Wissensdatenbank Wirtschaftsrecht

aktuelles Dokument: EnergieRKommunalrechtBeispiel
image4
image3
image2
image1
 Alle Kategorien:
  Forschungsdatenbank
  Lehrveranstaltungen
  Lexikon
  Literatur
  Rechtsgebiete
  Rechtsprechung
  Service
  Studium F H S
  Wissensmanagement
ich war hier: EnergieRKommunalrechtBeispiel

Version [67827]

Dies ist eine alte Version von EnergieRKommunalrechtBeispiel erstellt von WojciechLisiewicz am 2016-05-15 14:26:58.

 

Kommunalwirtschaft und Energierecht

ein Fallbeispiel

Sachverhalt

Die Verwaltung der Stadt S in Thüringen (ca. 40.000 Einwohner) möchte die Energieversorgung im Ort übernehmen und schrittweise auf erneuerbare Energien umstellen. Dabei sollen auch defizitäre und lukrative Betriebe der Stadt unter einem Dach zusammengefasst und zur Konsolidierung des Haushalts der Kommune genutzt werden. Zu diesem Zweck hat die Stadtverwaltung mit Unterstützung einer renommierten Beratungsgesellschaft eine entsprechende Strategie entwickelt, die nun schrittweise umgesetzt wird. Folgende Maßnahmen werden in diesem Zusammenhang umgesetzt:
  1. es werden die "Stadtwerke S GmbH" gegründet; als Gesellschaftszweck der Stadtwerke S wird die "Bündelung aller Aufgaben der Daseinsvorsorge in der Stadt S" genannt;
  1. neben der Stadtwerke S GmbH wird die "Energieversorgung S GmbH" gegründet, allerdings nicht durch die Stadt S, sondern durch die Stadtwerke S GmbH als alleinige Gesellschafterin; der Gesellschaftszweck dieser Gesellschaft ist "eine vermehrt auf erneuerbaren Energien basierende Versorgung der Region mit Strom, bundesweit wettbewerbsfähige Stromerzeugung und finanzieller Beitrag zur Erfüllung der Aufgaben der Daseinsvorsorge in S";
  1. die bisher als Eigenbetriebe geführten Wasserwerke S werden in eine GmbH überführt, deren Anteile zu 100 % die Stadtwerke S GmbH halten soll; die Vermögenswerte übernimmt die Stadtwerke S GmbH zum Preis von 20 Mio. EUR;
  1. der auch als Eigenbetrieb geführte Schwimmbad (jährliches Defizit in den letzten Jahren von jeweils 1 Mio. EUR) wird in die "Stadtbad in S GmbH" überführt, deren Anteile ebenfalls die Stadtwerke S GmbH für einen symbolischen Preis (1 EUR) übernehmen soll.

Das Gemeindegebiet der S umfasst Flächen, welche in der Landesplanung als Vorranggebiete für Windenergienutzung festgelegt wurden. Auch im aktuellen Flächennutzungsplan der S sind drei Windeignungsgebiete ausgewiesen. Die noch nicht vollständig für Windkraft genutzten Flächen sollen durch die Energieversorgung S GmbH mit Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 80 MW bestückt werden. Geplant sind ferner zahlreiche Photovoltaikanlagen auf öffentlichen Gebäuden, Biogasanlagen in Zusammenarbeit mit Landwirten aus der Umgebung und Blockheizkraftwerke. Insgesamt soll die komplette Energieversorgung der Stadt und ihrer Einwohner sowie der Gewerbegebiete aus Erzeugungsanlagen der städtischen GmbH möglich sein. Überschüssige Energie soll an der Börse und an Kunden bundesweit vertrieben werden.

Darüber hinaus ist geplant, dass die Energieversorgung S GmbH demnächst die Energieversorgungsnetze im Gemeindegebiet übernimmt, weil der Konzessionsvertrag mit dem bisherigen Netzbetreiber (Konzerntochter der RWE AG) ausläuft und dieser Netzbetreiber keinen Zuschlag mehr erhalten soll.

Die Stadtverwaltung hat zwecks Umsetzung der Strategie ein Beschlusspaket erarbeitet, in dem zur Begründung folgende Gesichtspunkte angeführt werden:
  • die Stadt soll eine nachhaltige, autarke, von äußeren Faktoren (Ausfall von Übertragungsnetzen, Preisentwicklung) unabhängige Energieversorgung organisieren;
  • die Finanzierung der Daseinsvorsorge in defizitären Bereichen soll durch eine Querfinanzierung durch die Tochtergesellschaften der Stadtwerke-Holding haushaltsneutral erfolgen;
  • ein Beitrag zum Klimaschutz und Verringerung der Umweltverschmutzung ist zu leisten.

