Grundgesetzes in das bürgerliche Recht Eingang finden. Treu und Glauben verpflichtet zu einer Rücksichtnahme auf die schutzwürdigen Interessen anderer zu einem redlichen Verhalten im Rechtsverkehr. Der Grundsatz ist nicht nur allein in § 242 BGB, sondern in vielen weiteren Rechtsvorschriften des BGB (z.B. § 157 BGB) ausdrücklich enthalten. Er gilt darüber hinaus für den gesamten Rechtsverkehr. Sowohl die Auslegung von Verträgen als auch die Erbringung von schuldrechtlichen Leistungen hat so zu erfolgen, wie es Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erfordern.
Gesetzliche Generalklauseln wie auch § 242 BGB bedürfen zur praktischen Anwendbarkeit und aus Gründen der Rechtssicherheit einer Fallgruppenbildung, die sich an den Funktionsweisen des Prinzips von Treu und Glauben orientiert.



1. Ausfüllung und Ergänzung des Schuldverhältnisses

Funktionen des § 242 BGB
Die primäre Aufgabe von § 242 BGB ist der Inhalt der Leistungspflicht. Danach hat diese Regelung eine Konkretisierungs- und Ergänzungsfunktion. So verbietet es sich beispielsweise als Schuldner, Leistungen mitten in der Nacht (zur Unzeit) oder an unpassendem Ort zu erbringen. Die Forderung der Leistung unter diesen Umständen ist ebenso treuwidrig. Eine wichtige Ergänzungsfunktion kommt § 242 BGB im Bereich der leistungsbezogenen Nebenpflichten zu, die sich häufig weder aus dem Gesetz noch unmittelbar aus dem Vertrag entnehmen lassen.



2. Beschränkung von Rechten (unzulässige Rechtsausübung)


a. Fehlendes Interesse

Schrankenfunktion des § 242 BGB
Eine weitere wichtige Funktion des § 242 BGB ist die Schrankenfunktion. Danach muss nicht nur der Schuldner bei seiner Leistung, sondern auch der Gläubiger oder Rechtsinhaber bei der Geltendmachung eines Anspruchs oder eines Rechts Rücksicht auf Treu und Glauben sowie die Verkehrssitte nehmen. Unter diese Schrankenfunktion fallen etwa Situationen, in welchen der Gläubiger kein schutzwürdiges Interesse an der Leistung des Schuldners hat, weil er die Leistung dem Schuldner ohnehin sofort oder zumindest alsbald zurückerstatten müsste (BGH NJW 2005, 2991).



b. Widersprüchliches Verhalten

Merkmale
Diese Fallgruppe ist dadurch gekennzeichnet, dass ein Berechtigter durch seine Erklärung oder durch sein Verhalten bewusst oder unbewusst eine (u.U. nur scheinbare) Sach- bzw. Rechtslage geschaffen hat und sich der Berechtigte später mit seinen früheren Erklärungen bzw. seinem früheren Verhalten in Widerspruch setzt.

 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/WIPRIIVertraglRegelungen/WIPRIIWiderspruch.jpg)



c. Unredliche Ausübung von Rechtspositionen

Grundsätzliches
Nach § 242 BGB ist es dem Gläubiger verwehrt, sich auf unredlich erworbene Rechtspositionen zu berufen. Es gilt der Grundsatz, dass niemand einen Anspruch aus eigenem gesetzes- oder sittenwidrigen Verhalten herleiten darf. Dazu gehören auch der Missbrauch der Vertretungsmacht, die Grundsätze der treuwidrigen Berufung auf die Formnichtigkeit eines Rechtsgeschäfts und die Verhinderung der Wirksamkeit eines Vertrages etwa durch die arglistige Vereitelung des Zugangs einer Willenserklärung (BGHZ 137, 205).



d. Verwirkung

Hinderungsgründe
Die Verwirkung einer Rechtsposition bedeutet, dass deren Inhaber nach Treu und Glauben an ihrer Geltendmachung gehindert ist. Ein Recht ist verwirkt, wenn sich ein Schuldner über einen gewissen Zeitraum hin wegen der Untätigkeit seines Gläubigers bei objektiver Beurteilung darauf einrichten durfte und auch eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen (BGH NJW 2002, 669). Im Mittelpunkt steht allein der Schutz des berechtigten Vertrauens des Schuldners, welches sich aber in Vertrauensdispositionen niedergeschlagen haben muss. Beispielsweise dazu BGH NJW 2007, 1273: Der Unterhaltsschuldner, gegen den rückständiger Unterhalt über längere Zeit nicht eingefordert wird, pflegt „erfahrungsgemäß seine Lebensverhältnisse an die ihm zur Verfügung stehenden Einkünfte anzupassen, so dass er bei unerwarteten Unterhaltsnachforderungen nicht auf Rücklagen zurückgreifen kann und dadurch regelmäßig in Bedrängnis gerät“; ebenso verwirkt ein Mieter, der auf ein unberechtigtes Mieterhöhungsverlangen des Vermieters zunächst eine erhöhte Miete zahlt, seinen Rückforderungsanspruch (BGH NJW-RR 2005, 1464).



e. Unzumutbarkeit

Ausnahmen
Weitestgehend durch die Leistungsverweigerungsrechte nach § 275 Abs. 2, Abs. 3 BGB sowie durch § 313 BGB werden heute die Fälle der Unzumutbarkeit der Leistung aus wirtschaftlichen oder persönlichen Gründen erfasst, so dass ein Rückgriff auf § 242 BGB nicht mehr erforderlich sein dürfte.


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