==== WIPR I - Einführung in die juristische Methodik ==== == Systematische Fallbearbeitung == Von Juristen wird in der Ausbildung die sog. **systematische Fallbearbeitung** verlangt. Dies ist nichts Anderes, als eine bestimmte Prüfungsform im Studium, mit der das Denken in Strukturen geprüft werden kann. Denn ohne Denken in Strukturen kann eine systematische Fallprüfung nicht gelingen. Geht man nicht systematisch und strukturiert vor, ist dem Ergebnis der Arbeit nicht zu trauen. Ein nachvollziehbarer, logischer und mit plausibler Begründung versehener Weg der Lösungsfindung überzeugt im Streitfall den Richter mehr als ein wie im Quiz geschossenes, sei es auch so geniales Ergebnis. Deshalb muss die systematische Fallbearbeitung im Zentrum jeder juristischen Ausbildung stehen. ((1)) Gutachtenstil Dabei bedeutet die systematische Fallbearbeitung nicht nur einen gedanklichen Vorgang, die Problemanalyse. Neben der strukturierten Denkweise (vgl. bereits die [[WIPR1Struktur Hinweise zur juristischen Struktur]]) gehört hierzu auch eine saubere Formulierung dessen, was als Ergebnis der Analyse präsentiert werden soll. Der Richter formuliert in der Regel im sog. Urteilstil, bei dem er seine Entscheidung zunächst nennt und sie anschließend begründet. In der Ausbildung sowie in der juristischen Beratung ist hingegen der **Gutachtenstil** das geeignetere Instrument, weil es einen logischen Gang von Frage zur Antwort adäquat abbildet. Der Gutachtenstil verlangt vom Gutachter Benutzung bestimmter Struktur der Darstellung seiner Überlegungen zur juristischen Frage. Dies geschieht nach folgendem Muster: 1) Obersatz zur Hauptfrage 1) Voraussetzungen 1) Subsumtion 1) Ergebnis Die einzelnen Schritte eines Gutachtens sind nachstehend im Detail zu erläutern. ((2)) Der Obersatz zur Hauptfrage Beim Obersatz ist das Ziel nicht etwa, die Hauptfrage als eine offene Frage zu formulieren. Vielmehr ist zu überlegen, was die eindeutige Antwort auf die gestellte Frage sein könnte. Mehr noch: bei der Formulierung des Gutachtens ist die mögliche Antwort bereits an dieser Stelle - allerdings im **Konjunktiv** - zu formulieren. Dadurch beschränkt sich die anschließende Prüfung auf die Überlegung, ob die im Obersatz genannte Hypothese mit bloßem "ja" oder "nein" beantwortet werden muss. <