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Version [99793]

Dies ist eine alte Version von KlausurfallWIPR1Modellbaukasten erstellt von WojciechLisiewicz am 2022-01-17 13:09:10.

 

Fallbeispiel: Der seltene Modellbausatz

Probeklausur im Wintersemester 2021 / 2022
Klausur im Wintersemester 2013 / 2014

Sachverhalt


Der 15-jährige B kauft von seinem Taschengeld im Modellbaufachgeschäft des A öfter Flugzeugmodelle und Zubehör ein. Die Eltern des B sind damit bisher auch immer einverstanden gewesen. Eines Tages bittet B den A, einen seltenen, bereits ausverkauften Kunststoffbausatz (offizieller Preis 24,99 EUR) für bis zu 50,- EUR zu besorgen. B hat zum letzten Geburtstag 100 EUR von den Eltern für „Neuanschaffungen“ bekommen und möchte sich damit den lange gehegten Wunsch zu erfüllen.

A sucht und findet einen Anbieter, der bereit ist, einen Bausatz für 40,- EUR abzugeben. A verfasst deshalb auf dem Rechner in seinem Laden eine E-Mail an B, in der er informiert, dass der gesuchte Bausatz voraussichtlich in einer Woche für 50,- EUR abgeholt werden kann. Die Nachricht wird im Postausgang gespeichert, von A aber bewusst noch nicht versendet, weil A noch eine Bestätigung der Versendung der Ware von seinem Lieferanten abwarten möchte.

Am Tag darauf wird A krank, der Laden wird von seinem Mitarbeiter M weiter geführt. Während A zu Hause einen Anruf vom Lieferanten erhält, dass der Bausatz nicht geliefert werden kann, bemerkt M im Postausgang des Rechners im Laden die E-Mail an B. M geht davon aus, dass die E-Mail versendet werden soll und sendet sie sofort ab. B freut sich über die mögliche Lieferung und hat vor, in einigen Tagen im Laden des A vorbeizuschauen.

Nachdem A gesund wird, findet er einen neuen Anbieter des von B gesuchten Bausatzes für 75,- EUR. Einen Tag darauf kommt B zu A und verkündet, dass er den Bausatz für 50,- EUR nimmt. Erst jetzt kann A das Missverständnis aufklären und sagt, dass die E-Mail gar nicht von ihm gekommen sei und dass der neue Preis 90,- EUR beträgt. B ist enttäuscht, will dennoch am Geschäft festhalten. Er verspricht dem A, das restliche Geld am Folgetag zu bringen, weil er zu Hause noch Geld habe. A gibt das Modell dem B gleich mit.
Die Eltern des B erfahren von dem Vorgang und finden, dass B nun mit dem Hobby etwas übertreibt. Sie sind nicht einverstanden, dass er für ein Modell im Wert von 25,- EUR nahezu das Vierfache zahlt. Im Übrigen sind sie darüber empört, dass hier die Naivität des B ausgenutzt wird, wenn der ursprünglich zugesagte Preis von 50,- EUR nicht gelten soll. Sie sind der Auffassung, dass das Geschäft – wenn überhaupt – mit einem Preis von 50,- EUR vollzogen werden soll.

Fragen

1. Kann A von B Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 90,- EUR verlangen?
2. Hat A andere Ansprüche gegen B?



Musterlösung


Frage 1: Kann A von B Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 90,- EUR verlangen?

A könnte von B Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 90,- EUR verlangen. Hierzu muss der Anspruch erworben, ferner darf er nicht verloren und durchsetzbar sein.

A. Anspruchserwerb
A könnte den Anspruch erworben haben. Dies setzt voraus, dass ein Vertrag geschlossen wurde, dieser Zahlung von 90,- EUR zum Gegenstand hat und dieser Vertrag auch wirksam ist.

1. Vertragsschluss
Zwischen A und B könnte ein Vertrag geschlossen worden sein. Dies setzt zwei übereinstimmende, aufeinander bezogene Willenserklärungen - Angebot (§ 145 BGB) und Annahme (§§ 146 ff. BGB) voraus. Im Übrigen muss das Angebot bei Annahme bindend sein.

