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Der letzte Wille – Vergleich des deutschen und koreanischen Erbrechts



“Der letzte Wille” ist eine gebräuchliche Bezeichnung für ein Testament. Bei einem Testament handelt es sich um eine einseitige Verfügung. Der Erblasser (Ersteller des Testaments) kann hiermit Anordnungen über die Rechtsnachfolge bezüglich seiner Erbmasse (zu vererbendes Vermögen) treffen. Voraussetzung für das Inkrafttreten der Anordnungen ist der Todesfall des Erblassers. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für ein Testament sind in Deutschland im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB; Buch 5: Erbrecht) sowie in Südkorea ebenfalls im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB; Abschnitt 5: Erbrecht) zu finden.


Testierfreiheit
Deutschland: In Deutschland herrscht gemäß Paragraph 1937 BGB grundsätzlich Testierfreiheit, auch „Erbeinsetzung durch letztwillige Verfügung“ genannt. Ein Erblasser hat also die Möglichkeit, durch einseitige Verfügung von Todes wegen die Erben selbst zu bestimmen. Die Testierfreiheit kann als Ausfluss der Privatautonomie (wonach jede Person das Recht hat, seine privaten Rechtsverhältnisse selbst zu gestalten) betrachtet werden und ist durch das Grundgesetz abgesichert, da das Erbrecht gemäß Artikel 14 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) gewährleistet wird.
Südkorea: Die Testierfreiheit ergibt sich aus den Vorschriften der Testierfähigkeit gemäß Paragraph 1061 BGB. In der Verfassung ist weder die Testierfreiheit im Speziellen, noch das Erbrecht im Allgemeinen erwähnt.
Ergebnis: Die Testierfreiheit besteht also in beiden Ländern, auch wenn sie in Deutschland tiefer im Gesetz (vor allem in der Verfassung) verankert ist.


Testierfähigkeit
Deutschland: In Deutschland hat jede volljährige Person das Recht, zu Lebzeiten selbst die Erbfolge und somit die Personen oder Organisationen zu bestimmen, die nach dem Todesfall ihren Nachlass erben sollen. Auch Minderjährige können ein Testament erstellen gemäß Paragraph 2229 Absatz 1 BGB, vorausgesetzt sie haben das 16. Lebensjahr vollendet. Dabei bedarf der Minderjährige bei der Errichtung eines Testaments im Gegensatz zu anderen Rechtsgeschäften nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters gemäß Paragraph 2229 Absatz 2 BGB. Nicht zur Errichtung eines Testaments berechtigt und somit nicht testierfähig sind minderjährige Personen, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben gemäß Paragraph 2229 Absatz 1 BGB (argumentum e contrario, Umkehrschluss), sowie Personen, die aufgrund einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit, Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung nicht dazu in der Lage sind, die Bedeutung einer von ihnen abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln gemäß Paragraph 2229 Absatz 4 BGB.
Südkorea: In Südkorea hat jede Person das Recht ein Testament zu errichten, die das 17. Lebensjahr vollendet hat gemäß Paragraph 1061 BGB. Auch hier können Minderjährige, vorausgesetzt sie haben das 17. Lebensjahr vollendet, ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters ein Testament errichten gemäß Paragraph 1062 BGB. Personen mit beschränkter Geistestätigkeit können gemäß Paragraph 1063 Absatz 1 BGB lediglich dann ein Testament errichten, wenn sie die Fähigkeit besitzen, die Bedeutung ihrer Handlungen zu verstehen. Errichtet eine Person mit beschränkter Geistestätigkeit ein Testament, so wird gemäß Paragraph 1063 Absatz 2 BGB der Geisteszustand ärztlich untersucht und das Ergebnis auf dem Testament vermerkt.
Ergebnis: In Deutschland treten immer wieder Fälle auf, in denen die Personen (in der Regel Nachkömmlinge, die enterbt wurden im Testament) die Geistesfähigkeit und somit auch die Testierfähigkeit des Erblassers anzweifeln, um die gesetzliche Erbfolge zu erzwingen. Die Feststellung der Testierfähigkeit des Erblassers zur Zeit der Testamentserrichtung ist nach dessen Tod kaum möglich. Einer derartigen Situation kann jedoch vorgebeugt werden, indem der Erblasser kurz vor der Errichtung des Testaments eine ärztliche Untersuchung veranlasst. Das Gutachten bezüglich der Testierfähigkeit kann dann dem Testament beigelegt und Unklarheiten beseitigt werden. In Südkorea kann dieses Problem zwar ebenfalls auftreten, jedoch wurde hier reagiert und ein Teil des Problems ist bereits gelöst, da in Südkorea gesetzlich bestimmt ist, dass bei Personen, die bereits eine eingeschränkte Geistesfähigkeit aufweisen, das Ergebnis einer ärztlichen Untersuchung auf dem Testament vermerkt wird.


