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Wirtschaftsprivatrecht II

Durchführung und Beendigung von Verträgen

Teil 2: Beendigung von Verträgen



Jeder Vertrag hat das Ziel eines Leistungsaustauschs. Mit Ausnahme von Dauerschuldverhältnissen soll dieser Leistungsaustausch zur Beendigung des Vertragsverhältnisses führen. Der beendigende Leistungsaustausch heißt Erfüllung. Durch Erfüllung (§ 362 BGB) enden die allermeisten Verträge und sonstigen Schuldverhältnisse. Allerdings tritt in wenigen Fällen an die Stelle der Erfüllung eine andere Form der Vertragsbeendigung: Leistung erfüllungshalber und an Erfüllungs statt (§ 364 BGB), durch Hinterlegung (§§ 372 ff. BGB; wird nicht näher behandelt), Aufrechnung (§§ 387 ff. BGB), Erlass (§ 397 BGB), Rücktritt (z.B. § 323 BGB; dazu die Regelungen in §§ 346 ff. BGB) und Kündigung bei Dauerschuldverhältnissen (§ 314 BGB). Neben diesen gesetzlich vorgesehenen Beendigungsgründen tritt aufgrund der Vertragsfreiheit die Möglichkeit des Aufhebungsvertrags: wenn die Parteien einen Vertrag schließen können, können sie ihn auch aus eigener Entscheidung mit dinglicher Wirkung wieder aufheben, jedenfalls soweit keine Interessen Dritter hierdurch betroffen werden.



A. Erfüllung


Voraussetzungen

Erfüllung heißt Bewirken der geschuldeten Leistung (§ 362 Abs. 1 BGB). Dafür muss


      • der Schuldner oder ausnahmsweise ein Dritter gem. § 267 BGB
      • die versprochene Leistung (§§ 243 ff. BGB)
      • an den Gläubiger oder ausnahmsweise einen gem. §185 BGB berechtigten Dritten
      • am richtigen Ort (§§ 269, 270 BGB)
      • zur richtigen Zeit (§ 271 BGB)
      • in vertragsgemäßer Art und Weise
      • vollständig oder bei entsprechender Befugnis nach § 266 BGB teilweise erbringen.

Ob ein Bewirken vorliegt, richtet sich danach, ob nur eine Handlung oder die Herbeiführung eines Erfolgs geschuldet war (s. zum Beispiel der Banküberweisung oben). Nicht ausreichend ist, dass der versprochene Erfolg auf andere Art und Weise eintritt (z.B. freizuschleppendes Schiff kommt von alleine frei).



Fall 89:

Kunstliebhaber K erwirbt bei dem ihm gut bekannten Kunsthändler H ein Gemälde zum Preis von 12000, - €. Auf der dem K zugesandten Rechnung hat H auch sein Konto bei der Sparkasse Münster angegeben. K zahlt den Kaufpreis, indem er das Geld auf dieses Konto überweist.

Hat H weiterhin einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung gegen K?



Soweit aus einer vom Schuldner stammenden Leistung nicht ohne Weiteres klar wird, welche Schuld sie tilgen soll, sehen §§ 366, 367 BGB sog. Tilgungsbestimmungen vor. Es wird ein gesetzliches Rangverhältnis zwischen mehreren Schulden sowie zwischen Hauptforderung, Zinsen und Kosten aufgestellt, welches vor allem die Interessen des Gläubigers berücksichtigt. Der Schuldner hat aber die Möglichkeit durch vertragliche Vereinbarung eine andere Tilgungsreihenfolge festzulegen.

