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Urheberrecht


Fall 24 - Interview


Der Verleger der Tageszeitung „Bild“ (B) hatte in einer Ausgabe ein wörtlich wiedergegebenes Interview mit Verona Feldbusch (V) abgedruckt, in dem sie den Vorwurf erhob, ihr Mann habe sie geschlagen und ihr damit Gesichtsverletzungen zugefügt. Neben der Schlagzeile „Bohlens Frau – So hat er mich zugerichtet“ war ein Farbfoto des Gesichts der F zu sehen, das sie mit einem blauen Auge, Pflaster und Verband zeigte. Einige Tage nach der Veröffentlichung erschien in der von F verlegten wöchentlich herausgebrachten Zeitschrift „Focus“ unter der Überschrift „In die Hose gerutscht, sie küssten und sie schlugen sich: Im Ehedrama Bohlen und Feldbusch hat der letzte Akt begonnen“ ein Artikel über die Auseinandersetzung des damaligen Ehepaares. Wegen der ausdrücklichen Bezugnahme auf den Inhalt des in der Bildzeitung erschienenen Interviews wurde zur Illustration ein aus der Titelseite herausgerissener Teil der Ausgabe in verkleinerter Form wiedergegeben. B, der alleiniger Inhaber der ihm vom Lichtbildner eingeräumten Nutzungsrechte ist, beanstandet die nicht genehmigte Wiedergabe des Pressefotos und verlangt von F Unterlassung und Schadensersatz.

Zu Recht?


Lösung


B könnte gegen F einen Anspruch auf Unterlassung und Zahlung von Schadensersatz gem. § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG haben.

A. Voraussetzung hierfür ist, dass es sich bei dem Lichtbild um ein urheberrechtlich geschütztes Werk handelt. Es könnte sich hierbei um ein Lichtbildwerk i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG handeln. Gem. § 2 Abs. 2 UrhG muss dann eine persönliche geistige Schöpfung gegeben sein. Hier erscheint fraglich, ob die Ablichtung einen ausreichenden Grad an Individualität aufweist. Das Bild gibt ohne Einsatz besonderer technischer Mittel etwas Vorgegebenes wieder. Es weist daher keine besondere Gestaltungshöhe auf. Eine Schutzfähigkeit nach § 2 Abs. 2 UrhG ist daher abzulehnen. Zu beachten bleibt jedoch, dass § 72 UrhG den Bereich geschützter Fotografien über den Schutz schöpfersicher Lichtbildwerke nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG ausweitet, indem er die für diese geltenden Vorschriften auf Lichtbilder, d.h. nichtschöpferische Fotografien, für entsprechend anwendbar erklärt.
B selbst hat dieses Bild zwar nicht erstellt. Ihm wurde die Rechte hieran durch den Fotografen aber übertragen, so dass er auch befugt ist, diesen Anspruch geltend zu machen.

B. In dem Abdruck des Bildes in der Zeitschrift ist eine Vervielfältigung und Verbreitung desselbigen i.S.d. §§ 16 Abs. 1, 17 Abs. 1 UrhG zu sehen.

C. Fraglich könnte sein, ob die beanstandete Vervielfältigung und Verbreitung der fraglichen Fotografie durch die Schrankenbestimmung des § 50 UrhG gerechtfertigt gewesen ist. Nach § 50 UrhG dürfen Werke, die im Verlauf von Vorgängen, über die berichtet wird, wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang u.a. zur Bildberichterstattung über Tagesereignisse in – im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragenden – Zeitschriften vervielfältigt und verbreitet werden. Für die nach § 72 UrhG geschützten Lichtbilder ist diese Schrankenbestimmung entsprechend anwendbar.

I. Bei der von F verlegten Zeitschrift „Focus“ handelt es sich um eine Wochenzeitschrift, die der Berichterstattung über Ereignisse in der Öffentlichkeit zu dienen bestimmt ist. Es handelt sich folglich um eine Zeitschrift, die im Wesentlichen den Tagesinteressen Rechnung trägt.

II. Zudem müsste in dem fraglichen „Focus“-Artikel, in welchem das Lichtbild von V wiedergegeben wurde, über ein Tagesereignis berichtet worden sein.
Unter einem Tagesereignis versteht man jedes aktuelle Geschehen, das für die Öffentlichkeit von allgemeinem Interesse ist. Dies ist nicht vom Gegenstand abhängig; es muss sich demzufolge nicht um eine Begebenheit aus Politik, Kultur, Sport oder Wirtschaft handeln. Daher privilegiert § 50 UrhG auch eine Berichterstattung, die – wie im vorliegenden Fall – eher die Neugier am Schicksal bekannter Persönlichkeiten und ein gewisses Klatschbedürfnis befriedigt. Aktuell ist dieses Geschehen, wenn ein Bericht darüber von der Öffentlichkeit noch als Gegenwartsberichterstattung empfunden wird. In Anbetracht der Tatsache, dass sich zum Zeitpunkt des Erscheinens des Artikels das Bohlen-Ehepaar gerade im Scheidungsverfahren befand, ist auch diese Voraussetzung hier als gegeben anzusehen.
Problematisch könnte jedoch sein, dass bereits die Ankündigung des Artikels durch die Worte „In die Hose gerutscht, sie küssten und sie schlugen sich: …“ auf eine Hintergrundreportage mit deutlich ironischen Zügen schließen lässt, was grundsätzlich den Bericht über ein Tagesereignis ausschließen könnte. § 50 UrhG privilegiert aber nicht nur die nüchterne Agenturnotiz, sondern auch die Reportage, in der das aktuelle Geschehen durch Mitteilung der Vorgeschichte und durch Stellungnahmen Dritter beleuchtet und ironisiert wird. Es wurde hier also über ein Tagesereignis berichtet.

III. Demzufolge sind die Vervielfältigungs- und Verbreitungshandlungen durch § 50 UrhG gedeckt.

D. Ein Anspruch gem. § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG besteht somit nicht.





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