Erbfähigkeit
Deutschland: In Deutschland kann gemäß Paragraph 1923 Absatz 1 BGB nur Erbe werden, wer zur Zeit des Erbfalls lebt. Auch Personen, die zur Zeit des Erbfalls noch nicht leben, können Erbe werden, wenn sie zu diesem Zeitpunkt bereits gezeugt waren, denn gemäß Paragraph 1923 Absatz 2 gelten Personen, die zur Zeit des Erbfalls noch nicht lebten, aber bereits gezeugt waren, als vor dem Erbfall geboren und besitzen somit die Erbfähigkeit.
Südkorea: Aus Paragraph 1000 BGB lässt sich schließen, dass in Südkorea ebenfalls nur Personen die Erbfähigkeit besitzen und somit Erbe werden können, die zur Zeit des Erbfalls leben. Auch hier gelten Personen, die zum Zeitpunkt des Erbfalls gezeugt aber noch nicht geboren sind, als vor dem Erbfall geboren gemäß Paragraph 1000 Absatz 3 BGB.
Ergebnis: Die Vorschriften sind daher in beiden Ländern nahezu identisch.


Ausschluss der Erbfähigkeit
Deutschland: In Deutschland spricht man bei einem Ausschluss der Erbfähigkeit von Erbunwürdigkeit. Demnach sind gemäß Paragraph 2339 Absatz 1 BGB folgende Personen erbunwürdig und können so nicht Erben werden:
1. wer den Erblasser vorsätzlich und widerrechtlich getötet oder zu töten versucht oder in einen Zustand versetzt hat, infolge dessen der Erblasser bis zu seinem Tode unfähig war, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder aufzuheben,
2. wer den Erblasser vorsätzlich und widerrechtlich verhindert hat, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder aufzuheben,
3. wer den Erblasser durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt hat, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder aufzuheben,
4. wer sich in Ansehung einer Verfügung des Erblassers von Todes wegen einer Straftat nach den §§ 267, 271 bis 274 des Strafgesetzbuchs schuldig gemacht hat.
Südkorea: Folgende Personen sind gemäß Paragraph 1004 BGB von der Erbfähigkeit ausgeschlossen und können somit keine Erben werden:
1. Personen, die mit Vorsatz einen direkten Vorfahren, den Erblasser oder dessen Ehepartner oder irgendeine Person, die eine höhere oder gleiche Position in der Erbrangfolge besitzt, tötet und versucht zu töten
2.Personen, die einen direkten Vorfahren, den Erblasser oder dessen Ehepartner mit Vorsatz angegriffen und deren Tod herbeigeführt haben
3. Personen, die auf ein Testament oder Aufhebung eines Testaments durch Betrug oder Nötigung störend einwirken
4. Personen, die durch Betrug oder Nötigung den Erblasser dazu bringen, sie in seinem Testament zu berücksichtigen
5. Personen, die das Testament des Erblassers fälschen, ändern, zerstören oder verheimlichen
Ergebnis: Die Vorschriften sind also in beiden Ländern, auch wenn die Formulierungen voneinander abweichen, im Endeffekt sehr ähnlich.