Problematisch ist häufig, inwieweit die Leistung an einen Dritten für den Schuldner befreiende Wirkung haben kann. Der einfachste Fall ist dabei, dass der Dritte sich durch eine Empfangsermächtigung gem. § 185 Abs. 1 BGB ausweisen kann. Unproblematisch ist auch die nachträgliche Genehmigung der Leistung an einen Dritten durch Gläubiger gem. § 185 Abs. 2 BGB sowie die Leistung beim echten Vertrag zugunsten Dritter gem. § 328 BGB (s. dazu oben). Ansonsten kann die Leistung an einen Dritten nur befreiend wirken, wenn für den Dritten ein sog. Rechtsscheintatbestand spricht wie eine Quittung (§ 370 BGB) oder die Fälle der §§ 407-409 BGB bei der Forderungsabtretung.

Problematisch ist auch, inwieweit die Leistung an einen Minderjährigen für den Schuldner befreiend wirken kann. Die Annahme der Leistung führt zum Untergang des schuldrechtlichen Anspruchs (s. § 362 Abs. 1 BGB) und stellt sich damit für den beschränkt Geschäftsfähigen nicht als lediglich rechtlich vorteilhaftes Geschäft dar. Die Lösung ist in Rechtsprechung und Literatur hoch umstritten: teilweise wird für eine wirtschaftliche Betrachtung plädiert, teilweise ein vom gesetzlichen Vertreter zu genehmigender sog. Erfüllungsvertrag gefordert, teilweise dem Minderjährigen eine weitgehende, aber nicht umfassende Empfangszuständigkeit zugesprochen. Letztlich ist keine der vorgeschlagenen Lösungen dogmatisch überzeugend; dennoch wird man akzeptieren müssen, dass eine befreiende Leistung an den Minderjährigen möglich ist.


B. Erfüllungsurrogate


Aliud

In einigen Fällen kann der Schuldner seine Schuld auch durch eine andere als die geschuldete Leistung (sog. Aliud) tilgen. Die Beispiele hierfür sind häufig: Hingabe eines Schecks oder Wechsel anstelle des bar zu entrichtenden Kaufpreises, die Inzahlunggabe eines gebrauchten Autos beim Neuwagenkauf oder die teilweise Deckung der Darlehensrückgabe mit einem Auto. Auch der alltägliche Fall einer Überweisung anstelle der Barzahlung ist letztlich ein Aliud.

Ob ein solches Aliud zur Erfüllung und damit Beendigung eines Schuldverhältnisses führt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Man unterscheidet dabei:

      • Leistung sicherheitshalber: dabei bleibt die ursprüngliche Forderung bestehen, erst bei ihrem Ausbleiben soll der Gläubiger aus dem Aliud Befriedigung suchen; die gegebene Sicherheitsleistung soll hier nach demWillen der Parteien überhaupt keine Erfüllungswirkung haben;

      • Leistung erfüllungshalber (§ 364 Abs. 2 BGB): der Gläubiger soll hier zunächst Befriedigung aus dem Aliud suchen, die eigentliche Forderung bleibt aber bestehen; diese Variante ist sehr zum Vorteil des Gläubigers, weil er letztlich zwei Forderungen hat; soweit aber eine ausreichende Befriedigung des Gläubigers durch eine der beiden Forderungen erreicht werden kann, geht die andere unter;

      • Leistung an Erfüllungs statt (§ 364 Abs. 1 BGB): das Aliud soll nach dem Willen der Parteien die Forderung zum Erlöschen bringen. Im Zweifel geht § 364 Abs. 2 BGB von einer Leistung erfüllungshalber aus. Da alle Varianten eine vertragliche Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger erfordern

    • #8211; der Gläubiger muss sich nicht darauf einlassen, etwas anderes als das Vereinbarte zu bekommen – gehen die Interessen des Gläubigers vor. Das gilt vor allem, wenn der Schuldner eine neue Verbindlichkeit (z.B. Scheck) übernommen hat.