Die oben genannten Maßnahmen werden gem. § 72 Abs. 1 ThürKO der zuständigen Rechtsaufsichtsbehörde angezeigt. Die Rechtsaufsichtsbehörde untersagt die geplanten Schritte mit folgender Begründung:

Frage
Ist die Beanstandung durch die Rechtsaufsichtsbehörde rechtmäßig?





Problembereiche - eine Sammlung


  • Konzessionsvertrag - kein Vergaberechtliches Problem? Oder doch wettbewerbsrechtlich / kartellrechtlich? kann sich ferner auf die Frage der Leistungsfähigkeit auswirken...

Rechtmäßigkeit der Beanstandung

A. Ermächtigungsgrundlage
Rechtsgrundlage für die kommunalaufsichtlichen Maßnahmen (Beanstandung) ist § 120 Abs. 1 ThürKO [1]
[1] Vgl. dazu im Einzelnen PdK Thüringen, Anm. 1 zu § 72 ThürKO. In anderen Kommunalordnungen sind auch spezielle Ermächtigungsgrundlagen für die Untersagung einer kommunalwirtschaftlichen Betätigung durch Gemeinden vorhanden, in Thüringen fehlen derartige Regelungen.
. Eine derartige Beanstandung ist belastender Verwaltungsakt gegenüber der Gemeinde.


B. Formelle Rechtmäßigkeit der Beanstandung
Die formellen Anforderungen an die kommunalrechtlichen Aufsichtsmaßnahmen (Rechtsaufsicht) sind zu beachten.


C. Materielle Rechtmäßigkeit der Beanstandung
Die Beanstandung ist rechtmäßig, wenn die Maßnahme der Gemeinde wiederum rechtswidrig war. Die Gemeinde hat im vorliegenden Fall beschlossen, sich an der Gesellschaft zu beteiligen, was beanstandet wurde. Wenn der Beschluss der Gemeinde rechtswidrig war, ist die Beanstandung rechtmäßig.

1. Kommunalwirtschaftsrecht anwendbar?
Außerhalb der Hoheitsverwaltung wird ein Unternehmen gegründet, übernommen oder die Gemeinde beteiligt sich an einem solchen. Demnach fallen unter den Vorbehalt des § 71 ThürKO konkret folgende Tätigkeiten:
    • gründen,
    • übernehmen,
    • sich beteiligen,
    • erweitern.

2. Zulässige Rechtsform
Gem. § 71 Abs. 1 ThürKO sind folgende Rechtsformen zulässig:
    • § 71 Abs. 1 Nr. 1 ThürKO: Eigenbetrieb
    • § 71 Abs. 1 Nr. 2 ThürKO: Anstalt
    • § 71 Abs. 1 Nr. 3 ThürKO: Rechtsformen des Privatrechts (d. h. auch eine Aktiengesellschaft ist möglich!)

a. Schrankentrias

    • § 71 Abs. 2 Nr. 1 ThürKO: öffentlicher Zweck
    • § 71 Abs. 2 Nr. 2 ThürKO: Leistungsfähigkeit der Gemeinde
    • § 71 Abs. 2 Nr. 4 ThürKO: Subsidiaritätsprinzip

b. Eignung außerhalb der allgemeinen Verwaltung § 71 Abs. 2 Nr. 3 ThürKO

    • Beachtung: hoheitlichen Handelns (allg. Verwaltung)

c. keine wesentliche Schädigung / Aufsaugung selbst. Betriebe § 71 Abs. 3 ThürKO

d. Örtlichkeit § 71 Abs. 5 ThürKO

    • allgemeine Regeln:
              • § 71 Abs. 1 und 2 ThürKO zu beachten
              • Interessen betroffener Gebietskörperschaften
    • Berechtigte Interessen anderer Kommunen (i.d.R. Nachbargemeinden)

3. Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit?

Hierzu mehr im Artikel Planungsrecht in der Energiewirtschaft

4. Vergabe von Aufträgen im Zusammenhang mit Projekten in der Energiewirtschaft

5. Wettbewerbsrecht/Kartellrecht

- GWB (ist kommunales Unternehmen Marktbeherrschend?)
- UWG

6. Beteiligung örtlicher Akteure

7. Rechtsschutz

- Rechtsaufsicht
- Rechtsschutz Dritter (zB.: Leistungsklage vor Verwaltungsgerichten, sofern Dritter in eigenen Rechten betroffen)


D. Ergänzende und weiterführende Informationen
Andere relevante, interessante Sachverhalte, die in diesem Zusammenhang genannt werden können: Z. B. wenn ein Stadtwerk eine Gesellschaft in Tschechien kauft, die Fernwärme produziert und verkauft - Problem des Örtlichkeitsprinzips im Kommunalrecht.
Diese Seite wurde noch nicht kommentiert.
Valid XHTML   |   Valid CSS:   |   Powered by WikkaWiki