Enterbung
Deutschland: Gemäß Paragraph 1938 BGB kann der Erblasser durch ein Testament einen Verwandten, den Ehegatten oder den Lebenspartner von der gesetzlichen Erbfolge ausschließen, ohne einen Erben einzusetzen.
Südkorea: Auch Erblasser in Südkorea können Personen von der gesetzlichen Erbfolge ausschließen.
Ergebnis: Der Erblasser kann also sowohl in Deutschland als auch in Südkorea Personen enterben. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass den nächsten Angehörigen, auch wenn sie enterbt wurden, ein Pflichtteil zusteht (in Deutschland gemäß Paragraph 2303 Absatz 1 und 2 BGB und in Südkorea gemäß Paragraph 1112 BGB). Dies trifft jedoch nur für die nächsten Angehörigen zu (z.B. Kinder, Ehegatten etc.). Weiterhin ist zu erwähnen, dass das Nachlassgericht den Enterbten den Pflichtteil nicht automatisch zuspricht. Die Enterbten müssen ihre Rechte gegenüber den Erben geltend machen.


Testamentsformen
Deutschland: Das deutsche Erbrecht kennt folgende Testamentsformen:
• eigenständig verfasstes Testament (gemäß Paragraph 2247 BGB)
• öffentliches (notarielles) Testament (gemäß Paragraph 2232 BGB)
• außerordentliches Testament / Nottestament (gemäß Paragraph 2249 ff. BGB)
• Erbvertrag als Sonderform (gemäß Paragraph 1941 BGB)
Südkorea: Das koreanische Erbrecht kennt gemäß Paragraph 1065 BGB folgende fünf Testamentsformen:
• handschriftliches Testament (gemäß Paragraph 1066 BGB)
• Testament durch Tonaufzeichnung (gemäß Paragraph 1067 BGB)
• notarielles Testament (gemäß Paragraph 1068 BGB)
• Testament durch Geheimpapier (gemäß Paragraph 1069 BGB)
• diktiertes Testament (gemäß Paragraph 1070 BGB)
Ergebnis: Im Großen und Ganzen sind die Vorschriften hier also sehr ähnlich. Der einzige Unterschied besteht darin, dass in Deutschland die Tonaufzeichnung als Testamentsform nicht erlaubt ist und es im koreanischen Erbrecht keinen Erbvertrag gibt.


Erbvertrag
Deutschland: In Deutschland kann gemäß Paragraph 1941 Absatz 1 BGB der Erblasser durch einen Vertrag einen Erben einsetzen, Vermächtnisse und Auflagen anordnen sowie das anzuwendende Erbrecht wählen. Dabei kann als Erbe oder Vermächtnisnehmer sowohl der Vertragspartner als auch Dritte gemäß Paragraph 1941 Absatz 2 BGB bedacht werden.
Südkorea: Das koreanische Erbrecht kennt keinen Erbvertrag.
Ergebnis: Auch der Erbvertrag ist eine einseitige Verfügung von Todes wegen. Im Gegensatz zum Testament ist der Erblasser jedoch an den Erbvertrag gebunden. Diese Bindungswirkung verhindert einen möglichen Widerruf, der bei einem Testament möglich ist. Dies stärkt die Rechtssicherheit beider Parteien und kann verhindern, dass eine Person, dessen Geistesstärke bereits nachlässt, sein Testament widerruft oder ändert, obwohl sie die Bedeutung dieser Handlung überhaupt nicht mehr versteht.