Ein praxisrelevantes Problem vor allem für den Gebrauchtwagenhandel besteht, wenn die Leistung an Erfüllungs statt(§ 364 Abs. 1 BGB) im Gegensatz zur ursprünglichen Schuld mängelbehaftetist (z.B. in Zahlung gegebener Gebrauchtwagen hat anders als eigentlich geschuldeter Kaufpreis Schäden). Nach § 365 BGB haftet der Schuldner dann wie ein Verkäufer auf Gewährleistung gem. §§ 437 ff. BGB. Für den Regelfall wird dies angemessen sein. Anders sieht die Sache aus, wenn dem Schuldner für die ursprünglich geschuldete Leistung eine Haftungserleichterung zugutegekommen wäre (z.B. wenn Grundlage der ursprünglichen Forderung eine Schenkung mit dem Haftungsprivileg des §§ 523 f. BGB gewesen wäre). Nach der h.M. muss das Haftungsprivileg in diesen Situationen weiterwirken.

Die Leistung erfüllungshalber ist für den Gläubiger nicht ohne Risiko. Nach dem Parteiwillen soll sie nicht ohne weiteres in das Vermögen des Gläubigers übergehen. Daher muss der Gläubiger diese Leistung sorgfältig behandeln; ansonsten kann er wegen einer Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig werden. Bei einer Veräußerung der Leistung erfüllungshalber muss er den seine Forderung gegen den Schuldner übersteigenden Erlös an den Schuldner herausgeben (§ 667 BGB analog).



Fall 90:

Der BWL-Student B möchte sich, nachdem er sich weniger erfolgreich durch die ersten Semester geschlagen hat, selbstständig machen. Mit dem durch seine zahlreichen Nebenjobs ersparten Geld möchte er ein Internetcafé eröffnen. Nachdem er die passende Lokalität gefunden hatte, bestellte er bei dem Großhändler G mehrere Computer und das entsprechende Zubehör. Weil B das erforderliche Kleingeld gerade nicht parat hat, übergibt er dem G einen Verrechnungsscheck. G nimmt diesen zwar entgegen, bei der Einlösung weigert sich die Bank jedoch mangels Deckung diesen einzulösen, da B schon für die Einrichtungsgegenstände zu viel ausgegeben hatte.

Kann G nun doch noch auf Barzahlung bestehen ?





C. Aufrechnung


§ 388 ff. BGB

Die Aufrechnung ist eine rechtsgestaltende Willenserklärung, mit der zwei sich gegenüberstehende Forderungen aufgehoben werden, soweit sie sich decken (§ 389 BGB). Hierdurch wird die Erfüllung vereinfacht, weil ein Hin und Her von gegenseitigen Leistungen vermieden wird. Als Willenserklärung muss die Aufrechnung gem. § 388 BGB erklärt werden, sie ist aber bedingungs- und befristungsfeindlich (§ 388 S. 2 BGB). Wird die Aufrechnung wirksam erklärt, wirkt sie aufden Zeitpunkt zurück, an dem sich die Forderungen zum ersten Mal aufrechnungsfähig gegenüber standen (Eintritt der Aufrechnungslage), § 389 BGB.

Eine Aufrechnung ist möglich, soweit

      • es sich um wechselseitige Forderungen handelt (A schuldet B und B schuldet A), § 387 BGB,
      • der Forderungsgegenstand gleichartigist (zumeist: Geld und Geld, möglich ist aber auch: Zucker und Zucker u.ä.), § 387 BGB,
      • die Forderung des Aufrechnenden durchsetzbar ist, d.h. besteht, fällig ist und keine Einreden gegen diese Forderung bestehen, § 390 BGB,
      • allerdings besteht hier die Ausnahme des § 215 BGB: wenn bei Eintritt der Aufrechnungslage noch keine Verjährung eingetreten ist, wird Aufrechnung nicht ausgeschlossen;
      • keine vertragliche oder gesetzliche Aufrechnungsverbote gem. 392 ff. BGB bestehen und
      • die Anfechtung erklärt worden ist, § 388 BGB.



