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aktuelles Dokument: BGHNJW1993s3196
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Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) bei nichtigem Vertrag (auch fremdes Geschäft)


BGH, Urteil vom 30.9.1993 - VII ZR 178/91 (BGH NJW 1993, 3196)

§ 677 BGB, § 683 BGB, § 670 BGB, § 812 BGB

A. Amtlicher Leitsatz

Im Falle der Nichtigkeit eines Bauvertrages kann dem Unternehmer ein Vergütungsanspruch nach den §§ 683, 670 BGB zustehen. Für eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung ist dann kein Raum.

B. Sachverhalt

B erteilte für sein Grundstück dem Bauunternehmer G einen privatschriftlichen Bauauftrag, laut welchem G einen Grundstücksteil (Gaststätte) selbst erwirbt und dieser mit der Bausumme verrechnet wird. Nach Vertragsschluss erteilte B dem G verschiedene Zusatzaufträge. B kündigte vor Fertigstellung des Bauvorhabens den Vertrag mit dem Baunternehmer G, nachdem er mindestens in Höhe von 262.650 DM Abschlagszahlungen geleistet hatte.

G verlangt von B Vergütung für Bauleistungen, die er schon erbracht hat, in Höhe von 140.000 DM.

C. Zentrales Problem

Fraglich ist, ob die Rückabwicklung bei fehlerhafter Vertragsgrundlage nach Bereicherungsrecht oder nach den §§ 683, 670 BGB (GoA) vorzunehmen ist.

D. Fallprüfung

1. Anspruch aus § 631 I BGB

Link zum Strukturbaum

G könnte gegen B einen Anspruch aus § 631 I BGB auf Zahlung des Werklohnes haben. Hierfür müsste ein wirksamer Werkvertrag zwischen B und G geschlossen worden sein. B und G haben einen Werkvertrag geschlossen. Fraglich ist allerdings, ob der Vertrag gemäß § 125 S. 1 BGB nichtig ist. Gemäß § 311b I S.1 BGB müssen Vereinbarungen, die mit einem Grundstücksvertrag eine rechtliche Einheit bilden, notariell beurkundet werden. Dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen. Eine Heilung nach § 313b I S. 2 BGB ist nicht erfolgt. Somit sind der Vertrag und die Zusatzvereinbarungen gemäß den § 125 S. 1 BGB, § 311b I S.1 BGB nichtig. Damit besteht kein Anspruch des B auf Zahlung des Werklohnes gegen G.

2. Anspruch aus § 677 BGB, § 683 BGB, § 670 BGB

Link zum Strukturbaum

a. Geschäftsbesorgung (+)

G müsste ein Geschäft besorgt haben. Geschäftsbesorgungen sind jedwede rechtsgeschäftlichen und tatsächlichen Handlungen. Hier hat G Bauleistungen erbracht. Eine Geschäftsbesorgung liegt vor.

b. Fremdes Geschäft (+)

G müsste auch ein fremdes Geschäft geführt haben. Ein solches liegt vor, wenn die Geschäftsbesorgung in den Rechts- und Interessenskreis eines anderen fällt. G erbringt Bauleistungen gegenüber B, sodass die Tätigkeit des G in den Rechts- und Interessenskreis eines anderen fällt. Problematisch ist jedoch, dass der G sich aufgrund des vermeintlich mit B geschlossenen Vertrages dazu verpflichtet fühlte und dieser Vertrag nichtig war. In diesen Fällen ist str., ob ein fremdes Geschäft vorliegt und somit die Vorschriften der GoA anwendbar sind.

1. Ansicht
Nach der h.L. fehlt es an einem fremden Geschäft, weil der Geschäftsführer zur Erfüllung einer vermeintlich eigenen Verpflichtung tätig geworden ist. Nach dieser Ansicht wäre ein Anspruch des G gegen B hier ausgeschlossen.

2. Ansicht
Nach Ansicht der Rechtsprechung sind die Regeln der GoA immer dann anwendbar, wenn der Anspruchsteller berechtigterweise im Geschäftsbereich eines anderen mit Fremdgeschäftsführungswillen tätig geworden ist, unabhängig davon, ob die Tätigkeit aufgrund eines unwirksamen Vertrages oder aus einem anderen Grund vorgenommen worden ist (auch fremdes Geschäft).


c. Fremdgeschäftsführungswille (+)

aa) objektiv fremdes Geschäft
  • Fremdgeschäftsführungswille wird ohne weiteres vermutet

bb) auch fremdes Geschäft
  • Fremdgeschäftsführungswille wird ohne weiteres vermutet

d. Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung (+)

e. Berechtigung zur Geschäftsbesorgung (+)




E. Urteil

BGH NJW 1997, 47

Gegenurteil
OLG Koblenz NJW 1999, 2904

F. Fazit

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH, sind die GoA Regeln auch anwendbar, wenn der zwischen Geschäftsherrn und Geschäftsführer geschlossene Vertrag nichtig ist. Die bestehende GoA stellt einen rechtlichen Grund dar i.S.d. § 812 I S. 1 BGB und sperrt die Anwendung der Leistungskondiktion.

G. Literaturnachweise

  • Münchener Kommentar 6. Auflage, Band 4, § 677, Rn. 9 und 48
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