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Version [8566]

Dies ist eine alte Version von FallKaufDurchMinderjaehrigen erstellt von WojciechLisiewicz am 2010-11-04 11:27:37.

 

Fall: Kaufvertrag eines Minderjährigen


A. Sachverhalt
Der Minderjährige (M) träumt von einem eigenen Gefährt und spart fleißig sein gesamtes Taschengeld, um sich möglichst bald einen Motorroller zu kaufen. Die Eltern sind diesbezüglich nicht begeistert, jedoch gehen davon aus, dass das nicht gerade üppige Taschengeld des M in absehbarer Zeit eine solche Anschaffung kaum ermöglichen wird. M erhält allerdings immer wieder von der Oma auch etwas Geld zur freien Verfügung, so dass er nach seinem 17. Geburtstag über ca. 1000 EUR verfügt.
Als er sich beim Händler Gierig (G) zum wiederholten mal den gebrauchten Roller seiner Träume für 1500 EUR anschaut, fragt ihn G, ob M ihn wirklich haben möchte. M bestätigt dies und meint gleich, dass er noch eine Weile brauchen wird, die komplette Summe aufzubringen. Als G erfährt, dass dem M 500 EUR fehlen, bietet er ihm an, den Roller für 1000 EUR in bar zu geben - den Rest soll M "später mal" bezahlen. M ist hocherfreut. Er bringt dem G seine 1000 EUR und nimmt den Motorroller mit.
Die Eltern des M sind nicht begeistert und wollen das Geschäft auf keinen Fall dulden.

B. Frage
Kann G von M Zahlung der restlichen 500 EUR verlangen?
Welche Ansprüche hat er sonst gegen M?



C. Musterlösung Gruppe CD - Frage 1

G könnte einen Anspruch gegen M auf Zahlung der 500 EUR aus § 433 II BGB haben. Dies ist der Fall, wenn er den Anspruch erworben, nicht verloren und dieser durchsetzbar ist.

1. Anspruchserwerb
Der Anspruch könnte erworben sein. Die Voraussetzung für den Anspruchserwerb ist ein wirksamer Kaufvertrag gem. § 433 BGB.

a. Vertragsschluss und -inhalt
G bietet dem M den Motorroller an, was der M annimmt. Damit ist ein Vertrag zustande gekommen. Beide Parteien haben sich dabei inhaltlich über einen Kaufvertrag geeinigt. Die Frage ist allerdings, ob dieser Vertrag auch wirksam ist.

b. Wirksamkeit
Dadurch, dass M minderjährig ist, könnte der Vertrag unwirksam sein. Dafür ist Voraussetzung, dass M dem Personenkreis i. S. d. § 106 BGB angehört und in den §§ 107 ff BGB keine Vorschrift enthalten ist, durch die sein Rechtsgeschäft wirksam sein könnte.
Laut Sachverhalt ist M 17 Jahre alt und damit noch nicht volljährig. Dies führt dazu, dass M i. S. d. § 106 BGB beschränkt geschäftsfähig ist.

Der Vertrag könnte gem. § 107 BGB wirksam sein. Die Wirksamkeit läge vor, wenn der gesetzliche Vertreter eingewilligt hätte oder wenn das Rechtsgeschäft lediglich rechtlich vorteilhaft für M wäre. Die Eltern sind hinsichtlich des Geschäfts des M nicht begeistert. Also hat es keine Einwilligung der Eltern gegeben.
Ein lediglich rechtlicher Vorteil ist gegeben, wenn dem Betroffenen aus dem Geschäft keinerlei rechtliche Verpflichtungen entstehen. Dabei spielt die wirtschaftliche Betrachtung keine Rolle. Aus dem Kaufvertrag ergibt sich für M die Pflicht, den Kaufpreis zu zahlen. Dadurch ist der lediglich rechtliche Vorteil nicht gegeben.
Der Vertrag ist nicht gem. § 107 BGB wirksam.

Der Vertrag könnte gem. § 110 BGB wirksam sein. Voraussetzung hierfür ist, dass M die vertragsmäßige Leistung mit Mitteln bewirkt die ihm zu diesem Zweck oder zur freien Verfügung vom gesetzlichen Vertreter oder mit dessen Zustimmung überlassen worden sind.

Bei dem überlassenen Geld könnte es sich hier um zur freien Verfügung überlassene Mittel handeln. Hier wurden die Mittel in Form von Taschengeld und durch die Großmutter überlassen. Dadurch handelt es sich um Mittel, die dem M zur freien Verfügung überlassen wurden.

M kauft sich den Motorroller aus seinen Ersparnissen, allerdings kann er nicht den vollen Kaufpreis begleichen. Damit kann M die Leistung nicht mit den o. g. Mitteln bewirken.

Voraussetzungen des § 110 BGB sind somit nicht erfüllt, der Vertrag ist nicht gem. dieser Vorschrift wirksam.

Der Vertrag könnte gem. § 108 BGB wirksam sein. Die Eltern des M wollen dieses Geschäft jedoch nicht dulden. Damit ist eine Genehmigung gem. § 108 I BGB nicht denkbar.

c. Ergebnis zur Wirksamkeit
Damit ist der Vertrag nicht wirksam.

2. Ergebnis
G hat keinen Anspruch auf Zahlung der 500 EUR.














D. Lösungsskizze

Frage 1 - Anspruch aus § 433 Ans. 1 BGB auf Zahlung des restlichen Kaufpreises

nach Musielak, Grundkurs BGB, Rn. 9 ff.