Fall 91:

Finanzmakler C entschloss sich schweren Herzens wegen seiner fortbestehenden kritischen Finanzlage, sich von seinem Porsche zu trennen und diesen für 15000,- € an seine Freundin F zu verkaufen. Kurz darauf trennten sich beide. Wegen fortbestehender Unstimmigkeiten und trotz mehrfacher Aufforderungen seitens des C entrichtet die F den Kaufpreis nicht. Vielmehr entscheidet sie sich nun mit einer Forderung i.H.v. 12000,- € aufzurechnen. C hatte aus Wut über seine Ex einen ihrer Ringe aus dem Fenster geworfen; der Ring war danach nicht mehr aufzufinden.

In welcher Höhe besteht der Kaufpreisanspruch des C gegen die F, wenn die F gegenüber C die Aufrechnung erklärt?

Abwandlung:

F ist über den Verlust des Ringes so sehr erzürnt, dass sie beschließt, sich an C zu rächen. Unter dem Vorwand, sich mit C versöhnen zu wollen, begibt sie sich zu dessen Wohnung und versetzt ihm mit dem von ihr mitgebrachten Baseballschläger einen harten Schlag gegen den Kopf. C muss ins Krankenhaus und sich dort behandeln lassen. F fragt sich nun, ob sie gegen die hieraus resultierende
Schadensersatzforderung des C mit ihrer Forderung wegen des Verlustes des Ringes aufrechnen kann.

Rechtslage?



Bei vertraglichen Aufrechnungsverboten ist lediglich § 309 Nr. 3 BGB zu berücksichtigen, dass gegenüber Nichtunternehmern eine Beschränkung der Aufrechnung durch AGB unzulässig ist. Bedeutsamer sind gesetzliche Aufrechnungsverbote: gegen eine beschlagnahmte oder gepfändete Forderung kann jedenfalls nicht mit einer erst nach Beschlagnahme oder Pfändung erworbenen oder fällig gewordenen Forderung aufgerechnet werden (§ 392 BGB); um die soziale Absicherung des Aufrechnungsgegners nicht zu gefährden können gem. §§ 850 ff. ZPO unpfändbare Forderungen nicht durch Aufrechnung beseitigt werden, § 393 BGB; Aufrechnungen gegen die öffentliche Hand (Bund, Länder, Gemeinden) sind nur zulässig, wenn die Forderungen der gleichen Kasse der öffentlichen Hand zuzuordnen sind (§ 395 BGB); zur Vermeidung von Privatjustiz kann gegen eine Forderung aus einer unerlaubten Handlung nicht aufgerechnet werden (§ 394 BGB).



Beispiel:

A hat gegen B schon seit langem eine Forderung i.H.v. 1.000 €. B vertröstet den A solange, bis dieser nicht mehr an eine Rückzahlung glaubt. Da geht A zu B und schlägt ihn derart zusammen, dass B Schadensersatzansprüche im Umfang von 1.000 € erwirbt. Gegen diesen Anspruch rechnet A mit seiner Forderung auf. Diese Aufrechnung scheitert an § 394 BGB. Wenn A seine 1.000 € zurückbekommen
will, muss er das Geld einklagen.



Schließlich kann die Aufrechnung aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) unzulässig sein.






D. Erlass und Vergleich


§ 397 BGB

Der Erlass ist nach § 397 BGB ein formfreier Verfügungsvertrag zwischen Gläubiger und Schuldner, durch den eine Forderung beseitigt wird. Wirksam ist der Vertrag nur bei Verfügungsbefugnis der Parteien; ein gutgläubiger Erwerb durch einen Erlassvertrag sieht das Gesetz nicht vor. Dem verfügenden Erlass liegt regelmäßig ein kausaler Verpflichtungsvertrag zugrunde, häufig eine Schenkung nach §§ 516 ff. BGB. Dem Erlass gleichgestellt ist das sog. negative Schuldanerkenntnis, § 397 Abs. 2 BGB.

