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Wirtschaftsprivatrecht I


Fall 38 - Autohaus



Angeregt durch den plötzlich eintretenden Sommer kauft A sich Anfang Juni für 26.000 € ein neues Cabrio mit Dieselmotor bei dem Fachhändler B. Im Rahmen der Verkaufsverhandlungen fragt A den B, ob sich für ihn als Pendler, der pro Monat etwa 3.000 km fährt, eher ein Benziner oder ein Diesel-Modell lohnt. In gutem Glauben antwortet B, dass bei der derzeitigen Benzinpreissituation ein Diesel-Modell wirtschaftlicher sei. Nach zwei Monaten stellt der A aber durch umfangreiche Berechnungen fest, dass tatsächlich das 3.500 € günstigere Benziner-Modell für seine Bedürfnisse besser gewesen wäre und ihm einen jährlichen Vorteil von 1.000 € gebracht hätte. A will sich deswegen von dem Vertrag mit B lösen und schreibt ihm unmittelbar nach dieser Erkenntnis einen Brief, in dem steht: „Nach ausführlicher Berechnung habe ich festgestellt, dass Ihre Information, dass ein Diesel-Modell für mich finanziell vorteilhafter sei, nicht der Wahrheit entspricht. Ich möchte deswegen das Auto wieder zurückgeben.“ A gibt diesen Brief seinem sechsjährigem Sohn S, der ihn im Autohaus des B abgeben soll. S begibt sich auf den Weg dorthin, hält sich aber zunächst längere Zeit auf einem Spielplatz auf. Daher kommt S erst drei Stunden, nachdem A ihm den Brief übergeben hat, beim Autohaus von B an. Hier trifft er, weil die Öffnungszeiten inzwischen vorbei sind, nur noch den Gärtner G an, der zum abendlichen Blumengießen noch auf dem Gelände ist. S gibt dem Gärtner den Brief, der ihn in seine Arbeitsjacke steckt, und dort zunächst vergisst. Erst zwei Tage später gibt G den Brief an B weiter.

A fragt sich, ob er von B den Kaufpreis zurückverlangen kann.


Lösung

A kann den Kaufpreis i.H.v. 26.000 € von B nach § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB zurückverlangen, wenn B das Geld ohne Rechtsgrund durch Leistung von A erlangt hätte.


I. Etwas = Kaufpreis

II. Durch Leistung des A = jede zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens


1. Das Geld wurde von A an B gezahlt
2. A hat den Kaufpreis gezahlt, um das Cabrio von B zu bekommen

III. Ohne Rechtsgrund


1. Anwendbarkeit: Ursprünglich hat Kaufvertrag bestanden, der durch Anfechtung beseitigt worden sein könnte: das spricht für Anwendung des § 812 Abs. 1 S. 2, 1. Alt. BGB; allerdings führt Anfechtung nach § 142 BGB zur Beseitigung des Rechtsgeschäfts ex tunc, so dass niemals ein Rechtsgeschäft bestanden hat, also Anwendung des § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB

2. Erfolgreiche Anfechtung des Kaufvertrags durch A

a) Kaufvertrag (§ 433 BGB) zwischen A und B (+)
b) Anfechtungsgrund

aa) Eigenschaftsirrtum, § 119 Abs. 2 BGB

(1) hier bezüglich der Kaufsache Cabrio

(2) Eigenschaft = jede die Wertschätzung oder Verwendbarkeit beeinflussenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse und Beziehungen zur Umwelt Wirtschaftlichkeit eines Kfz-Modells für persönliche Nutzungsweise ist eine Eigenschaft der Sache

(3) Verkehrswesentlichkeit + hier jedenfalls Vertragswesentlichkeit durch Nachfrage des A bezüglich der Wirtschaftlichkeit

bb) Arglistige Täuschung, § 123 Abs. 1 BGB

(1) Täuschungshandlung des B

(a) Vorspiegeln oder Entstellung von Tatsachen (+)

(aa) Wirtschaftlichkeit eines bestimmten Kfz-Modells ist eine Tatsache
(bb) B hat durch die Falschangabe zur Wirtschaftlichkeit die Tatsachen entstellt

(b) Täuschung durch Verschweigen bei Aufklärungspflicht + B hat falsche Angaben gemacht (BGHZ 74, 383, 392: Pflicht, Fragen richtig zu beantworten)

(2) Arglist des B

(a) B antwortete in gutem Glauben
(b) arglistig sind aber auch Erklärungen „ins Blaue“, aber nur dann, wenn der Handelnde ihre Unrichtigkeit für möglich hält (BGHZ 63, 382, 386)
Daher: hier rechnet B nicht mit Unrichtigkeit, so dass keine Arglist (a.A. aber gut vertretbar)
Anm.: folgt man hier der a.A. hat das die Auswirkung auf die Falllösung, dass auch die Anfechtungsfrist nach § 124 BGB zu prüfen ist
Ergebnis: Anfechtungsgrund nach § 119 Abs. 2 BGB gegeben

c) Anfechtungserklärung, § 143 Abs. 1 BGB

aa) Auslegung des Briefinhalts: „Rückgabe des Autos“ als Willen, sich von dem Vertrag zu lösen zusammen mit dem Hinweis auf den Irrtum bezüglich der Wirtschaftlichkeit des Diesel-Modells
bb) Adressat ist der Anfechtungsgegner, § 143 Abs. 1 BGB (+)

d) Anfechtungsfrist, § 121 BGB

aa) Fristbeginn: Kenntniserlangung von Irrtum
bb) „unverzüglich“ = ohne schuldhaftes Zögern

(1) A hat Brief mit Anfechtungserklärung unmittelbar nach Kenntniserlangung geschrieben und an S übergeben

(2) S hat den Brief nicht unmittelbar an B, sondern an G übergeben, Verzögerung des Boten und Übergabe an nicht zum Empfangsboten bestellten G wäre nach § 147 BGB zu Lasten des A gegangen

(3) aber: nach § 121 Abs. 1 S. 2 BGB genügt für Rechtzeitigkeit der Anfechtung unter Abwesenden die Absendung der Erklärung
- Risiko der Verzögerung hat Anfechtungsgegner zu tragen
- Problem: Anfechtender kann verzögernde Übermittlungswege wählen
- aber: bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, den Anfechtenden besser zu stellen

Ergebnis: Anfechtung war rechtzeitig
Ergebnis: Anfechtung war erfolgreich
Ergebnis: kein Rechtsgrund für Zahlung der 26.000€
Ergebnis: A kann nach § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB von B Rückzahlung der 26.000 € verlangen.









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