Gesetzliche Erbfolge
Deutschland: In Deutschland besteht folgende gesetzliche Erbfolge:
1. Ordnung: Kinder des Erblassers und Enkelkinder; (gemäß Paragraph 1924 BGB)
2. Ordnung: Eltern des Erblassers, Geschwister, Nichten und Neffen, geschiedene Elternteile der verstorbenen Person; (gemäß Paragraph 1925 BGB)
3. Ordnung: Großeltern des Erblassers, Onkel und Tanten, Cousinen und Cousins; (gemäß Paragraph 1926 BGB)
4. Ordnung: Urgroßeltern und deren Abkömmlinge. (gemäß Paragraph 1928 BGB)
Südkorea: Gemäß Paragraph 1000 Absatz 1 BGB besteht in Südkorea folgende gesetzliche Erbfolge:
1. Ordnung: Direkte Nachkommen des Erblassers; (Kinder oder Enkelkinder)
2. Ordnung: Direkte Vorfahren des Erblassers; (Eltern oder Großeltern)
3. Ordnung: Geschwister des Erblassers;
4. Ordnung: Kollaterale Blutsverwandte des Erblassers innerhalb des vierten Grades.
Ergebnis: Die Vorschriften bezüglich der gesetzlichen Erbfolge sind demnach in beiden Ländern im Ergebnis identisch.


Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Deutschland: Die Erben können gemäß Paragraph 1943 BGB innerhalb der Frist das Erbe annehmen oder ausschlagen. Hat der Erbe die Erbschaft angenommen, kann er sie nicht mehr ausschlagen. Ist die Frist verstrichen, gilt die Erbschaft als angenommen. Die Ausschlagung kann gemäß Paragraph 1944 Absatz 1 BGB nur binnen sechs Wochen erfolgen. Die Frist kann jedoch auch verlängert werden (z.B. gemäß Paragraph 1944 Absatz 3 BGB auf sechs Monate, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz nur im Ausland gehabt hat oder wenn sich der Erbe bei dem Beginn der Frist im Ausland aufhält).
Südkorea: In Südkorea haben Erben gemäß Paragraph Absatz 1 1019 BGB drei Monate Zeit, das Erbe annehmen oder ausschlagen.
Ergebnis: In Südkorea haben die Erben also (zumindest im Regelfall) deutlich mehr Zeit als in Deutschland, sich für die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft zu entscheiden. Erbschaften sind mit Rechten und Pflichten verbunden. Diese längere Frist in Südkorea lässt daher zu, dass sich die Erben beraten lassen und sie sich eine genaue Übersicht über die Erbmasse, Rechten und Pflichten verschaffen können. In diesem Bereich ist das koreanische Erbrecht also etwas erbenfreundlicher als das deutsche Erbrecht.


Fazit: Es gibt also nur wenige Unterschiede zwischen dem deutschen und koreanischen Erbrecht. Sie sollten sowohl in Deutschland als auch in Südkorea darauf achten, dass Sie Ihr Testament rechtzeitig erstellen, um für den Notfall gewappnet zu sein, denn niemand kann vorhersagen, wann wir sterben oder wann unsere Geistestätigkeit soweit abnimmt, dass ein aufgesetztes Testament nichtig wäre. Achten Sie vor allem auch auf die möglichen Testamentsformen, denn wenn Sie eine ungültige Form wählen, ist das Testament ungültig und Ihr Wille wird nicht durchgesetzt, da im Falle der Ungültigkeit des Testaments die gesetzliche Erbfolge eintritt. Um garantieren zu können, zumindest soweit dies möglich ist, dass der letzte Wille des Erblassers auch wirklich durchgesetzt wird, sollte das Testament sorgfältig hinterlegt werden. Das Testament kann zum Beispiel dem Gericht zur Hinterlegung übergeben werden. Die Hinterlegung kann auch ein Notar übernehmen. Diese Varianten sind zwar mit Kosten verbunden, das sollte Ihnen Ihr letzter Wille jedoch wert sein.




© Christoph Bieramperl (2016)
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