Der Vergleich ist dagegen ein Verpflichtungsvertrag, durch den nach § 779 BGB ein Streit oder eine Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis (besteht es? wenn ja, in welchem Umfang? wer schuldet wem was?) im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt werden soll. Erforderlich ist für einen Vergleich, dass beide Seiten von ihren streitigen Positionen abrücken. Unwirksam ist der Vergleich, wenn der zugrundeliegende Sachverhalt – also das streitige oder ungewisse Rechtsverhältnis – in der Wirklichkeit jedenfalls nicht so besteht, wie die Parteien irrtümlich annehmen.


E. Kündigung von Dauerschuldverhältnissen


§ 314 BGB

Die Kündigung ist in § 314 BGB als einzige Beendigungsmöglichkeit von Dauerschuldverhältnissen (z.B. Miete, Arbeitsverträge) vorgesehen. Da die Parteien sich hier über einen längeren Zeitraum gebunden haben, regelmäßig zu wiederkehrenden Leistungen, gibt es hier keine reguläre Beendigung durch Leistungsaustausch. Das Gesetz unterscheidet die ordentliche Kündigung unter Einhaltung von vertraglichen oder gesetzlichen Kündigungsfristen und die außerordentliche Kündigung, die fristlos den Vertrag beendet. Für die außerordentliche Kündigung stellt das § 314 BGB hohe Hürden auf, denn sie ist generell nur zulässig, wenn den Parteien ein Festhalten am Vertrag bis zum nächsten regulären Kündigungstermin unzumutbar ist. So soll der Grundsatz „pacta sunt servanda“ auch bei Dauerschuldverhältnissen gewahrt werden. Eine außerordentliche Kündigung kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn sie alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt und die gegenseitigen Interessen der Parteien angemessen abwägt. Dies ist besondere bei einer dauerhaften Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen den Parteien.


F. Rechtsfolgen bei Rücktritt


§ 314 BGB

Die §§ 346 ff. BGB stellen selbst keinen Beendigungsgrund dar. §§ 346 ff. BGB setzen das Bestehen eines vertraglichen oder gesetzlichen (vor allem §§ 323, 326 Abs. 5, 437 Nr. 2 BGB sowie z.B. §§ 313 Abs. 3, 321 Abs. 2, 324BGB) Rücktrittsrecht voraus und regeln die Rechtsfolgen bei Geltendmachung des Rücktrittsrechts. Nach § 349 BGB bedarf ein Rücktritt immer die Erklärung des Rücktritts gegenüber dem anderen Teil, mehrere Beteiligte können das Rücktrittsrecht nur gemeinsam geltend machen (§ 351 BGB). Soweit vertraglich vereinbart ist, dass der Rücktritt nur gegen Zahlung eines Reugelds zulässig ist, muss dieses Reugeld vor oder bei der Rücktrittserklärung gezahlt werden (§ 353 BGB).

Der Rücktritt hat erhebliche Auswirkungen auf den Vertrag und andere Rechtsverhältnisse: das bisherige Schuldverhältnis erlöscht vollständig, die bisherigen Erfüllungsansprüche hieraus gehen durch den Rücktritt unter; an seine Stelle tritt ein sog. Rückgewährschuldverhältnis gem. § 346 BGB. Aus diesem Rückgewährschuldverhältnis sind die Parteien sich gegenseitig zur Rückgabe der erhaltenen Leistungen einschließlich gezogener Nutzungen (§§ 99, 100 BGB) Zug um Zug (§ 348 BGB) verpflichtet.

Soweit die erhaltenen Leistungen nicht mehr in natura zurückgegeben werden können (z.B. durch Verbrauch (Nr. 2), erhebliche Abnutzung oder Vernichtung (Nr. 3) sowie bei Unmöglichkeit der Herausgabe bei bereits erbrachtenDienstleistungen (Nr. 1)), sind die Parteien zum Wertersatz nach § 362 Abs. 2 BGB verpflichtet. Diese Regelung trifft vor allem den Gläubiger der charakteristischen Leistung des ursprünglichen Schuldverhältnisses, denn der Schuldner hat zumeistGeld (nicht die konkreten Scheine und Münzen) zurückzuerstatten, bei dem eine Rückgabe immer möglich ist. Wertersatz meint dabei regelmäßig nicht Ersatz des Marktwertes, sondern des im Vertrag als Gegenleistung definierten Vertragswerts (§ 346 Abs.2 S. 2 BGB). Wertersatz ist nach § 347 Abs. 1 BGB auch für schuldhaft nicht gezogene Nutzungen zu leisten.