a. Angebot des B
B könnte dem A mit der Bitte, den Bausatz bis 50,- EUR zu besorgen, ein Angebot gemacht haben. Dies setzt eine Willenserklärung voraus, die ein Angebot darstellt und die abgegeben wurde und dem A zugegangen ist.
Es könnte eine Willenserklärung des B vorliegen. Hierfür muss der äußere und innere Tatbestand der Willenserklärung vorliegen. Es ist fraglich, inwiefern im äußeren Tatbestand auch der Rechtsbindungswille bei B gegeben ist.
B handelte mit Rechtsbindungswillen, wenn er im Hinblick auf das vorzunehmende Rechtsgeschäft keine weiteren Zwischenschritte vorgesehen hat, sich also ohne Bedingungen auf ein Geschäft einlassen wollte.
Mit der gegenüber A formulierten Bitte des B hat dieser zum Ausdruck gebracht, dass er den Bausatz haben möchte, womit der potenzielle Kaufgegenstand feststeht. Im Übrigen wurde ein (Höchst-)Preis bestimmt. Dies spricht dafür, dass B mit Rechtsbindungswillen handelte. Allerdings kann darin, dass B den A vorerst nur darum bittet, den Bausatz zu besorgen, noch kein bedingungsloser Entschluss zum Abschluss des Vertrages gesehen werden. Welchen Bausatz A konkret besorgen kann (Zustand etc.) und wie letztlich der Kaufpreis sein wird, steht hier noch nicht fest. Demzufolge liegt keine Erklärung des B vor, die einen Rechtsbindungswillen aufweist.
Damit sind die Voraussetzungen des äußeren Tatbestands der Willenserklärung nicht erfüllt; eine Willenserklärung seitens B liegt vorerst nicht vor.

b. Angebot seitens A
Mit der E-Mail des A könnte ein Angebot seinerseits vorliegen. Dies setzt eine Willenserklärung voraus, die ein Angebot darstellt, die abgegeben wurde und dem B zugegangen ist.
A hat eine an den B gerichtete E-Mail verfasst. In dieser E-Mail nennt er einen Preis von 50,- EUR. Zu diesem soll B einen Bausatz erwerben können. Damit hat A eine Willenserklärung formuliert, die auch alle Bestandteile des avisierten Vertrages enthält, also inhaltlich einen Antrag darstellt.
A könnte die Erklärung auch abgegeben haben. Eine Abgabe der Willenserklärung liegt vor, wenn die Erklärung so auf den Weg gebracht wurde, dass mit Zugang zu rechnen ist. Die E-Mail wurde an B nicht von A versendet, sondern zunächst einmal im E-Mail-Programm nur gespeichert. An B hat sie dann (später) der M versendet, nachdem A erkrankt ist.
Damit ist die E-Mail nicht auf Wunsch und gemäß dem Willen des A an B versendet worden. So hat A die Willenserklärung nicht abgegeben.
Eine Abgabe der Erklärung des A mittels eines Boten (die E-Mail wurde durch M letztlich abgeschickt) ist zwar denkbar. Allerdings hat A den M nicht um Absendung gebeten und dies auch nicht gewollt. Somit hat A den M in diesem Fall nicht als Boten eingesetzt, so dass die Zurechnung der Abgabe der Willenserklärung nicht in Betracht kommt.

Insofern hilft hier auch der Umstand nicht, dass die E-Mail dem B problemlos zugegangen ist - mangels Abgabe liegt in der E-Mail kein Angebot des A vor.

c. Zweites Angebot des A
A könnte dadurch, dass er nach seiner Genesung beim Eintreffen des B einen gänzlich anderen Vorschlag macht (90,- EUR) gegenüber B ein zweites Angebot gemacht haben. Dies setzt voraus, dass A eine Willenserklärung, die ein Angebot darstellt, abgegeben hat und sie dem B zugegangen ist. A eröffnet dem B nicht nur, dass die ursprüngliche Idee, den Bausatz für 50,- EUR zu besorgen, hinfällig ist, sondern schlägt ihm vor, diesen für 90,- EUR aufzutreiben. Dies stellt eine Willenserklärung dar, die auch ein Antrag i. S. d. § 145 BGB ist. Dies geschieht in Anwesenheit des B, der diesen Vorschlag auch wahrnimmt - Probleme bei Abgabe und Zugang sind damit ausgeschlossen.
Ein Angebot seitens A liegt vor.

d. Annahme durch B
B könnte das Angebot des A angenommen haben. Dies setzt voraus, dass B eine Willenserklärung mit dem Inhalt Annahme abgibt und sie dem A zugeht. B ist zwar wegen dem erhöhten Preis enttäuscht, willigt aber in die veränderten Konditionen schnell ein. Damit Äußert er nicht nur seinen Willen, sondern erklärt sich mit Angebot des A einverstanden. Da dies unter Anwesenden geschieht, ist damit auch eine Annahme seitens B gegeben.