G könnte von M Zahlung des noch nicht gezahlten Kaufpreises (500 EUR) gemäß § 433 Abs. 2 BGB verlangen. Dies setzt voraus, dass G diesen Anspruch erworben und nicht verloren hat und dass dieser Anspruch durchsetzbar ist.

1. Anspruchserwerb
G könnte den Anspruch aus § 433 II BGB erworben haben. Dies ist dann der Fall, wenn G und M einen Vertrag geschlossen haben, bei dem es sich um einen Kaufvertrag handelt und dieser Vertrag wirksam ist.

a. Vertragsschluss und -inhalt
G und M haben sich geeinigt, dass M den Motorroller erwerben soll (Kaufgegenstand) und dafür insgesamt 1500 EUR (Kaufpreis) zahlen soll. Damit haben sie sich über die wesentlichen Bestandteile eines Kaufvertrag nach § 433 BGB geeinigt und damit einen Kaufvertrag geschlossen.

b. Wirksamkeit
Der Vertrag zwischen G und M müsste auch wirksam sein. Der Vertrag könnte gem. § 108 Abs. 1 BGB unwirksam sein. Dies ist dann der Fall, wenn M minderjährig ist und das Geschäft ihm weder lediglich rechtlichen Vorteil nach § 107 BGB verschafft noch durch seinen gesetzlichen Vertreter nach § 108 Abs. 1 BGB genehmigt wurde noch ein anderer Fall vorliegt, in dem das Geschäft nach dem Gesetz trotz beschränkter Geschäftsfähigkeit wirksam ist.

Das Geschäft könnte durch M gem. § 107 BGB wirksam geschlossen worden sein. Dafür müsste das Geschäft entweder einen lediglich rechtlichen Vorteil für M darstellen oder es müsste eine Einwilligung des gesetzlichen Vertreters vorliegen.
Ein lediglich rechtlicher Vorteil nach § 107 BGB ist dann nicht gegeben, wenn sich aus dem vom Minderjährigen geschlossenen Vertrag irgendeine rechtliche Verpflichtung ergibt. Auf die wirtschaftlichen Vorteile oder auf eine wirtschaftliche Bilanz des Geschäftes kommt es nicht an. M ist infolge des Vertrages verpflichtet, den Kaufpreis zu zahlen. Damit ist der Kauf des Motorrollers nicht lediglich rechtlich vorteilhaft.
Eine Einwilligung des gesetzlichen Vertreters - in diesem Falle der Eltern des M, § 1629 Abs. 1 BGB - liegt nicht vor. Damit kann das Geschäft nicht nach § 107 wirksam sein.
Demzufolge ist der Vertrag zwischen M und G gemäß § 107 wirksam.

Der Vertrag könnte allerdings gem. § 110 BGB dann auch ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters wirksam sein, wenn M die vertragsmäßige Leistung mit Mitteln bewirkt hätte, die ihm zur freien Verfügung durch die gesetzlichen Vertreter oder mit ihrer Zustimmung überlassen wurden.
Dem M wurden Mittel zur freien Verfügung überlassen. Es stellt sich die Frage, inwiefern M das zum Geburtstag erhaltene Geld mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters erlangt hat. Darauf kommt es im vorliegenden Fall insofern nicht an, als eine weitere Voraussetzung des § 110 BGB nicht erfüllt ist - M hat seine Leistung (Zahlung des Kaufpreises) nicht mit den frei verfügbaren Mitteln bewirkt - ein Teil des Kaufpreises steht gerade noch zur Zahlung aus. Deshalb kann hier vom Bewirken der Leistung i. S. d. § 110 keine Rede sein.
Der Vertrag zwischen G und M ist nicht gem. § 110 BGB wirksam.

Der Vertrag zwischen G und M kann deshalb nur durch nachträgliche Zustimmung (also Genehmigung) nach § 108 Abs. 1 BGB wirksam werden. Da die Eltern des M das Geschäft nicht dulden wollen und weder gegenüber G noch gegenüber M eine Genehmigung erklärt haben, ist das Geschäft nicht wirksam. Durch die Verweigerung der Genehmigung durch die Eltern des M steht fest, dass diese auch nicht zu erwarten ist.

Damit ist festzustellen, dass der Vertrag zwischen G und M unwirksam ist.

2. Ergebnis
Da der Vertrag zwischen G und M unwirksam ist, hat G gegen M keinen Anspruch auf Zahlung des (Rest)Kaufpreises gem. § 433 Abs. 2 BGB in Höhe von 500 EUR.



Bemerkung:
Da keine Anhaltspunkte für Verlust des Anspruchs (*)
(*) hier wird nicht die Frage im Hinblick auf die gezahlten 1000 EUR gestellt, weshalb der Umstand, dass dieser Teil eventuell erfüllt ist und deshalb der Anspruch diesbezüglich untergegangen ist, nicht zu erläutern ist;
sowie für Durchsetzbarkeitshindernisse gegeben sind, kommt es allein darauf an, ob G den Anspruch aus § 433 Abs. 2 BGB erworben hat.


3. Anspruch aus § 985 BGB auf Herausgabe des Rollers
Ist G Eigentümer geblieben?
Eigentumsübertragung G an M? Nach § 929 S. 1 BGB?
- dingliche Einigung (+)
- Wirksamkeit (+), denn lediglich rechtlicher Vorteil!
- Übergabe
- Einigsein bei Übergabe
- Berechtigung.

4. Anspruch aus § 812 BGB auf Herausgabe des Rollers
- M etwas erlangt
- durch Leistung
- ohne Rechtsgrund
(+)


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