Allerdings wird der Rückgewährschuldner (d.h. regelmäßig der Gläubiger des ursprünglichen Schuldverhältnisses) nach § 346 Abs.3 BGB privilegiert, so dass er in bestimmten Fällen keinen Wertersatz leisten muss. So wäre es unangemessen, ihn mit Wertersatz zu belasten, wenn sich im Zuge einer Verarbeitung oder Umgestaltung des Vertragsgegenstands (z.B. der Kaufsache) erst der zum Rücktritt berechtigende Mangel zeigt (Nr. 1). Gleiches gilt, wenn der Rückgewährgläubiger die Verschlechterung oder den Untergang der Sache verursacht hat oder sie bei ihm gleichfalls eingetreten wäre (Nr. 2). Schließlich tritt eine Privilegierung beim gesetzlichen Rücktrittsrecht ein, wenn die Verschlechterung oder der Untergang trotz Berücksichtigung der eigenüblichen Sorgfalt (§ 277 BGB, s. dazu oben) durch den Rückgewährschuldner bei ihm eingetreten ist. Im Gegensatz zu vertraglichen Rücktrittsrechten muss der Rückgewährschuldner hier nicht mit einem Rücktritt rechnen. Allerdings ist die Regelung in § 346 Abs. 3 Nr. 3 BGB eine insoweit problematische Risikoverteilung, als dass keine der Parteien ein Verschulden treffen muss.

Trotz den Privilegierungen hat der Rückgewährschuldner ggfs. eine Bereicherung herauszugeben (§ 346 Abs. 3 S. 2 BGB). Verletzt der Rückgewährschuldner die Pflicht zur Rückgabe oder Nutzungsherausgabe nach § 346 Abs. 1 BGB, dann kann der Rückgewährgläubiger von ihm wegen Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 BGB Schadensersatz verlangen (§ 346 Abs. 4 BGB).



Fall 92:

Der A kauft zu Beginn der Freiluftsaison am 05. April 2010 bei Z einen gebrauchten, aber nach Angaben des Z „unfallfreien“ Opel Tigra TwinTop zum angemessenen Preis von 7.500 €. A nimmt den Wagen gleich mit. In den AGB von Z, die dem Kaufvertrag zugrunde liegen, wird die Gewährleistung auf ein Jahr begrenzt. Am 20. Juni 2011 wird anlässlich einer umfangreichen Inspektion von einer Fachwerkstatt F festgestellt, dass das Fahrzeug einen Unfallschaden hat. Der erboste A ruft daraufhin bei Z an und verlangt die Rücknahme des Autos. Z teilt ihm zutreffend mit, dass er nichts von dem Schaden wusste. Auf dem Heimweg verursacht A aufgrund seiner Unachtsamkeit einen kleinen Auffahrunfall mit einem Vorführwagen Marke BMW, derzufällig Z gehört. Der Opel hat einen Minderwert von 2.500 €, die Instandsetzung des BMW kostet 4.500 €.

1. Kann A von dem Vertrag zurücktreten?
2. Kann Z von Schadensersatz verlangen?



Der Rückgewährgläubiger hat einen Anspruch auf Ersatz seiner notwendigen Verwendungen, soweit er den Leistungsgegenstand zurückgibt, Wertersatz leistet oder er gem. § 346 Abs. 3 Nr. 1 und 2 BGB privilegiert ist. § 347 Abs. 2 S. 1 BGB. Aufwendungen hat der Rückgewährgläubiger zu ersetzen, soweit er durch diese bereichert ist, § 347 Abs. 2 S. 2 BGB.



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