B. Kein Verlust

C. Durchsetzbarkeit








Lösungsskizze

verfasst von Frau Annegret Mordhorst im Jahr 2014

1. Lösung zur 1. Frage:


A könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 90 EUR gem. § 433 Abs. 2 BGB haben.

A. Anspruchserwerb

I. Vertragsschluss

1. Angebot des B („bittet, den ausverkauften DH Mosquito für bis zu 50 EUR zu besorgen“) ?

- Preis noch nicht ganz fest; Angebot aber argumentativ möglich (+/-)

2. Annahme durch A (wenn oben kein Angebot: Angebot des A)

a) WE (+) - kannst für 50 EUR haben
b) Inhalt Annahme bzw. Angebot (+)
c) Abgabe (-) - nicht „so auf den Weg gebracht, dass Kenntnisnahme möglich“, nur versehentlich versendet; auch kein Dritter (M weder zum
Boten bestellt; auch keine Absicht, eine eigene WE als Vertreter abzugeben, Fall der sog. abhandengekommenen Willenserklärung)

Zwischenergebnis: keine Annahme durch A (auch kein Angebot, das angenommen werden könnte)

3. Komplett neues Angebot des A gem. § 150 Abs. 2 BGB: „neuer Preis 90 EUR“. WE, Inhalt Angebot, Abgabe/Zugang mündlich – alle VSS (+)

4. Annahme durch B („will dennoch am Geschäft festhalten“) (+)

5. Bindung an Antrag (Annahmefähigkeit des Angebotes) und Übereinstimmung, insb. über Preis 90 EUR (+)

II. Vertragsinhalt

Entgegen den ursprünglichen Erklärungen Einigung nun über 90 EUR – also Modell gegen 90 EUR, Anspruch auf 90 EUR möglich.

III. Wirksamkeit

Könnte mangels Geschäftsfähigkeit fehlen

1. B beschränkt geschäftsfähig, § 106 BGB? (+) B ist 15 Jahre alt

2. Geschäft nicht ausnahmsweise gem. §§ 107 ff. wirksam?

a. wirksam gem. § 107 1. Alt. BGB (-) kein lediglich, rechtlich vorteilhaftes Geschäft, B verpflichztet sich gem. § 433 abs. 2 BGB zur Zahlung der 90 €
b. wirksam gem. § 107 2. Alt. BGB (-) keine ausdrückliche Einwilligung der Eltern erfolgt eventuell konkludent, „für Neuanschaffungen“ - eher § 110 BGB anwendbar

c. wirksam gem. § 110 BGB

Dennoch könnte der zwischen B und A geschlossene Vertrag trotz der beschränkten Geschäftsfähigtkeit des B gem. § 110 BGB wirksam sein. Hiervon ist dann auszugehen, wenn B die vertragsmäßige Leistung mit Mitteln bewirkt hätte, die ihm zur freien Verfügung durch die gesetzlichen Vertreter oder mit ihrer Zustimmung durch einen Dritten überlassen wurden.
Dem B wurden Mittel zur freien Verfügung überlassen. Dies erfolgte durch die Eltern. Problematisch könnte sein, ob die Leistung, bmit dem ihm zur Verfügung stehenden Mitteln vollständig bewirkt hat. Dies ist dann der Fall, wenn B die 90 € vollständig an A gezahlt hat. B hat den Kaufpreuis erst nur in Höhe von 50 € an A gezahlt, der Rest steht noch aus. Somit hat B seine Leistung nicht i.S.d. § 110 BGB vollständig bewirkt. Der Vertrag zwischen A und B ist nicht gem. § 110 BGB wirksam.

Zwischenergebnis: da auch kein § 108 BGB (Genehmigung), Kauf unwirksam

Ergebnis zur ersten Frage: Anspruch nicht erworben mangels Wirksamkeit des Kaufvertrages = kein Anspruch

2. Lösung zur 2. Frage:

A könnte gegen B einen Anspruch auf Herausgabe des Modells gem. § 812 I 1 1. Alt. BGB haben.
Anspruch ist erworben, wenn:

I. B etwas erlangt = Eigentum und/oder Besitz am Modell (+), ohne auf Eigentumsübertragung einzugehen mindestens Besitz

II. Durch eine Leistung des A = Erfüllung des Kaufvertrages ist zweckgerichtete Mehrung des Vermögens von B (+)
III. Ohne Rechtsgrund? - Kaufvertrag unwirksam, siehe oben (+)

Ergebnis zur 2. Frage: Anspruch auch nicht verloren und durchsetzbar, also insgesamt (+)




CategoryWIPR1Faelle
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